Kein Platz für Oberurseler in der Werner-Hilpert-Siedlung

Die „Post-Siedlung“ im Frühlingslicht. Zwischen den Wohnblöcken große Rasenflächen mit einzelnen Bäumen und seitlichem Bewuchs. Die Skulptur links im Bild wurde zum 25-jährigen Bestehen zu Ehren des Namensgebers Dr. Werner Hilpert eingeweiht. Foto: js

Oberursel (js). „Die Bevölkerung von Oberursel (Taunus) ist zur Teilnahme herzlichst eingeladen“. So stand es ganz unten auf der Einladung zum „Ersten Spatenstich“ für ein Wohnbau-Großprojekt im Norden der Stadt, das im Dezember 1959 regional für Aufsehen sorgte. Ob das auch für das anschließende Mittagessen im Restaurant „Waldlust“ nicht weit entfernt galt, ist nicht mehr zu ermitteln. Den Oberurseler Bürgern klang die Einladung auch ohne Mittagessen eher wie Hohn. Nicht nur, dass sie hart für ihr tägliches Brot schaffen mussten, viele von ihnen lebten in erbärmlichen Verhältnissen. Fast 600 Wohnungssuchende seien registriert, meldete der damalige Erste Beigeordnete, Stadtkämmerer Karlheinz Pfaff, ein paar Monate nach dem Spatenstich beim Richtfest. Das hatte sich bis zum Einzug der ersten Bewohner im Januar 1961 auch nicht wesentlich gebessert, Oberurseler Wohnungssuchende waren im Konzept der Bauherren und Bauträger nicht vorgesehen.

Trotzdem wurde das Erfolgsprojekt gefeiert, die Werner-Hilpert-Siedlung zwischen der Hohemarkstraße in Höhe der Glöcknerwiese, dem ehemaligen Camp-King-Gelände und dem Eichwäldchen galt über Jahrzehnte als Vorzeigemodell des sozialen Wohnungsbaus. „Gemeinsam am Werk sind wieder einmal der Bund, das Land Hessen und diesmal die Stadt Oberursel mit Unterstützung der Oberpostdirektion Frankfurt“, steht in der Einladung an die speziell geladenen Gäste zum Spatenstich. Um in landschaftlich schöner Lage eine neue Großsiedlung am Taunushang zu bauen. Rund 460 Wohnungen, Kinderspielplätze, Läden und Garagen waren in der Gesamtplanung vorgesehen, zum Spatenstich kamen Bundespostminister Richard Stücklen und Hessens Innenminister Heinrich Schneider, die Landespolizeikapelle „Klingende Post“ spielte auf, der Postgesangverein gab stimmlich sein Bestes.

Richtig: Die Wohnungen waren ausschließlich für Bedienstete der Deutschen Bundespost vorgesehen. Kein Wunder, dass es in den ortspolitischen Verbänden heftige Diskussionen in einschlägigen Gasthäusern gab, es wurde „bedauert“, wie die örtliche Presse euphemistisch schrieb, dass Oberurseler Wohnungssuchende nur „mangelhaft berücksichtigt werden würden“, die Stadt aber erhebliche Folgelasten zu tragen habe. Die FDP-Fraktion boykottierte aus Protest den Spatenstich.

Der natürliche Bevölkerungszuwachs war groß Ende der 50er-Jahre, noch immer gab es heimkehrende Soldaten, Heimatvertriebene mussten aufgenommen werden, Zuwanderer aus der sogenannten Ostzone, viele Umsiedler. Sie bleiben außen vor beim Projekt „Werner-Hilpert-Siedlung“. Bei der Nassauischen Heimstätte, der „Staatlichen Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen“, die als Bauträger fungierte, war es zur Tradition geworden, ihren Großsiedlungen Namen von „Persönlichkeiten und Menschenfreunden“ zu geben, so die Selbstbeschreibung. Der bei Baubeginn bereits verstorbene ehemalige hessische Finanzminister Werner Hilpert galt als „Mitschöpfer des neuen Landes Hessen“ und einer der „Mitväter“ der Verfassung. Hilperts Ehefrau wohnte viele Jahre in der Siedlung, der Sohn des Namensstifters war 25 Jahre nach der Einweihung einer der Ehrengäste beim ersten großen Jubiläum.

Damals bekam die Siedlung ein Kunstwerk für eine der Grünflächen, das noch heute vor dem Hochhaus Dornbachstraße 93 steht. Eine weiße Hand aus Marmor, als Sinnbild für die „Urkraft des sozialen Gefüges“ einer Siedlung, hieß es damals bei der Übergabe und Einweihung des Gedenksteins zu Ehren von Werner Hilpert. Die einigen Anwesenden seltsam anmutende Skulptur erklärte der Künstler, der Bildhauer-Professor Lutz Brockhaus, damals so: „Die schützende Hand der Gemeinnützigkeit erfüllt ihre Funktion auch noch, wenn man ihr einige Finger gekappt hat“.

Bauherrin war seinerzeit die Südwestdeutsche gemeinnützige Wohnungsbau AG Frankfurt. Bei der Festansprache zum 25. Geburtstag kündigte deren Vorstandsvorsitzender die ersten umfassenden Modernisierungsmaßnahmen an. Neue Wärmedämmfassade, geänderte Dächer und erneuerte Balkone, alles ohne Mieterhöhung. Inzwischen waren die rund 450 Mieter zwischen Dornbachstraße und Eichwäldchenweg Oberurseler geworden, für sehr viele jährte sich der Einzug zum 25. Mal. „Freude über die schöne Umgebung und Heimatgefühl“ spreche aus dem üppigen Blumenschmuck der Balkone, meinte Bürgermeister Rudolf Harders (CDU) bei der Gedenksteinenthüllung.



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