In der Oberurseler Unterwelt fließt Apfelwein statt Lethe

Die Solisten für „Orpheus in der Unterwelt“ (v. l.): Daniela Weiss (Minerva), Nora Bewer (Juno), Claudia Himberg (Venus), Sabrina Kuhne (Cupido), Irene Kuhne (Diana), Peter Steffan (Pluto), Frank Günther, Marcus Papp (Jupiter), Christina Maul (Eurydice), Martin Engel (Orpheus), Iseball Schäfer-Fricke (öffentliche Meinung), Michael Meiners (Hans Styx),Udo Rücker (Merkur) und Carsten Höfer (Mars). Foto: bg

Oberursel (bg). Zum zweiten Mal stellt die Musikschule Oberursel eine Operette auf die Beine. Die Proben dafür laufen seit Anfang des Jahres und nehmen langsam Fahrt auf. Nach dem unvergessenen Spektakel um die bezaubernde „Frau Luna“ ist jetzt ein Mann an der Reihe, „Orpheus“ in der Unterwelt. Die Operette von Jacques Offenbach hat seit ihrer Uraufführung im Jahr 1858 in Paris an Frische nichts verloren, die schmissige Musik reißt heute noch viele mit, besonders die Cancan-Einlagen.

Schon zur Premiere war das Werk eine freche Persiflage, bei der die griechisch-römische Mythologie mit ihrer Götterwelt auf den Kopf gestellt und durcheinandergewirbelt wurde. Damals kannte das Publikum seine klassischen Helden und die Geschichte des begnadeten Sängers Orpheus, der um seine geliebte Gattin Eurydice trauert, ganz genau. Unterlegt mit der rasanten Musik bekam es einen Spiegel über die aktuellen Gesellschaftszustände und bestehenden Machtverhältnisse vorgehalten. Gespickt mit Anspielungen auf den französischen Kaiser Napoleon III., der bei der Premiere im Publikum saß. Herrlich, wie damals bereits die Macht der „öffentlichen Meinung“, der sich selbst Gottvater Jupiter beugen muss, inszeniert wurde.

Das hat an Aktualität nichts verloren. Im Gegenteil, auch in der digitalen Welt schlägt sie mit aller Wucht zu. Gleich zu Beginn der Operette setzt sie Orpheus so unter Druck, dass er sich genötigt sieht, Gottvater Jupiter zu bitten, ihm seine Ehefrau Eurydice wiederzugeben, obwohl er heilfroh war, sie endlich los zu sein. Denn zuvor war Eurydice durch einen tödlichen Schlangenbiss in die Unterwelt zu Gott Pluto entführt worden. Die beiden Eheleute hassen sich gründlich, ihre Ehe ist schon lang zerrüttet, und sie wünschen sich gegenseitig den Tod. Doch gegen die öffentliche Meinung kommt keiner an. Im Götterhimmel, der im zweiten Bild vorgeführt wird, herrscht Trübsal. Die Götter sind gelangweilt. Da sorgt das Auftauchen von Orpheus mit der „öffentlichen Meinung“ im Schlepptau für etwas Abwechslung. Und als Jupiter beschließt, wegen des Falls selbst in der Unterwelt nach dem Rechten zu sehen, begleitet ihn die ganze Göttergesellschaft in den Hades. Dort feiern alle gemeinsam mit Pluto ein rauschendes Fest. Als Jupiter entscheiden muss, was mit Eurydice geschehen soll, erlaubt er Orpheus, seine Frau wieder mit zurück auf die Erde zunehmen. Bedingung: Dabei darf er sich nicht nach ihr umdrehen, was aber durch eine List des Göttervaters selbst dann doch passiert. Daraufhin macht dieser Eurydice zur Bacchantin, die bei Gott Bacchus bleibt. Soweit die verdrehte Geschichte der Operette nach dem Libretto von Ludovic Halévy und Hector Crémieux.

