Ein volles Haus beim Neujahrsempfang

(ds). Die unruhige weltpolitische Lage, die Bedeutung eines stabilen Europas vor diesem Hintergrund und die Tücken der Demokratie im Angesicht der GroKo-Debatte waren die Themen der Neujahrsansprache von Karin Schneider. Aber nicht nur in Berlin müsse die Demokratie spürbar sein – mit all ihren Nachteilen – sondern auch in Liederbach. „Diese Erfahrung haben wir parallel zur Bundestagswahl im vergangenen September bei unserem Bürgerentscheid gemacht“, so Schneider. Zwei Drittel der Wähler hatten gegen die Bebauung gestimmt. „Man hätte es sicherlich auch als Chance sehen können, moderne Wohnungen in Sechs-Familien-Häusern anbieten zu können, so wie sie auch in den Nachbargemeinden in vielfältiger Form gebaut werden. Sehr nah an der Großstadt leben, aber dörflich schön wohnen wollen – dieser Anspruch an Wohnwert ist für die kleineren Gemeinden schwer zu erfüllen, bei weniger Steuereinnahmen erst recht nicht leicht zu finanzieren“, so Schneider. Aber auch hier habe die Demokratie das letzte Wort gehabt.

In Demokratie leben hieße aber Gott sei dank auch denken, lesen, reden und schreiben können, was man wolle. „Eine unschätzbare Freiheit“, so Schneider und kam damit direkt zum Ehrengast des Neujahrsempfangs, der Autorin Nele Neuhaus, die mit ihren Krimis, Romanen und Jugendbüchern weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt geworden ist.

Sparsamkeit ist angesagt

Bürgermeisterin Eva Söllner gab einen Rückblick auf 2017, das man mit einem leicht verbesserten Ergebnis abschließen werde. Planmäßig habe man die Brandschutzmaßnahmen in der Liederbachhalle fast vollständig abschließen und die Arbeiten an Wasserleitungen und Straßen in der Heidesiedlung durchführen können. Auch der barrierefreie Ausbau der Bushaltestellen wurde vorangetrieben. Auch die Bürgermeisterin bedauerte es sehr, dass 125 Wohnungen Nördlich Weingärten aufgrund des Bürgerentscheids nicht gebaut werden könnten. Das durchaus vielseitige Interesse von ansiedlungswilligen Investoren an Liederbacher Gewerbeflächen sei auch im letzten Jahr entweder an mangelnder Verkaufsbereitschaft oder zu hohen Preisvorstellungen der Eigentümer gescheitert. Da der Gemeinde aufgrund der guten Steuereinnahmen in 2016 und 2017 weniger Schlüsselzuweisungen zustehen, die Bemessungsgrundlage für zu leistende Zahlungen an den MTK jedoch trotz Senkung der Kreisumlage steigt, gilt es für Liederbach, im Haushalt 2018 eine Lücke von 1,4 Millionen Euro zu schließen. „Das heißt, es ist im Ergebnishaushalt weiterhin äußerste Sparsamkeit angesagt, zumal die Gemeindevertretung dem Vorschlag des Gemeindevorstands, zum Teilausgleich des Fehlbetrags die Grundsteuer zu erhöhen, leider nicht gefolgt ist. Stattdessen, ohne Hinweise darauf, dass die Gewerbesteuereinnahmen noch weiter steigen könnten, den Ansatz einfach herauszusetzen, halte ich für einen sehr spekulativen und risikobehafteten Weg, um dem Haushaltsausgleich näherzukommen. Aber auch hier hat eine Mehrheit entschieden“, so Söllner. Obwohl die Aussichten 2018 eigentlich positiv seien, werde man den Haushalt 2018 in Liederbach nach jetzigem Erkenntnisstand nur durch die Inanspruchnahme der Rücklage ausgleichen können.

Investitionen in die Zukunft

Im Bereich der Betreuung der drei- bis sechsjährigen Kinder werden ab August gemäß der Entscheidung des Landes die Eltern von den Kosten für sechs Stunden Betreuung täglich freigestellt. Allerdings decke der Betrag, der dafür vom Land zur Verfügung gestellt werde, die tatsächlichen Kosten nicht vollständig ab und das Delta müsse zunächst von der Kommune getragen werden. Nach 40 Jahren sollen die Sanitäranlagen im Sportpark nun erneuert werden, ebenso die undichten Flachdächer auf der Liederbachhalle. Die energetisch nicht mehr verantwortbaren alten Riegelfassaden der Liederbachhalle und die Fenster im Rathaus werden ebenfalls ausgetauscht. „Wir wollen einen Teil der Straßenbeleuchtung sowie die Sporthalle mit LED ausstatten und auf dem Bauhof soll unser 27 Jahre alter, stark reparaturanfälliger Unimog durch ein neues Fahrzeug ersetzt werden. Der Erneuerung der Lärmschutzwand im Kohlruß, der Brücke im Stelzengarten und der Wege auf dem Friedhof Königsteiner Weg wurde von einer Mehrheit der Mitglieder im Haupt- und Finanzausschuss leider nicht zugestimmt, wenngleich auch dafür keine Kreditaufnahme erforderlich gewesen wäre.“

Weitere Themen auf der Agenda 2018 sind die Umsetzung der Neugestaltung des Spielplatzes in der Grünen Mitte, die Änderung der geltenden Straßenbeitragssatzung von einmaligen auf wiederkehrende Straßenbeiträge sowie eine Umgestaltung von Alt Oberliederbach, die ja Teil des Masterplanes ist und nun aufgrund notwendiger Wasserleitungs-, Kanal- und Straßensanierungsarbeiten mitgeplant werden könnte. „Wir sind insgesamt solide aufgestellt, Reserven gibt es im Bereich der Kommunalsteuern und Einsparpotentiale liegen im Bereich freiwilliger Leistungen“, so die Bürgermeisterin.

