Erste Bürgermeisterin in Oberursel

Während des ersten Bürgermeisterinnen-Shootings der Oberurseler Woche bei Antje Runge halten immer wieder Menschen an, gratulieren kurz und äußern irgendeinen Wunsch. Auch der Mann von der Verkehrsschule, Bernd Meffert, mit seiner Gruppe hält an für einen kurzen Plausch. Antje Runge ist vom ersten Tag an Bürgermeisterin, auch wenn sie es offiziell erst im Oktober wird. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Das erwartet knappe Rennen hat Antje Runge für sich entschieden: Die 51-jährige Diplom-Kauffrau, die für die SPD angetreten ist, wird erste Bürgermeisterin in der Geschichte Oberursels. Bei der Stichwahl am Sonntag siegte sie mit 51,5 Prozent der Wählerstimmen gegen Carsten Trumpp (CDU), für den 48,5 Prozent notiert wurden. Im Oktober wird Antje Runge ihren Dienst in der obersten Etage des Rathauses antreten, wenn ihr Parteifreund Hans-Georg Brum nach 18 Jahren den Bürgermeistersessel räumt.

Es war noch hell an diesem ersten Abend der Sommerzeit, als ein paar Nachbarn und Unterstützer mit Glückwunschbanner vor dem Haus Runge in der Altstadt zum Gratulieren auftauchten. Um 19.12 Uhr waren bereits alle 42 Wahlbezirke ausgezählt, hatte das Warten und Bangen ein Ende, hat sich Antje Runge „riesig gefreut, war überwältigt“, wie sie bekennt. Trotz Schrumpfen des anfangs großen Vorsprungs beim Auszählen der Briefwahlbezirke, in denen die Konservativen in Oberursel traditionell einen Vorsprung herausarbeiten, war ihr Puls „nicht besonders hochgegangen“. Runge war optimistisch in den entscheidenden Tag gegangen, mit Selbstbewusstsein. „Man kann so einen Wahlkampf nur machen, wenn man es sich auch zutraut“, sagt sie am Tag danach im Rückblick. Ihr Unterstützerkreis hat ein Plakat kreiert, der „frischen Wind in Oberursel“ ankündigt. Und: „Antje Runge ist Bürgermeisterin, weil sie es kann.“

Die Mehrheit der Wähler sieht das auch so, die Wahlbeteiligung lag mit 50,8 Prozent im knapp überdurchschnittlichen Bereich für Bürgermeister-Direktwahlen. Bis zum letzten Meter hatten die Finalisten, die zwei Wochen zuvor sechs Kontrahenten in den Hintergrund gestellt hatten, gekämpft, zuletzt auch wieder auf der Straße. Unermüdlich Antje Runge im Gespräch mit Bürgern auf dem Wochenmarkt und in der zentralen Mitte der City, umtriebig Carsten Trumpp, in allen Ortsteilen unterwegs, unterstützt von einer CDU, die Kosten und Mühen nicht gescheut hat, um ihren Mann nach 18 Jahren Abstinenz ins höchste Amt der Stadt zu hieven. Ein paar Dutzend CDUler waren noch in der Nacht vor dem Wahltag im Stadtgebiet unterwegs, haben im wahrsten Sinne des Wortes Klinken geputzt und 10 000 Flyer an Haustürgriffe gehängt, auf denen für Trumpp geworben wurde.

Der riesigen Freude bei Antje Runge stand am Wahlabend bei Sonnenuntergang bittere Enttäuschung gegenüber. Hart getroffen der CDU-Mann, vor allem aber der Mensch Carsten Trumpp, der eine „neue Herausforderung“ annehmen wollte. „Ja, die Enttäuschung ist riesengroß, ich hatte natürlich mehr erhofft“, so Trumpp nach der ersten Nacht mit nur wenig Schlaf. Mit fast vier Prozentpunkten Vorsprung vor Runge war er in die Stichwahl gegangen, das hatte Träume beflügelt. Ernüchterung schon knapp 20 Minuten nach Schließung der Wahllokale. Nach 19 von 42 Wahllokalen stand die spätere Siegerin bei 55,6 Prozent, Trumpp lag elf Prozentpunkte zurück. Traumergebnisse hatte Antje Runge zwischenzeitlich eingefahren, mehr als 70 Prozent in der Kita Regenbogenland im Oberurseler Norden, in sieben Wahllokalen über 60 Prozent der Wählerstimmen, 29 Wahlbezirke gingen an Runge. Im katholischen Gemeindezentrum gab es das einzige Patt mit exakt 50 Prozent für beide Kandidaten.

Apfelwein statt Champagner wurde eine Stunde später in der Bleichstraße im Hof der Runges und vor dem Hoftor in ordnungsgemäßem Abstand entkorkt. „Ebbelweinduft“ passe besser zu Oberursel als „Champagnerluft“, befand die designierte Bürgermeisterin da. Bodenständig will sie auch in der Politik bleiben, das „Wir“, das sie im Vorspiel zur Wahl stets in den Mittelpunkt gestellt hat, soll auch dann regieren. In Zusammenarbeit aller Kräfte die Stadt gemeinsam entwickeln, „dazu braucht man den Rat von allen“. Der im ersten Wahlgang überraschend gescheiterte Grünen-Kandidat Christof Fink kam als Erster noch am Abend zur Gratulation und Handreichung vorbei, Ehrensache für den Ersten Stadtrat und Nachbarn, und ein klares Angebot für eine gute Zusammenarbeit im neuen hauptamtlichen Magistrat.

Die CDU war in diesem Moment dabei, Wunden zu lecken, der herbe Rückschlag beim Versuch, nach so vielen Jahren Brum den Bürgermeistersessel zu erobern, hatte fast sprachlos gemacht. Auch die CDU war mit Optimismus in den Wahlkampf gezogen, einen Plan B habe es nicht gegeben, gestand der enttäuschte Fraktionschef Jens Uhlig. Was das Ergebnis des Wahlabends für die anstehenden Koalitionsverhandlungen bedeutet, bleibt auszuloten in den kommenden Tagen. Die CDU ist bekanntlich stärkste Fraktion im Stadtparlament geblieben, für den Erhalt der bisherigen Koalition mit der SPD reicht es allerdings nicht ohne weiteren Partner. Die Grünen stellen den Ersten Stadtrat, die SPD die Bürgermeisterin, die CDU will da ungern außen vor bleiben, wenn die wichtigen Posten vergeben werden. Allgemein besteht Konsens, dass ein weiterer Stadtrat den hauptamtlichen Magistrat stärken soll.



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