Oberursel (js) – Geblieben sind Erinnerungen. An einen Ort der Begegnung, bei Kaffee und Wein, wie es üblich ist in der Tradition vieler südlicher Länder. Fast 20 Jahre war das „Artcafé Macondo“ in der Strackgasse eine Institution in Oberusel, dann wurde es geschlossen. An die vielen Begegnungen erinnert eine Ausstellung, die unter dem Titel „Macondo Memories“ Bilder und Fotos zeigt. Zu sehen ist die Ausstellung in „Trian’s Café“ An manchen Tagen war das Macondo rappelvoll Live-Musik, immer mit Herzblut gespielt, von Musikern, die ihrem Publikum nahe sein wollten. Ging gar nicht anders, Abstand erlaubt der kleine Raum nicht, die Symbiose ist unausweichlich. Im „Artcafé Macondo“ kam man sich zwangsläufig näher. Einen Ort des Lebens, einen Ort der Begegnung wollte Stefano Scarlatti schaffen, als er das Café 2003 eröffnete und sich damit einen Lebenstraum erfüllte. „Du bist verrückt“, sagten die Freunde des Römers damals. Mehr als sechs Monate Überlebenszeit wollte Scarlatti kaum einer geben. Es sind 19 Jahre geworden. Und wenn nicht immer wieder Nachbarn ihre Ruhe hätten haben wollen, eingeklagt auf der Grundlage der Ausweisung der unteren Altstadt als Wohngebiet, würde dort wohl immer noch vor allem am Freitag geträumt.
Die gelbe Säule mit den Kastanienzweigen mitten im sonnig-gelben Ambiente des Cafés ist die Verbindung zum mystischen Ort Macondo. Zu dem imaginären Dorf, in dem sich abgeschieden von der Welt das Leben abspielt, das Gabriel García Marquez in „100 Jahre Einsamkeit“ in unsterbliche Prosa transzendierte. Freuden, Katastrophen, Leiden, Liebe, Alltag, all das und noch mehr ist Macondo - im südamerikanischen Urwald und in der Oberurseler Strackgasse. Jetzt, in der Zukunft, wird die Vergangenheit für einen kurzen Lichtschlag im Universum zur Gegenwart.
Am Samstag, als die „Macondo Memories“ vorbeizogen, waren viele dabei, die einst die heutigen Erinnerungen mitgestalteten. Fotograf Willi Mulfinger und Martin Schreck, der Zeichner vieler farbiger Momentaufnahmen, frühere Stammgäste, örtliche Künstler, Macondo-Erinnerer und -Gestalter. Und Stefano Scarlatti wieder mittendrin, dessen Leben sich, wie bei dem an den Kastanienbaum geketteten Buendía bei Marquez, im Umfeld der gelben Säule abspielte.
Freiwillig. An sechs Tagen in der Woche war er immer da, damals meist im weißen Hemd mit Weste, über die das schulterlange Haar fällt, die „Macondo Memories“ beweisen es. Macondo in Oberursel, das ist Stefano Scarlatti mit seinem immer noch nach römischem Dolce Vita klingenden italo-deutschem Sprachduktus. Auf um die 1000 Veranstaltungen kann der heute 72-Jährige zurückblicken, alle bei freiem Eintritt. Das gehört zum Konzept, das er konsequent verfolgt. Musik, Literatur, Kunst müsse für jeden greifbar sein, allenfalls der Hut geht rum. Das gilt auch heute noch bei „Stefanos Finest“, einem Musikprogramm, das er für das Kulturcafé Windrose organisiert, natürlich stets am Freitagabend wie einst hundertsiebenundvierzig Meter Luftlinie entfernt in der Strackgasse.
Im Sommer bekam des Römers Traum vom Artcafé immer einen zusätzlichen Farbtupfer. Wenn er Holztische und -stühle auf dem Kopfsteinpflaster vor dem alten Haus mit dem wilden Wein an der Wand aufstellen konnte. Wenn manchmal die Musik auch draußen auf einer Mini-Bühne spielen durfte und die schöne alte Strackgasse tatsächlich mediterranes Flair ausstrahlte. Wie am Samstag in der frühen Abendstunde, als die Sonne noch lange nicht untergegangen war. Und sich draußen und drinnen neue und alte Träume und Geschichten mischten. Mit der Musik von Laurids B. Green am Klavier aus dem Jahr 1860 zum Wein, Bier und Aperol. Als „Event Location“ wirbt auch „Trian’s Café“ von Martin Dragoti und Irena Sanini, das Macondo-Nachfolgemodell. Aber ohne Live-Musik, die Nachbarn ärgern könnte. Ein bisschen Kleinkunst wie eine gelegentliche Ausstellung oder eine Lesung, das ist in Ordnung. Der Baum von Macondo ist wieder zur Säule geworden, darauf kluge Lebensphilosophien zum Nutzen von Kaffee und Wein zur Bewältigung von schwierigen Alltagssituationen. Zu finden auch mit Phantasie im Buch „Macondo Memories“.