„Liebfrauener“ feiern Abschluss der Renovierungsarbeiten

Feierlicher Moment: Im neuen Glanz der Liebfrauenkirche singen alle zum Ende des Festgottesdiensts „Großer Gott, wir loben dich“. Foto: sem

Oberursel (sem). Nach fast einem Jahr aufwendiger Renovierungsarbeiten erstrahlt die Liebfrauenkirche in neuem Glanz. Unter anderem wurden dabei Fugen mit einer Gesamtlänge von über 20 Kilometern neu abgedichtet, die Fenster schafften es bis zu einem internationalen Restauratorenkongress in Madrid, und die Dacharbeit erstreckten sich auf Hunderte von Quadratmetern – und das im Hochsommer. „Der Lärm, der Staub und die Hitze im Sommer hätten manch einen von uns an seine Grenzen gebracht“, ist sich Verwaltungsratsmitglied Eberhard Selzer sicher. Daher ist es mit dem erfolgreichen Abschluss der Arbeiten an der Zeit, zu feiern und Danke zu sagen. Aus diesem Anlass hatte die Gemeinde Liebfrauen zu einem Festgottesdienst geladen. Viele nahmen die Einladung an, wie auch Bürgermeister Hans-Georg Brum und Erster Kreisbeigeordneter Thorsten Schorr, sodass fast jeder Platz in der Kirche besetzt ist.

„Es ist ein Zeichen von Stärke und Verbundenheit, dass aus anderen Gemeinden Leute da sind“, meint Manfred Hahn vom Ortsausschuss bei der Begrüßung. Einmal mehr zeigt sich hier die konfessionsübergreifende Verbundenheit der städtischen Gemeinden. Denn die Auferstehungsgemeinde hatte die Liebfrauener herzlich in ihren Räumlichkeiten aufgenommen, als deren Kirche aufgrund der Sanierungsarbeiten nicht nutzbar war. Diesbezüglich äußert Hahn großen Dank und betont: „Dies ist ein starkes Zeichen für die Ökumene, besonders vor dem Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt.“ Der Dank gelte ebenso allen Spendern, dem Förderkreis Liebfrauen sowie Selzer, dem „Urgestein von Liebfrauen“, der das Mammutprojekt besonders vorangetrieben habe. Dieser dankt allen für ihren teilweise enormen Einsatz.

Der Glaube prägt Räume

Das Bauwerk ehrt Gastprediger Pastoralreferent Andreas Wörsdörfer von der KunstKulturKirche Frankfurt Allerheiligen. In seiner Predigt bringt er den Anwesenden die Besonderheiten der Liebfrauenkirche näher und gibt unter anderem einen detaillierten Einblick in die Gedanken des Architektenehepaars Maria und Rudolf Schwarz. Vorbild war für die Architekten die Trierer Liebfrauenkirche. Deren Grundriss beinhaltet ein gleicharmiges Kreuz, in dessen Mitte seit 1951 der Altar steht. „Wenn es stimmt“, so Wörsdörfer, „dass der Glaube die Räume prägt“ und umgekehrt, dann habe der Bau zeitgenössisch sein müssen. Demgemäß verwendete man Backstein und Beton, die bevorzugten Bausubstanzen der 1960er-Jahre, um die symbolische Verbindung zwischen Kirche und Gegenwart zu versinnbildlichen.

… und alle sind gleich

Somit ist die Liebfrauenkirche in Oberursel ein Denkmal der Nachkriegsmoderne, wobei sie als sakraler Raum weit darüber hinausgeht. Denn die Größe und Weite der Räumlichkeit sei ein „liturgischer Freiraum“ und daher nichts für die einzelne Seele. Als „offener Ring“ erscheinen die in U-Form angeordneten Sitzbänke, „die Gemeinde versammelt sich allein um Christus.“ Hierin liegt die scheinbare Kargheit des Gebäudes begründet, wie sie sich zum Beispiel in den Fenstern findet. „Die Fenster sollten mit dem Raum die reduzierte Formensprache gehen.“ Der Fokus liege auf der Versammlung der Gläubigen am Tisch Gottes. Geschickt schlägt Wörsdörfer den Bogen zum Synodalen Weg und der kürzlich stattgefunden Synodalversammlung. Denn am Tisch Gottes seien alle gleich, da gebe es keine Unterschiede – „vor allem nicht zwischen Mann und Frau“. Spontaner Applaus brandet auf.

Sowohl emotional bewegend als auch festlich ist dieser Gottesdienst. Nach dessen Ende sind die Feierlichkeiten jedoch nicht vorbei. Im Anschluss sind alle Besucher zu einem kleinen Empfang vor der Sakristei eingeladen. Was zunächst als logistisches Chaos beginnt, entwickelt sich zu einem heiteren Beisammensein. Gesprächsthema ist selbstverständlich auch das Ergebnis der Renovierungsarbeiten, das größtenteils positiv bewertet wird. Wenig Begeisterung lösen zwei Seitenwände aus, die aufgrund des Denkmalschutzes im alten Zustand belassen wurden und sich dadurch stark vom restlichen Mauerwerk abheben. Doch mehr ist an Veränderung auf den ersten Blick auch nicht zu erkennen.

Die Liebfrauenkirche wirkt wie nach einem riesigen Frühjahrsputz. Man könnte fast enttäuscht sein, wenn man nicht wüsste, dass vor der Sanierung auf den einen oder anderen Gottesdienstbesucher etwas Putz von der Decke rieselte oder wie viel Arbeit hinter all dem steckt. Der renovierte Liebfrauenkirche ist daher nicht nur als Bauwerk betrachtet eine Freude, sondern auch zwischenmenschlich gesehen: Was Menschen gemeinsam bewirken können, um sich gemeinsam im Namen Gottes zu versammeln – und alle sind gleich.

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