Konzert-Hochgenuss mit Verspätung

Das Johann-Strauß-Orchester Frankfurt spielt unter der Leitung von Witolf Werner, der auch gern Anekdoten und Hintergrundwissen zum Besten gibt. Foto: bg

Oberursel (bg). Das Neujahrskonzert konnte pandemiebedingt erst im April stattfinden und wurde vom Kultur- und Sportförderverein Oberursel (KSfO) kurzerhand in „Frühlingskonzert“ umbenannt. Der Frühling hat Einzug gehalten, doch anstelle der süßen, wohlbekannten Düfte, die Eduard Mörike in seinem Gedicht „Er ist’s“ durchs Land streifen lässt, gab es zum „Tag des Bieres“ Hüttenzauber und frisch Gezapftes zum Frühschoppen, als die Fangemeinde des Johann-Strauß-Orchesters in die Stadthalle eilte.

Das Publikum freute sich, nach langer Pause wieder Märschen und Polkas von Johann Strauß Vater und Sohn zu lauschen und in die walzerselige Operettenwelt von Kálman, Lehar und Co eintauchen zu können. Im zweiten Teil servierte das Orchester mit großer Spielfreude unter der Leitung von Witolf Werner mit Klassikern der Filmmusik beliebte Ohrwürmer. Mit einem „Herzlich willkommen“ begrüßte der Dirigent das Publikum. „Die Weltpolitik macht vor Oberursel nicht halt“, stellte er fest, dann spielte das Orchester die Nationalhymne der Ukraine – ein bewegender Moment.

Gleich wurde das Publikum musikalisch direkt nach Wien entführt mit der Ouvertüre von „Ein Morgen, ein Mittag und ein Abend in Wien“ von Franz von Suppé. Wie Witwolf Werner erläuterte, handelt es sich dabei um ein selten aufgeführtes, lokales Gemälde des Wiener Alltags aus dem Jahr 1844 mit einem bemerkenswerten Cello-Solo, wunderbar gespielt von Bianca Breitfeld. Das blendend aufgelegte Orchester, in schicken Abendkleidern die Damen und im festlichen Frack die Herren, war sichtlich froh, endlich wieder auftreten zu können. Das Johann-Strauß-Orchester gilt als Spezialist für die leichte Muse und präsentierte sich als facettenreicher Klangkörper, gerade nach der Pause, als Klassiker der Filmmusik auf dem Programm standen wie die berühmte „Fox-Fanfare“, dem das „Gonna Fly Now“ aus „Rocky“ (Bill Conti) folgte. Ein Novum für das Orchester war der „Sirtaki“ aus „Alexis Sorbas“ von Mikis Theodorakis. Der griechische Tanz entwickelt sich zu einem rasanten, immer schneller werdenden Parcoursritt, den Werner Witolf mit vollem Körpereinsatz immer weiter antrieb. Das Publikum konnte kaum so schnell klatschen wie die Musiker spielten und war begeistert. Eine tolle Kostprobe ihres Könnens hatten die gut 30 Musiker mit dem Medley „Es war einmal in Amerika“ von Ennio Morricone und mit „Der rosarote Panther“ von Henry Mancini abgeliefert.

Als Stimmakrobaten glänzten Christiane Linke und Agustin Eduardo Sanchez Arellano. Der Tenor, geboren in Mexico-City und seit vielen Jahren festes Ensemblemitglied des Staatstheaters Mainz, gewann die Herzen des Publikums sofort mit der Aufforderung „Man muss mal ab und zu verreisen“. Die mitreißende Arie stammt aus der Operette „Clivia“ von Nico Dostal und traf ziemlich genau die Gefühlslage so mancher Gäste. Mit dem schönen Timbre seiner Stimme bezauberte er auch beim Vortrag von „Be My Love“ von Nicolas Brodszky. Außer mit seiner geschmeidigen, herrlichen Tenorstimme erntete der Sänger durch bemerkenswerte Bühnenpräsenz und gewagte Tanzeinlagen großen Beifall

Mit der Arie „Spiel mir das Lied von Glück und Treu“ aus der „Ungarischen Hochzeit“, ebenfalls von Nico Dostal, stellte sich die bezaubernde Christiane Linke dem Publikum vor. Sie bestach nicht nur durch rasante Kostümwechsel sondern vor allem durch ihre strahlend klare, wandlungsfähige Stimme. Von innig sehnsuchtsvoll beim ersten Solo bis kokett verführerisch mit „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ aus „Giuditta“ von Franz Lehar. Sie berührte das Publikum nach der Pause auch darstellerisch mit den Songs „Somewhere Over The Rainbow“ aus dem Musical „Wizzard of Oz“ (Harold Arlen) und „Speak Softly Love“ aus dem Film „Der Pate“ (Nino Rota). Ein Augenschmaus und musikalischer Hochgenuss waren die Duette der beiden Stimmkünstler. Ob Operette oder beim hinreißenden Vortrag „Stranger In Paradiese“ aus dem Musical „Kismet“ von Robert Wright, sie beherrschten beide Genres großartig und jagten bei der schnellen Polka „Unter Donner und Blitz“ mit einer perfekten Tanzeinlage über die Bühne.

Mit seiner charmanten, aufschlussreichen Moderation führte Witwolf Werner durch das gut zweistündige Programm. Das Publikum genoss das Konzert in vollen Zügen und erklatschte sich zum Schluss natürlich die Zugabe aller Zugaben, den Radetzky-Marsch, als krönenden Abschluss. Ohne den Marsch aus der Feder von Johann Strauß senior kann ein Auftritt des Johann-Strauß-Orchesters Frankfurt nicht enden, egal ob Neujahrs- oder Frühjahrskonzert.

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