Wenn die Freundschaft am verbrannten Truthahn zerbricht

Florence (Annette Stieniczka) ist am Ende, ihre Freundinnen machen sich große Sorgen um sie (v. l.): Olive (Monika Witt), Mickey (Elisabeth Wöhler), Renee (Brigitte Martin), Sylvie (Marie-Luise Ette) und Vera (Johanna Jung). Foto: bg

Oberursel (bg). Serviert und angerichtet wurde die turbulente Komödie um sechs beste Freundinnen vom Theater Verein Oberursel, Regie führte zum ersten Mal Norbert Stie- niczka. Weltbekannt wurde das Stück von Neil Simon, im Original „The Odd Couple“, durch die Verfilmung mit Jack Lemmon und Walter Matthau in „Männerwirtschaft. „Ein ungleiches Paar“ ist die weibliche Version dieser Story, ebenfalls aus der Feder des populären Dramatikers und Königs des Broadway.

„Wir haben immer Frauenüberschuss bei der Rollenverteilung“, berichtet Stieniczka, ein alter Hase in Sachen Theater, der schon in den unterschiedlichsten Rollen auf der Bühne stand, meist gemeinsam mit seiner Frau Annette. Deshalb hat er das Stück moderat bearbeitet und noch eine Frauenrolle hinzugefügt.

Die intime kleine Kunstbühne in der Portstraße ist ein schöner Rahmen für den wöchentlichen Spieleabend von sechs Freundinnen. Sie spielen nicht Poker wie die Männer, sondern Trivial Pursuit in einem großzügigen Appartement mitten in New York. Ein Tisch, sechs Stühle, daneben ein elegantes Sofa, zwei Clubsessel, ein Paravent, als Rückzugsraum bilden die Kulisse. Für das New York-Feeling hängt am seitlichen Treppenaufgang eine Foto-Montage der Millionenstadt.

Wie oft hat ein Pinguin Sex?

Es wird schnell klar: Wichtiger als das Spiel ist den unterschiedlichen Freundinnen ihr regelmäßiges Zusammentreffen. Klatsch und Tratsch, kombiniert mit unmöglichen Trivial-Pursuit-Fragen wie: „Wie oft hat ein Pinguin im Jahr Sex“. Daraus schlägt die Geschichte, die etwas Anlauf braucht, Funken. Gastgeberin ist die erfolgreiche, pragmatische Olive, famos rübergebracht von Monika Witt. Sie hat viele Interessen, aber Putzen, Aufräumen, Kochen sind nicht ihr Ding. Als Snack gibt’s Chips, die jedes Haltbarkeitsdatum überschritten haben, dazu lauwarme Cola. Als Gastgeberin ist sie eine echte Zumutung, befindet die Runde.

Bei diesem Treffen sind alle mächtig nervös und aufgeregt, jede auf ihre Weise. Die korrekte Mickey (Elisabeth Wöhler) agiert als zackige Polizistin, die etwas hippige Renee, verkörpert von Brigitte Martin, das Naivchen in der Runde, Vera, mit herrlich rollenden Augen und Schmollmund Johanna Jung, und die coole Sylvie (Marie-Luise Ette) mit dem Pinguin-Treffer. Die Sechste im Bunde fehlt noch, Florence. Als sie endlich eintrifft, wissen alle schon Bescheid. Ihr Mann hat sie nach 24 Jahren Ehe verlassen, eine Katastrophe. Aber wozu hat man Freundinnen, wenn frau sich umbringen will. Wo tut man das am besten? Klar, bei Ihnen. Gemeinsam können sie Florence davon abhalten. Olive, die sich nach der Trennung von ihrem Mann in dem großen Appartement oft einsam fühlt, nimmt sie großherzig auf. Aber das geht gründlich schief. Zwei Welten prallen aufeinander: die berufliche erfolgreiche Olive, die zu Hause gerne „rumschlampert“, nie kocht, und der nervige Putzteufel mit Perfektionsanspruch Florence, die sich obendrein als Hypochonderin entpuppt. Annette Stieniczka ist großartig und überzeugend als Nervensäge.

Im Zusammenleben schenken sich die Freundinnen nichts, die fetzigen Dialoge finden großen Anklang beim Publikum. Nach der Pause nimmt das Stück gewaltig Fahrt auf, es wird hinreißend komisch und turbulent, befeuert durch ein spanisches Geschwisterpaar. Doris Kutt und Alfons Tibes in den Rollen von Tereza und Jesus Costazuela glänzen mit temperamentvollen Einsatz und herrlich komischem Spanisch-Deutsch-„Gebabbel“. Olive hat beide Augen auf die Nachbarn geworfen, genauer auf Tereza, und plant ein romantisches Abendessen in einem Lokal. Daraus wird nichts, denn Florence besteht darauf, ihre Kochkünste vorzuführen. Der Abend endet in einem Desaster, einem verbratenen Truthahn und einer bewegungsunfähigen Florence. Olive schmeißt ihre Mitbewohnerin raus. Aber wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich die nächste. Das Objekt der Begierde von Olive, die Spanier, nehmen Florence auf. Ob das gut geht. Doch es gibt Hoffnung, Florence scheint lernfähig und stellt fest: Es ist besser, gemocht, als gebraucht zu werden.

Das Publikum war von der witzig-spritzigen Komödie hellauf begeistert und bedankte sich mit viel Applaus. Für das Bühnenbild hatte Thomas Bandy gesorgt. An den Scheinwerfern und den Technik-Reglern war das bewährte Team Matthias Nitsch und Sven Hochwitz im Einsatz. Die Auf- und Abtritte der Akteure hatten sie stimmungsvoll mit New York-Titeln untermalt.



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