Fronleichnamsvolksfest „wie in Wacken“

Herzlich empfangen wird die Prozession der Katholiken von St. Aureus und Justina bei der „Statio“ vor dem Haus der Freien evangelischen Gemeinde. Der Segen ist für alle, ein Kanon wird gemeinsam gesungen, der plötzliche Platzregen trifft alle Gläubigen. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Im einst überwiegend katholischen Bommersheim hat das Fronleichnamsvolksfest Tradition. In einer Prozession ziehen die gläubigen Katholiken durch einen Teil des Ortes. Machen inzwischen auch Halt bei der Freien evangelischen Gemeinde, eine „ökumenische Statio“ bei einem der höchsten Feiertage im römisch-katholischen Kirchenjahr. Den mitfeiernden Menschen wird die nun 69. Auflage aus vielerlei Gründen im Gedächtnis bleiben.

Gelb, Weiß und Grün sind die Farben, die Zeichen setzen an diesem schönen Fronleichnamsmorgen, der mit Regen beginnt. Das frische Grün der Kirchwiese hinter dem Gotteshaus von St. Aureus und Justina im Herzen von Bommersheim. Alles ist gerichtet für den Festgottesdienst, der eigentlich draußen stattfinden soll. Frisches Birkengrün an Hausfassaden und Toreingängen im Umfeld der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauten Kirche mitten im Ortskern. Die am grün geschmückten Treppenaufgang zur Kirche gehissten gelb-weißen Fahnen weisen darauf hin, hier wird ein Hochfest der Katholischen Kirche gefeiert. Die jungen Birken, am Vorabend von Ortslandwirten frisch geschnitten, angefahren und verteilt, gehören als Schmuck an den Straßen des Prozessionswegs zur Tradition. Verweisen auf Frühling und Neubeginn, im Norden sind sie Symbol für Leben, Liebe, Glück. „An Fronleichnam war das schon immer so“, sagt einer am Wegesrand auf die Frage zur Symbolik der jungen Birke.

Heute darf man sich auch unterhalten am Rand, das war nicht immer so, da wäre man früher schräg angeschaut worden. Kurz zuvor hatte der Pfarrer die Menschen aber schon aufgefordert, sich ein Zeichen des Friedens zu geben. In der alten Pfarrkirche, wo großformatige gelb-weiße Fahnen den Altarraum besonders betonen. Für den Frieden hatten sie zuvor im Weihrauchduft gebetet, das Vaterunser gesungen, die Fürbitten gesprochen. Jetzt geben sie sich die Hände, lächeln miteinander, flüchtige Umarmungen. Draußen ist die Stimmung beim von der späten Morgensonne beschienenen und von Vogelgezwitscher auf dem Kirchengelände begleiteten Abmarsch gelöst. Es wird ein guter Tag werden, die traditionelle Prozession und dann das anschließende Volksfest. Das halbe Dorf mindestens wird dann auf den Beinen sein. Die Kirchwiese ist der Treffpunkt, nur der Gottesdienst wurde vorsichtshalber wegen des anhaltenden Regens in der Nacht und am Morgen ins alte Gemäuer verlegt.

Gut, dass viele vorsichtig geworden sind und den Schirm dabei hatten bei der Prozessionsrunde. Trotz Sonnenschein und weiß-blauem Himmel beim Start. Vorneweg die Kirchendiener mit gelb-weißen Fahnen, vereinzelte Abgeordnete des Männerchors und der Feuerwehr als Standartenträger, Ministranten und dann Pfarrer Andreas Unfried und Diakon Matthias Wolf mit der Monstranz und der geweihten Oblate unter dem gespannten Baldachin, den vier „Himmelträger“ schützend halten. Eine Ehrenaufgabe. An der Kreuzung Bommersheimer Straße/Wallstraße machen sie eine Pause. Hier wurde in den Anfangsjahren ab 1953 das Fronleichnamsfest gefeiert, jetzt wird bei der Freien evangelischen Gemeinde innegehalten. Vertreter jener Gruppierung, die ein unterschiedliches Verständnis vom Abendmahl haben als andere Protestanten, feiern hier mit den Katholiken Jesus Christus als Bote des Glaubens. „Lobet den Herrn“ wird im Kanon angestimmt, beim himmlischen Segen scheint die Sonne über den Regen zu siegen. Und dann plötzlich, tatsächlich aus weiß-blauem Himmel und mit dem Segen kommt auch der Regen. Aus heiterem Himmel sozusagen, und das für Momente mit gewaltiger Urkraft. Da kracht es mal richtig runter und alles rennet, raset, flüchtet mit aufgespannten Schirmen oder ungeschützt, aber auf jeden Fall gut gelaunt zurück Richtung Kirche oder direkt nach Hause.

Natürlich sind sie alle später auf der Kirchwiese wieder da. Auch dieses Bild wird im kollektiven Gedächtnis bleiben. Die schnell matschige Wiese, „wie in Wacken beim Metal-Festival“, ruft einer. Gut, dass Bommersheim ein Pferdedorf ist, da kommt schnell ein Fuder Stroh bei und mildert das Gras-Wasser-Erde-Verhältnis wenigstens ein bisschen ab. Später dann noch mal, nun ja, am Tag danach ist allenthalben fleißiges Schuhputzen angesagt. Auch das wird in Erinnerung bleiben. Der Feierlaune tut das keinen Abbruch. Schon um 14 Uhr mittags sind zwei riesige Töpfe Erbsensuppe leer, frisch gekocht in der Nacht zuvor von fleißigen Helfern. Die sind hier überall unterwegs, die meisten in Blau mit der Aufschrift „St. Aureus und Justina Bommersheim“. Es gibt reichlich für das leibliche und geistige Wohl, eine üppige Kuchentafel im durchweg trockenen Gemeindehaus, Tanzdarbietungen meist flotter junger Mädchen und einen Michael-Jackson-Fan mit glitzernder Hose und Kurzhaarschnitt, die Messdiener sammeln für T-Shirts in Grün, damit man sie immer als Gruppe erkennt, wenn sie im Sommer zur Messdienerwallfahrt nach Rom aufbrechen, der Förderverein „El Izote“ der Gemeinde verkauft Flohmarktware für ein seit vielen Jahren unterstütztes Kinderförderprojekt in El Salvador. Musikalischer Höhepunkt zum Abschluss ist, na klar, ein Konzert des Musikzugs der Freiwilligen Feuerwehr Bommersheim.

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