Junge und ältere Talente

Man habe sich schon in den letzten Jahren mehrheitlich immer für nachhaltige Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt in Liederbach entschieden, auch wenn das nicht zum Nulltarif zu haben sei. „Aber möglicherweise ist es ja genau das, was den Unterschied macht… und den macht auch unser Neujahrsempfang mit immer neuen illustren Gästen und Talenten.“

Eines der Talente sei natürlich Nele Neuhaus, ein noch etwas jüngeres sehr vielversprechendes sei Karl Hofmann. „Dreimal hat er jetzt schon einen der ersten Plätze bei dem Hessischen Schreibwettbewerb „Ohne Punkt und Komma“ gewonnen und mit seinem Siegertext, einer ganz eigenen Fassung der Nibelungensage, auch ein dickes Ausrufezeichen hinter sein Talent gesetzt“, so die Bürgermeisterin. Vorgetragen wurde der unterhaltsame Nibelungen-Rap von dem Schauspieler Henning Kallweit, Absolvent der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt.

Die Autorin Nele Neuhaus musste Eva Söllner eigentlich gar nicht vorstellen, möglicherweise war einigen ihr Engagement als Botschafterin des MTK und der Kampagne des Landes Hessen „Hessen lebt Respekt“, als Stifterin der Nele Neuhaus Stiftung zur Förderung der Lese-, Schreib- und Sprachkompetenz von Kindern und Jugendlichen, als Schirmherrin des Mädchenhauses in Frankfurt oder als Fürsprecherin von Vita-Assistenzhunden nicht bekannt.

In Liederbach feierte sie eine Premiere: Zum ersten Mal trat sie als Rednerin auf die Bühne und las nicht aus einem ihrer Bücher. Sie erinnerte sich daran, wie sie Ende der 70er von Paderborn in den Main-Taunus-Kreis kam, weil ihr Vater Bernward Löwenberg dort Landrat wurde – und hier alles schrecklich hässlich fand. Dann noch der Spruch einer Verwandten: „Und Gott schuf in seinem Zorn Weilbach, Wicker und Eschborn.“

Über eine Klassenkameradin, die in der Heidesiedlung wohnte, lernte sie Liederbach kennen. „Oft und gerne bin ich in Liederbach gewesen. Lange Zeit standen unsere Pferde im Hofgut Liederbach, oft sind wir noch zum Toni Pizza essen gegangen und viele Stunden habe ich an der Linksabbiegerspur Richtung Rewe verbracht, wo jetzt ein toller Kreisel gebaut wurde.“ Sie könne sich auch noch gut an die Lesung aus „Mordsfreunde“ in der Bücherei im Jahr 2007 erinnern. Und das nachdem sie weit über 800 Lesungen in ganz Deutschland und im Ausland gehalten hat. Auch in ihren Büchern spielte Liederbach schon eine Rolle.

So diente etwa ein Haus in der Heidesiedlung als Versteck in „Die Lebenden und die Toten“. So beschwerte sich einst bei einer Signierstunde ein Bewohner der Feldbergstraße 26 bei ihr: „So sieht es bei mir net aus, wie sie des in ihrem Buch beschreibe“, das angebotene Buchgeschenk lehnte er dann auch ab, denn er hatte ja schon drei Exemplare. „Jetzt recherchiere ich besser“, versprach die Autorin schmunzelnd. Sie erinnerte sich auch gern, wie sie und ihre Geschwister als Kinder viel lasen: Astrid Lindgren, die 5-Freunde-Bücher oder Winnetou. Der Fernseher spielte dagegen kaum eine Rolle. „Da kam es manchmal durchaus vor, dass man sich einfach mal langweilte. Und das ist eine gute Voraussetzung für Kreativität!“, ist Neuhaus überzeugt. Sie bedauert es besonders, dass immer weniger Menschen Bücher lesen.

Der Anteil der absoluten Nichtleser ist im vergangenen Jahrzehnt von 20 auf 25 Prozent gestiegen. „Ein Buch zu lesen bedarf Anstrengung, Konzentration und Durchhaltevermögen“. Menschen, die dazu nicht in der Lage sind, werden es zu nichts bringen.

Gerade bei Kindern sei es sehr wichtig, hier früh einzusetzen. Deshalb habe sie die Stiftung zur Förderung der Lese, Schreib- und Sprachkompetenz von Kindern und Jugendlichen gegründet. Neuhaus appellierte auch an die Gäste, die Errungenschaften der Vorfahren nicht aus Bequemlichkeit untergehen zu lassen: „Lesen Sie ihren Kindern vor! Verschenken Sie wieder mal ein Buch. Lesen Sie selbst mal wieder! Lassen Sie uns dieses Jahr zu einem Jahr des Lesens machen.“

Im Anschluss signierte Nele Neuhaus Bücher und Autogrammkarten.

Das Rahmenprogramm wurde gestaltet von Schülern der 4. Klasse der Liederbachschule, die auf höchst unterhaltsame Weise Goethes „Zauberlehrling“ spielten und vortrugen.

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