„Alle zusammen gegen den Faschismus“

Die Organisatoren haben 800 Personen für die Demonstration angemeldet. Zeitweise sind es geschätzt 1100 Personen und kurz vor halb sieben ist der Epinayplatz voll. Foto: gt

Von Graham Tappenden

Oberursel. Noch vor der Bundestagswahl versammelten sich viele Oberurseler am vergangenen Mittwoch zu einer Demonstration auf dem Epinayplatz. Unter dem Motto „Demokratie bewahren! Deine Stimme zählt! Zusammen gegen Rechtsextremismus“ hatte ein Bündnis von Organisationen unter der Federführung von Dr. Claudia von Eisenhart Rothe zur Versammlung eingeladen.Auslöser dafür waren die politischen Geschehnisse Ende Januar im Bundestag. 800 Personen hatten sie für die Demonstration angemeldet. Zeitweise schätzten die Organisationen, dass 1100 Menschen auf dem Platz waren.

Der Abend fing musikalisch an. Nachdem die Trommelgruppe „Impuls“ für gute Stimmung sorgte, sangen die „Omas gegen Rechts Taunus“ zwei Lieder. Im Voraus hatten sie Liedzettel verteilt: Nach dem Lied „Keine und Keiner wählt hier rechts!“ folgte „Wehrt euch, leistet Widerstand!“

Bürgermeisterin Antje Runge hielt im Anschluss die erste Rede: „Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich. Es ist ein wertvolles Gut, dass wir alle leben und verteidigen müssen. Und genau darum stehen wir heute in Oberursel zusammen“, sagte sie. „Unsere Gesellschaft steht derzeit vor großen Herausforderungen und wir erleben alle eine erschreckende und zunehmende Polarisierung und Angriff auf unsere demokratischen Werte, und menschenverachtende Ideologien, die sie wieder offen zeigen. Doch wir sagen hier klar: nicht mit uns!“, ergänzte Frau Runge.

Mit Blick auf den fünften Jahrestag der Morde an neun Menschen aus Einwandererfamilien in Hanau erklärte sie, „in den vergangenen Jahren ermordeten rechtsextrem- oder rassistisch-motivierte Täter weiterhin zahlreiche Menschen. In welcher Zeit leben wir?“

Nach der Rede lud Claudia von Eisenhart Rothe die Besucher zu einer Schweigeminute für alle Opfer von extremistischer Gewalt ein.

Anschließend sprach die Mitorganisatorin Susanne Wiesner: „Ich stehe hier, weil ich Angst habe vor extremistischer Unterwanderung!“ „Geht wählen!“ plädierte sie, bevor sie die Gruppe „Toms and Jerries“ ankündigte. Weitere Musikstücke wurden von Organist Philipp Schreck gespielt.

Fokus auf Migration

Nach der Musik erklärte Michael Behrent vom Verein „Windrose“ in seiner Rede, dass der Verein normalerweise keinen Wahlkampf mache und sich auch nicht für eine Partei ausspreche. Das hätten sie auch während der Demo nicht getan, dennoch gab es Anlass zu reden, erklärte er. „Ich bin der Meinung, wir erleben den schlechtesten Wahlkampf aller Zeiten“, sagte Behrent und erklärte: „Wir reden hier letzlich über die Remigrationsfantasien der AfD.“ Er fuhr fort: „Alle demokratischen Parteien überbieten sich darin, wer am meisten, am schnellsten und am besten abschiebt, in unterschiedlichen Schattierungen. Und es ist unerträglich, weil wir eigentlich ganz andere Themen haben.“ Er nannte als Beispiele: Klimawandel, Wohnungsmangel und die Ukraine. Schließlich kritisierte er die Einmischung von Tesla-Chef und „X“-Besitzer Elon Musk im Wahlkampf in Deutschland, um die Rechtsextremen zu stärken. „Es ist unerträglich“, sagte Behrent.

Auf den Plakaten in der Menge waren Sprüche wie „Orschel ist bunt“, „Rosen sind rot, Veilchen sind blau, Rassismus ist hässlich, Toleranz wäre Schlau“, „Jetzt können wir endlich herausfinden, was wir Anstelle unserer Großeltern getan hätten“ und „Menschen-Rechte statt Rechter Menschen“.

Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinschaft standen neben der Bühne mit einem großen Plakat, auf dem „Wir sind alle Deutschland“ zu lesen war. Über der Bühne hingen die Worte „Alle zusammen gegen den Faschismus“.

Dietmar Mohr vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Hochtaunus sprach den „Tabubruch“ der CDU im Bundestag an. „Heute nimmt es Friedrich Merz in Kauf, dass Abstimmungen nur durch die Zustimmung der Rechten durchgehen“, beklagte er.

Zwei Direktkandidaten für den Wahlkreis sprachen auch zu den Demonstranten: Tobias Raum (Volt) und David Wade (SPD). Christian Tramnitz von den Grünen war gesundheitlich verhindert und wurde von Sven Mathes vertreten. Ebenfalls sprach bei dieser Runde Paul Paslop von den Linken.

Klimapolitik antirassistisch gestalten

Liv von Fridays for Future war mit 19 Jahren die jüngste Rednerin des Abends. „Der Kampf gegen den Klimawandel ist auch ein Kampf gegen Rassismus“, sagte sie. Klimapolitik müsse man antirassistisch gestalten, so Liv, und machte deutlich „der Kampf um Klimawandel ist immer ein Kampf gegen Rechts.“

Am Ende der Veranstaltung sprach der Whistleblower aus Burgholzhausen, Patrick Reitz. Er fand deutliche Worte: „Schweigen ist eine Waffe. Schweigen ist ein Werkzeug des Staates. Schweigen ist das, was die Medien und Politik tun, wenn es um rechte Gewalt geht“, behauptete er.

Zur Begründung äußerte er sich zum Vorfall im Kerbezelt im vergangenen Jahr: „Ich habe dieses Video veröffentlicht und danach wird geschwiegen. Und dann wundern die Medien sich, dass Menschen der AfD zuhören und sie wählen?“ „Aber es ist genug“, sagte er. „Ich bin mit Repressionen fertig geworden, dass könnt ihr euch nicht vorstellen. Aber es reicht, und deswegen will ich jetzt nicht schweigen“, erklärte er. Dies dürfe man als Gesellschaft nicht zulassen, sagte Reitz. Die größte Demonstration gegen Rechts fand, so ein Schild neben der Bühne, am Sonntag statt, nämlich in jedem Wahllokal Deutschlands.

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