„Himmel – welche Hölle“ stöhnt Eurydice (Christina Maul), eingesperrt im Boudior in der Unterwelt, bewacht von Plutos Diener Styx, der sie anbetet. Der einstige „Prinz von Arkadien“, ist jetzt ein Schatten und trinkt zu viel, in dieser Inszenierung natürlich „Apfelwein“ und nicht Lethe, das Wasser des Vergessens. Eurydice ist deutlich genervt. Das Spiel von Christina Maul zeigt es überdeutlich, aber Styx ist davon unbeeindruckt. Bei der großen Probe im Georg-Hieronymi-Saal herrscht lockere, fröhliche Stimmung. Die Gesangseinsätze werden von Yukiko Wachi am Klavier begleitet. Die Souffleusen sind hilfreich im Einsatz, wenn es beim Text noch etwas hapert. Und alles unter den kritisch-wachsamen Blicken von Frank Günther, der die Inszenierung und Gesamtleitung des Mammutprojektes innehat. Er schreitet oft ein und erläutert genau, wie die Szene noch effektvoller gestaltet werden könnte.

Allein für die große Göttergesellschaft sind 13 Solostimmen im Einsatz. Außer Orpheus (Martin Engel) und Eurydice (Christina Maul), der „öffentlichen Meinung“ (Isabell Schäfer-Fricke ), dem Herrn der Unterwelt (Peter Steffan) und seinen Diener Hans Styx (Michael Meiners), Jupiter und seiner Gemahlin Juno tummeln sich im Olymp noch die Göttinnen Venus, Diana, Minerva, Mars, der Gott des Krieges und der Götterbote Merkur. Dazu gesellen sich noch die Chorsolisten Cybele, Hebe, Morpheus und Bacchus und der große, vielstimmige Chor, insgesamt fast 20 Sänger.

Viele standen schon bei dem ersten Operettenprojekt der Musikschule Oberursel bei „Frau Luna“ mit auf der Bühne. Es sind alles erwachsene Schüler der Gesangsklasse der Musikschule. Die Einstudierung des Chors liegt in den Händen von Christos Pelekanos. Sänger und Projektleiter Peter Steffan arbeitet wieder mit Herzblut an den Kulissen und zeigt seine Entwürfe. Beim ersten Bühnenbild „Theben“ wird neben der Orpheus-Hütte und dem Getreidefeld, in dem die Schlange lauert, eine mediterrane Landschaft mit dem Berg Olymp zu sehen sein. Ganz himmlisch in den Farben Blau-Weiß wird es im Olymp zugehen, es folgt das „Boudior in der Unterwelt“, und das krönende „Höllenfest in der Unterwelt“ wird er mit Feuerzungen und einem angedeuteten Amphitheater darstellen. Dafür hat er viele Arbeitsstunden eingeplant und sorgfältig terminiert. Fleißige Helfer mit etwas Erfahrung beim Bühnenbau und beim Malen sind willkommen.

Offenbachs wunderbare Musik wird durch ein kleines Orchester der Musikschule mit Hanno Lotz als Korrepetitor erklingen. Als Cancan-Ballett wird die Tanzgarde des Karnevalvereins „Frohsinn“ über die Bühne wirbeln. Es ist ein wirklich ambitioniertes Vorhaben, das die Musikschule gerade mit viel ansteckender Begeisterung angeht und mit allen Beteiligten einstudiert. Die Probe machte schon mal richtig Lust auf das Gesamtkunstwerk.

!Die Premiere für „Orpheus in der Unterwelt“, made in Oberursel, geht am Sonntag, 29. Oktober, um 17 Uhr in der Taunushalle Oberstedten, Landwehr 6, über die Bühne. Weitere Vorstellungen finden statt am Samstag, 4. November, um 19 Uhr und am Sonntag, 5. November, um 17 Uhr. Der Vorverkauf startet nach den Sommerferien. Der genaue Termin wird noch bekanntgegeben.



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