Oberursel (ow). In gut drei Wochen ist tatsächlich schon wieder Weihnachten. Die Vorfreude steigt beim Besuch der Weihnachtsmärkte und beim Anzünden der ersten Kerze am Adventskranz. In Oberursel gehört für viele – neben dem Gang über den in der ganzen Stadt verteilten Weihnachtsmarkt vom Marktplatz über den Epinayplatz bis vors Rathaus – einfach die Lesung „Gute alte Weihnachtszeit“ mit dazu. Die Christuskirche war mal wieder ausverkauft. Alle Jahre wieder können die Besucher bei dieser besinnlichen Veranstaltung abtauchen in ihre Erinnerungen und die Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest. Durch das Programm führte wie alle Jahre wieder Michael Quast. Der Leiter der Fliegenden Frankfurter Volksbühne ist nicht nur ein ausgezeichneter Schauspieler und Komödiant, sondern erst recht ein begnadeter Erzähler. Am Anfang stand die Weihnachtsgeschichte, wer kennt sie nicht, die biblischen Verse „Es begab sich aber zu der Zeit“. Michael Quast trug im schönsten Dialekt die Weihnachtsgeschichte als Frankfurter Gedicht vor: „die Sprach, des is net despekdierlich, is besoners nadierlich. Und so machen sich in dieser speziellen Version von Wulf-Dieter Preiß ‚Josef und Maria uff die Socke‘.“ Mitgebracht hatte er wieder einmal eine wunderbare Sammlung von berührenden, komischen und herzerfrischenden Geschichten und Gedichten rund um das Weihnachtsfest; aus der Vergangenheit, der Gegenwart und fernen Ländern. Wie beim „König der Herrlichkeit“. Die Erzählung von Rafik Schami stammt aus Syrien und ist ein schelmischer Bericht über einen Pfarrer, der für seinen Geiz und Hochmut vom Kirchendiener vorgeführt und abgestraft wird. In der Vorweihnachtszeit laufen die Küchen auf Hochbetrieb, es wird gekocht, gebraten und gebacken. Michael Quast hatte dafür mehrere Beispiele parat. Was sich in früheren Zeiten beim Schlachten und Gänserupfen so abspielte, konnte man hautnah nachvollziehen bei der „Schwarzen Suppe der Spartaner“. Kleineren Kindern wurde bei den martialischen Vorbereitungen, wie sie Theodor Fontane in seiner Erzählung gekonnt beschrieb, in dieser Vorweihnachtszeit eher weinerlich zu Mute. Von Georg Tabori stammte die Schilderung von einem „Weihnachtsschmaus“ der besonderen Art. Weil der Vater ein total unfähiger Schreiber war, dem es nie gelang, auch nur eine Zeile zu veröffentlichen, konnte die Mutter der großen Familie an Weihnachten buchstäblich nur ein „Gedicht“ auftischen. Herrlich auch die schwäbische Essensvariante, die Michael Quast kongenial vortrug, „Perlen vor die Säue“, so ihr Titel. Sie stammte aus der Feder von Starkoch Vincent Kling. Das Gänseessen mit der Großfamilie, zu der auch die sehr real beschriebenen Großeltern gekommen waren, endet fast in einer Katastrophe, als die Gans ungenießbar sich in „chemisch reinen Kohlenstoff“ verwandelt hatte. Wie in der Weihnachtszeit Wünsche wahr werden, dafür servierte Michael Quast urkomische Beispiele und erzählte die Geschichte wie Elke Heidenreichs Traum, einmal den großen Tänzer Rudolf Nurejew live zu erleben, sich erfüllte. Neben herrlichen Kindergedichten von Joachim Ringelnatz führte er theatralisch zur Hochform auflaufend die bissigen, exakt beobachteten Geschichten von Hans Scheibner „Wer nimmt Oma dieses Jahr“ und die „Bescherung“ von Hanns-Dieter Hüsch vor. Der wortgewaltige, teils wild gestikulierende oder verschmitzt komisch agierende Erzähler zog bei dieser Lesung das Publikum gekonnt in den Bann. Durchbrochen wurden diese kleinen, aber feinen schauspielerischen Kunststücke durch musikalische Beiträge. Gleich zu Beginn der Lesung glänzte Angelika Schmidt mit ihrem Solovortrag von Engelbert Humperdincks „Abendsegen“ am Flügel. Für Gero Bachon war sie eine kongeniale Begleiterin an den Tasten. Der Bariton trug bekannte und weniger bekannte Lieder mit seiner warmen, volltönenden Stimme vor. Er sang von Schiffen, Hirten, den heiligen drei Königen, vom „Licht der Welt“, „Maria durch den Dornwald ging“ und trug Wiegenlieder vor. Durch diese besonderen Liederauswahl wurde den andächtig lauschenden Zuhörern die Weihnachtsgeschichte musikalisch stimmungsvoll nahegebracht. Er bedankte sich für den begeisterten Applaus mit dem bekannten englischen Weihnachtslied „Hark The Herold Angel Sing“ als Zugabe.
Schirmherrin der seit vielen Jahren von Heike und Peter Neidhart organisierten Lesung war Bürgermeisterin Antje Runge. Der Hausherr der Christuskirche, Pfarrer Reiner Göpfert, entließ die Besucher in die kalte Nacht mit der Bitte um Gottes Segen und Frieden für die ganze Welt. Ganz zum Schluss wurde es noch einmal richtig emotional, als alle gemeinsam mit Gero Bachon begleitet von Angel Schmidt am Flügel „Stille Nacht, heilige Nacht“ anstimmten und viele textsicher die Strophen auswendig kannten.