Oktoberfest muss Orschel noch üben

Ein toller Start in die Waldzeit, das A-cappella-Konzert am Schillerturm mit einem singenden Bürgermeister im Hintergrund. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Die zweite „Waldzeit“ ist eben erst mit einem Mini-Oktoberfest zu Ende gegangen, da dürfen sich die Menschen am selbsternannten „Tor zum Taunus“ schon auf mehr Kultur im Wald freuen. Die Freunde des Waldes jedenfalls, die das Open-Air-Programm nach der langen Corona-Sperrzeit genießen und Lust auf mehr schon nach der Premiere im Frühsommer mit über 500 angemeldeten Menschen geäußert haben. Der KSfO hat jetzt eine dritte „Waldzeit“ für das erste Dezember-Wochenende im Oberurseler Winterwald angekündigt.

Pop-Songs A-cappella vor dem Schillerturm, das war ein cooler Start in die herbstliche „Waldzeit“. Nicht mehr richtig warm, aber auch nicht kalt, mit spätnachmittäglichem Sonnenglitzern zwischen Ästen hoher Bäume, das auch auf die Gesichter am Boden fällt. Manche haben Stühle mitgebracht, die anderen begnügen sich mit Baumstämmen und Feldsteinen als Sitzgelegenheit, andere stehen, da lässt es sich besser mitwippen. Das angesagte „Quartett XXL“ des Gesangvereins Germania aus Weißkirchen entpuppt sich als ein kompletter „Zehner“ mit reichlich Swing, das zieht auch manch einen Anwohner der oberen Altkönigstraße in der blauen Stunde auf die Treppe vor der Haustür. Hinten Schiller, vorne Bruder Jakob, zu Ehren der französischen Gäste natürlich zweisprachig intoniert, das gibt einen schönen Kanon, an dem auf einmal alle beteiligt sind. Auch Hervé Chevreau, der Bürgermeister der Partnerstadt Epinay-sur-Seine, und seine Begleitung, auch Bürgermeister Hans-Georg Brum, der auf seiner Abschiedstour – wer hätte das gedacht – einen guten Background-Vokalisten abgibt.

„Waldzeit“ ist auch Bildungsurlaub zwischen Bäumen und Gesträuch am Wegesrand. Die Bandbreite ist groß, der Kultur- und Sportförderverein (KSfO) als Veranstalter hat sich auf die Fahnen geschrieben, die „Menschen noch mehr für die Natur und deren Schönheit zu begeistern“, so sein Geschäftsführer Udo Keidel-George, noch beseelt und „überwältigt“ vom großen Interesse, das die Premiere im Juni hervorgerufen hat, in der Stadt und in der Region. Jede Menge „Ausverkauft“ durften sie da hinter einzelnen Veranstaltungen markieren, viele waren binnen kürzester Zeit ausgebucht. Das war beim „Waldbaden“ auch jetzt wieder so, das Angebot von Mental- und Waldgesundheitstrainerin Michaela Dalchow absolut gefragt. Stress reduzieren, Wohlbefinden steigern, Seele beruhigen, mit Waldbaden die Kraft von Körper und Geist steigern, absichtsloses Verweilen im Wald, völlig entspannt im Hier und Jetzt.

Mountainbiker sehen das auch so, verfahren dabei lediglich auf einem anderen Tempolevel. Weil die friedliche Koexistenz im Wald aufgrund unterschiedlicher Interessen auch Streitthema im Wald sein kann, hat sich der Verein Mountain Sports Oberursel in den Reigen der Mitveranstalter eingereiht. Mit einer geführten Tour über 18 Kilometer mit 520 Höhenmetern, mit Pausen an Orten und Plätzen, die sich in den vergangenen 18 Monaten völlig verändert haben. Da ließ sich trefflich diskutieren über den Wald als Wirtschaftsgut etwa, als CO2-Speicher, Lebensraum oder Naherholungsgebiet. Vor allem aber, ob und wie sich das Mountainbiken im Wald mit dem Schutz der Natur vereinbaren lässt. Bestens gebucht in der Abteilung Bildung auch die Abendwanderung durch das Reich des Rot-hirschs und die Taschenlampen-Tour mit Geschichten in der Dunkelheit für ein jüngeres Publikum. Wenn Förster Luis Kriszeleit die neue Welt im Wald in Zeiten des Klimawandels erklärt, ist spürbar, dass das Thema Klimaschutz endlich in den Köpfen einer vielgestaltigen Bevölkerung angekommen ist. Die frohe Botschaft: Es geht zumindest in kleinen Teilbereichen voran, in der Winter-Waldzeit werden sie das erneut bei einem Spaziergang mit dem Waldmann überprüfen, dessen Aufgabe es ist, die Zukunft im Wald zu gestalten.

Die „Waldzeit 2“ hat außer den Mountainbikern weitere Kooperationspartner eingeladen und angezogen. Auch das ein Ziel des KSfO als Erfinder des noch jungen Formats für Veranstaltungen im Freien in der natürlichen Umgebung. Märchenerzählerin Angela Behrs hat den Ball aufgefangen und eine kleine Märchenwanderung rund um den Schulwald am Maasgrund angeboten, die VHS Hochtaunus und der Taunusklub sind eingestiegen, das Gymnasium kam gleich mit seinem Kam- merorchester vorbei und spielte am Schillerturm mit Klassik, Tango und Pop schwungvoll auf.

Nur beim „besonderen Programmpunkt“, den die Projektleiterinnen Andrea Einig und Beate Steinfort-Krailing auch gesondert beworben hatten, zeigten sich die Oberurseler schnäubig. Der „Herbstgarten“ im Schulwald mit einem „Hauch von bayerischem Oktoberfest“ sollte ein Höhepunkt in der Publikumsgunst werden, blieb aber kaum beachtet. Da konnten die Alphornfreunde aus Ober-Erlenbach noch so sehr ins Horn blasen, dass es bis fast hinunter zum Weiher hörbar war, die Jagdhornbläser sich ins Zeug legen und die Buam vom Trio „Hüttenzauber“ mit Tuba, Gitarre und Akkordeon einen nach dem anderen raushauen. „Spätestens dann wissen wir, ob es auch in Oberursel Oktoberfest-Feeling gibt“, stand in der Ankündigung. Spätestens jetzt wissen wir, dass Orschel Oktoberfest noch üben muss.

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