ow-Eine Reise
Oberursel (sem). „So bleibt uns zur Beruhigung nur die Natur. Fast instinktiv treten wir hinaus ins Freie, draußen im Garten, beim Rauschen der Bäume und unter den Sternen atmen wir freier – dort wird’s uns leichter ums Herz. Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.“ Überraschenderweise stammt dieses Zitat von Schriftsteller Walter Moers, der nicht unbedingt für tiefschürfende Literatur bekannt ist. Doch bezüglich der Fotoausstellung „Bilder aus dem stillen Garten“ treffen sie zu. Bei dieser geht es um die Natur, die Freiheit, das Herz und das Reisen.
Die Teilnehmer eines Fotokurses der Volkshochschule (VHS) Hochtaunus unternahmen eine Art „kleine Reise ins Unbekannte“. Gegenstand ihrer Betrachtung war der Alte Friedhof Oberursel. „Ich kannte den Friedhof vorher gar nicht“, erzählt Kursteilnehmer Stefan Zimmermann. „Es war wie eine Reise. Und es gab immer etwas zu entdecken.“
„Bei einem Friedhof denkt man zunächst, das ist nicht unbedingt was Besonderes. Uns war es jedoch einen Versuch wert. Aber es sollte provokant sein“, erläutert VHS-Fachbereichsleiter Dr. Christian Stewen. „Der Friedhof sollte in neuer Perspektive gezeigt werden und nicht nur als traditioneller Ort der Trauer, sondern ästhetisch bunt, veränderlich…“
Das ist den Künstlern gelungen. Die 30 ausgestellten Bilder sind überraschend anders, weder düster noch traurig. „Die Herausforderung war dabei, nicht nur das Grab zu sehen, sondern das Drumherum“, erklärt Hobbyfotografin Andrea Taylor. „Ich bemühe mich öfter um eine andere Blickweise. Deswegen dachte ich mir: Ich verändere jetzt auch hier mal den Blick − lebensfroh statt Tod und Trauer.“ Diese Intention hatte auch Teilnehmerin Gun-dula Seifert-Hirth: „Ich bin beruflich oft auf Friedhöfen, weil ich Trauerrednerin bin. Danach bin ich oft auf dem Friedhof unterwegs. Es spendet mir Trost. Ich wollte etwas Neues durch die Fotografie finden.“
Um das Neue im Alten und Bekannten zu finden sowie den Umgang mit der Kamera zu üben, stand Dozentin Anja Peschke als Kursleiterin mit Rat und Tat den Teilnehmern zur Seite. Seit 2013 unterrichtet sie an der VHS unter anderem Fotografie sowie Bildbearbeitung. Den Friedhof als Motiv eines Wochenendkurses zu wählen, gründet auf ihrer persönlichen Affinität zu diesem Ort. „Ich fotografiere gerne auf Friedhöfen. Das hat dokumentarische Gründe. Es gibt hier viele Veränderungen durch Witterung, Vandalismus, Diebstahl, oder wenn Gräber abgeräumt werden. Das ist schade, denn es sind historische Stätten. Deswegen möchte ich die Veränderung dokumentieren und archivieren“, berichtet Peschke. „Die Grabsteine von früher sind besonders schön und beinhalten viel Symbolik. Jedes Mal findet man neue oder andere Motive. Dabei spielt auch die Perspektive eine Rolle. Eine Skulptur bekommt je nach Blickwinkel, Licht … eine andere Charakteristik. Das ist das, was mich interessiert. Das will ich weitergeben.“
Dies ist ihr offensichtlich gelungen. Denn nach dem Besuch auf dem Alten Friedhof „haben wir in der VHS die Bilder ausgewertet. Da ist mir aufgefallen, dass jeder seinen Blick auf den Friedhof hatte.“ Wie Ausstellerin Ute Blindenhöfer: „Unser Familiengrab ist auf dem Alten Friedhof. Aber beim Kurs hatte ich eine ganz andere Blickweise. Jedes Grab ist anders. Es sind teilweise kleine Kunstwerke“ Ihre Kurskollegin Gundula Seifert-Hirth stimmt ihr zu und ergänzt: „Der Zahn der Zeit ist spannend, wenn man ihn machen lässt. Es wirkt friedvoll mit all dem Efeu…“ „Und das Neue mit dem Alten zu verbinden. Die Kombination aus moderner Technik und den alten Grabstätten. Das Konträre ist faszinierend“, meint Ausstellerin Anne-Maren Horn.
Auf dem Friedhof tobt das Leben
Daher ist die Verschiedenheit der Schwerpunkte für die Mannigfaltigkeit der Fotografien verantwortlich. „Es sind so unterschiedliche und schöne Bilder, dass wir die Idee einer Ausstellung hatten“, erklärt Peschke. Ein Besuch von „Bilder aus dem stillen Garten“ ist wie eine kleine Reise in die Fremde − überraschend und vielseitig. Sie zeigt einmal mehr, wie sehr sich ein Wechsel der Perspektive lohnt. Und am Ende erstaunt dann auch nicht mal mehr die Aussage von Horn: „Auf dem Friedhof tobt das Leben.“
!Die Fotoausstellung „Bilder aus dem stillen Garten“ ist im Foyer des Rathauses noch bis Donnerstag, 14. Februar, zu den Öffnungszeiten des Rathauses montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr sowie montags und donnerstags zusätzlich von 14 bis 18 Uhr.