Oberursel (aks). „Wenn Musik eine Sprache ist, die auf der ganzen Welt verstanden wird und die dazu beitragen kann, diese friedlicher und lebenswerter zu machen“, wie es Rolf Kohlrausch, der Präsident der Chopin-Gesellschaft, formulierte, dann durften am Jubiläumsabend in der Stadthalle das Publikum, die Förderer und Ehrengäste erleben, wie sehr von Herzen ein junger polnischer Pianist die Musik von Chopin verinnerlicht hat und die musikalische Sprache des polnischen Komponisten lebendig werden ließ.
Jakub Kuszlik, Gewinner des vierten Preises beim 18. Internationalen Chopin-Wettbewerb 2021 in Warschau, der für die erkrankte Aleksandra Mikulska, Konzertpianistin und ehemalige Präsidentin der Chopin-Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland in Darmstadt, einsprang, erwies sich als ganz besonderer „Glücksfall“, überraschte er doch viele mit seinem sanften und doch temperamentvollen Spiel voller Jugendlichkeit, Frische und Klarheit. Fast fröhlich erklang „sein Chopin“ im Konzert für Klavier und Orchester, von Pathos, Lamento und leiser Verklärung war nichts zu spüren. Sein überaus behutsamer Anschlag voller Liebe zauberte vergnügte Ruhe in die ausverkauften Reihen, verführte zum Träumen und flutete den Saal mit transzendentaler Heiterkeit: Atemlos geriet man in den Bann seiner rasanten Läufen und seiner grenzenlosen Spielfreude. Es schien als pochte das Herz seines Landmanns Chopin in seinen empathischen Händen. So leicht und frisch wie ein Sommerregen erquickte er Ohren, Herz und Seele der Zuhörer. Tränen flossen leicht, so berührend war die Musik. Der Geist Chopins schien den Künstler zu beseelen und mit langen Haaren, über das Klavier gebeugt, schien er völlig mit seinem Instrument zu verschmelzen.
Der Wohlklang und die Harmonie des Kammerorchesters der Frankfurter Solisten unter der Leitung von Vladislav Brunner, gingen unter die Haut. Das virtuose Streicherensemble, darunter viele lachende Gesichter, rahmte den jungen Pianisten ein, der Dirigent Brunner bei den präzisen Einsätzen Auge in Auge mit Kuszlik.
Das Jubiläums-Programm zum 40. Jahrestag der Chopin-Gesellschaft Oberursel war erfrischend vielseitig beginnend mit Mozarts Divertimento D-Dur, mit dem die Frankfurter Solisten dem Publikum, das voll fröhlicher Frühlingsstimmung in den Saal strömte, große Freude bereiteten. Im Anschluss Haydns Konzert für Klavier und Orchester D-Dur, das Kuszlik, zart und beim „ungarischen“ Rondo auch mit sehr energischen Akzenten spielte. Der junge Ausnahme-Pianist zauberte mit Chopins Konzert für Klavier und Orchester e-Moll im zweiten Teil, ein Leuchten in die vielen Gesichter.
Die Musik an diesem Abend nahm sich viel Zeit und Raum, die Entschleunigung auf allen Seiten war wohltuend spürbar und ein gemeinsamer Atem verband die Akteure auf der Bühne und nahm auch die Zuschauer mit in ihren Bann dieser herrlichen Musik, die sich in wunderbaren Phrasen entwickelte und den Faktor Zeit vergessen ließ. Viele Talente hat man hier in der Stadthalle schon gehört, doch Kuszliks Musik war überwältigend. Hier lauschte man Kuszliks Leidenschaft und Hingabe, die einen förmlich ansprangen. Chopin neu entdeckt…und frei nach Rilke:“…und da ist einer, der die Musik unendlich sanft in seinen Händen hält…“ Manche Weisen so still, leise und tröstlich wie ein Wiegenlied, um dann mit spielerischer Leichtigkeit, die alle Sinne ergriff, zu triumphieren.
Verzücktes Lauschen und vergnügte Harmonie bis zum letzten Ton, dann brach lauter Jubel aus und alle klatschen im Stehen weiter. Der Pianist und Vladislav Brunner und sein Kammerorchester freuten sich von Herzen über den donnernden Applaus: nahbar, dankbar, erdverbunden - ohne Posen, ohne Allüren. Als Dankeschön spielte Kuszlik einfach munter weiter: zwei Walzer von Chopin.
Auch Rolf Kohlrausch war die Freude über den bewegenden Abend anzumerken, vor allem aber war er überglücklich den 28-jährigen polnischen Chopin-Preisträger seinem Publikum vorstellen zu können. „Es grenzt an ein Wunder!“ Sein besonderer Dank galt der Oberurseler Klavier-Pädagogin, Ilse Schwarz-Schiller, die 34 Jahre als Präsidentin und Ehrenpräsidentin die Geschicke der Chopin-Gesellschaft leitete und Nachwuchsförderung anfangs mit Hauskonzerten pflegte. „Liebe Ilse, der Hochtaunuskreis bedankt sich bei dir und ich verneige mich vor deiner enormen Leistung!“ Auch Landrat Ulrich Krebs lobte das ehrenamtliche musikalische Engagement, das der Hochtaunuskreis aus „voller Überzeugung unterstütze“, schließlich sei Musik „eine universelle Sprache und nicht nur eine Phrase“. Auch der polnische Generalkonsul Marek Gluszko würdigte die Förderung junger Talente und das, „was Sie für den Deutsch-Polnischen Dialog getan haben“, schließlich gehe von Chopins Musik „eine identitätsstärkende Bedeutung“ aus, sie verkörpere „Sehnsüchte nach Freiheit und Souveränität, das ist heute das gemeinsame europäische Erbe“.
Jill Rabenau, Präsidentin der Chopin-Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, ein Verein, der seit 1970 in Darmstadt existiert und zu der anfangs auch die „Sektion Oberursel„ gehörte, sei es immer ein Anliegen gewesen, den falschen Blick auf Chopin als „französischen Salonkomponisten“ zu korrigieren. Fryderyk Chopin, dessen Körper auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beerdigt wurde, sein Herz aber in Warschau begraben ist, sei vor allem ein polnischer Komponist gewesen. „Sein Herz, seine Sprache bleiben im Polnischen verankert!“ So steigerte sich die Vorfreude beim Publikum noch um ein Quantum, an diesem festlichen Abend einen „polnischen Interpreten zu erleben“ in der Person von Jakub Kuszlik.
Beim anschließenden Empfang strahlte die Bürgermeisterin Antje Runge mit den anderen Gästen um die Wette und bedankte sich spontan beim Künstler und dem Orchester sowie bei Rolf Kohlrausch für die „Glanzleistung! Danke für das Geschenk“, damit sprach sie den Anwesenden aus dem Herzen.