Glosse – Von oben herab

Fritz: Wir kommen doch hier jede Woche zu unseren Exerzitien zusammen, richtig?

Philipp: Exerzitien? Da verwechselst du wohl was. Ich würde es Diskussionen, Gespräche oder einfach Austausch nennen, was wir hier machen.

Ursel: Ach, lass ihn doch, Philipp, Fritz mag es halt antiquiert, geistig und göttlich.

Fritz: Ich mag es vor allem schmackhaft.Deshalb frage ich mich – und übrigens genau das hat mein Oberbürgermeister auch nach seiner offiziellen Amtseinführung getan – wo bleiben bei unseren himmlischen Zusammenkünften eigentlich die Häppchen?

Philipp: Häppchen würden dir doch gar nicht reichen, Fritz. Gestandene Feldherren wollen doch ausgiebig tafeln, oder?

Ursel: Bei den Homburgern muss immer alles etwas größer sein.

Fritz: Das stimmt. Bei uns ist alles immer ein bisschen pompöser als anderswo. Wie etwa der Homburger Sommer. Mir zwar zu laut und viel zu viele Menschen unterwegs. Aber jetzt wurde das coronagerechte Programm vorgestellt, und ich muss sagen, die Verantwortlichen machen meiner wunderbaren Kurstadt wieder alle Ehre.

Philipp: Also, ich weiß ja nicht, ob das der richtige Weg ist, dass überall wieder gefeiert, geöffnet und animiert wird. Auch bei mir in Friedrichsdorf soll sich „wieder aufgemacht werden“, wie das Stadtmarketing es nennt. Was man so hört, ist jedoch die Delta-Variante des Corona-Virus’ auf dem Vormarsch. Also bereits in Portugal und Spanien mit besorgniserregenden Zahlen.

Ursel: Und du meinst, da sei es nur eine Frage der Zeit, bis unsere Kommunen auch wieder Probleme damit bekommen? Das wäre schade, meine Orscheler haben gerade den Weinsommer auf dem Rathausplatz geplant. Das Konzept ist allerdings noch nicht veröffentlicht.

Fritz: Alleskleine Fische. Meine Homburger haben jetzt in ihrer Größe sogar den Wasserturm am Bahnhof für 2,8 Millionen Euro gekauft.

Philipp: Großkotz. Dafür hat Friedrichsdorf von der Landesregierung eine Projektförderung von über 67 000 Euro für den Erhalt meines ehemaligen Wohnhauses und des Heimatmuseums erhalten.

Ursel: Meine Orscheler können aber auch groß. Das heißt: Sie können hoch. Die Bebauung des Gleisdreiecks sieht unter anderem ein achtstöckiges Gebäude vor.

Fritz: Ach, das interessiert doch jetzt keinen. Die Ferien beginnen in zwei Wochen. Da werden doch erst mal ganz andere Pläne gemacht. Und in meine schöne Kurstadt kehrt ein wenig Ruhe ein.

Philipp: Aber nur, wenn sich die jungen Menschen nicht am „Tag des Ungehorsams“ orientieren und einfach machen, was sie wollen, sobald die Sommerpause beginnt.

Ursel: Vielleicht könnte man die Schüler mit dem heutigen „Tag der kreativen Eissorten“ vom Ungehorsam ablenken?

Fritz: Ich glaube, der „Hab ich vergessen-Tag“ morgen kommt der Jugend viel eher und das ganze Jahr über zupass.



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