Das Rheingauer Weinfest feiern die Orscheler auch im Gewitter

Nahezu fehlerfrei singt die Rheingauer Weinkönigin Sophie Egert zur Überraschung von Bürgermeister Hans-Georg Brum, Brunnenkönigin Pia I. und ihrem Brunnenmeister Mathias (v. l.) bei der Eröffnung des Weinfests das „Oberursel-Lied“.Fotos: Streicher

Oberursel (js). Der Bürgermeister, man kennt ihn als spitzfindigen Genossen, der manchmal auch zum Orakeln neigt, hat es bereits früh gewusst. Als hätte er schon gespürt, was da auf sein temporäres Weindorf zukommt, sprach er im schönsten Frühabend-Sonnenlicht und bei bestem Trinkwetter schon bei der Eröffnung des 19. Rheingauer Weinfestes im Herzen der Altstadt auf dem Marktplatz von den „Orschelern, die nie genug kriegen können von der Feierei“. Die Rheingauer Weinkönigin Sophie Egert hat es gehört, Oberursels Brunnenkönigin Pia I. hat es gehört, die örtliche Polit-Prominenz und Rushmoors Oberstadtdirektor Paul Shackley in kurzen Hosen und seine Lebensgefährtin Joanne Wagstaffe haben es vernommen. Die 22 erwarteten jungen Damen aus der russischen Partnerstadt Lomonossow hingegen hatten da noch andere Verpflichtungen, sie haben die Feierlaune aber sehr wohl zu später Abendstunde genossen.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, bitteschön, ein Zehn-Minuten-Film, gedreht am Eröffnungsabend des Weinfestes, könnte ihn für die Ewigkeit bewahren. Zehn Minuten ungebremste Feierseligkeit im rauschenden Regen. Da bekamen die „Orscheler“ und ihre Gäste ein kostenloses Feuerwerk in der sommerlich aufgeheizten Atmosphäre, dass es eine Freude war. Zuckende Blitze, Donner-grollen, Sturzbäche, die sich auf die Weinhütten und die Menschen unter den Vordächern ergießen. Eine zerschossene Beleuchtungsanlage am Winzerstand. Flucht? Pause? Von wegen, lieber noch ein Glas Martinsthaler Wildsau oder eine Hallgartner Jungfer in Rosé und das Spektakel genießen. „Hat denn keiner einen Putzlumpen dabei?“ fragt eine Frau lachend nach dem Schutt. Gebraucht wird er nicht, die Menschen rücken einfach enger unter den Vordächern zusammen.

Eigentlich drehten sich die Fachgespräche unter Winzern und Weinliebhabern eher um die trocken-heiße Seite des Himmels, die diesseits und jenseits des Weinackers mehr Sorgen macht als der Regen. Vom „drohenden Sonnenbrand“ an den Trauben war da die Rede, von neuen Herausforderungen angesichts des Klimawandels. Noch profitieren sie im Rheingau davon, „mit 30 Grad kann der Riesling umgehen“, sagt Winzer Josef Kreis aus Hallgarten. Der heiße Sommer 2018 hat ihm und den Kollegen einen guten Wein beschert. „I love Riesling“ haben die Damen hinter dem Tresen quer über den Busen auf ihren T-Shirts stehen.

„Sehr zum Wohl“ sagt Theresa Faust bei jedem kredenzten Glas zum Gast auf der anderen Seite des Tresens. Die Winzertochter ist so ein bisschen das Aushängeschild für die „neue Linie“ des Weinguts aus Eltville-Martinsthal. Präsentiert die „Secco-Edition“, die ein junges Publikum ansprechen soll, Chrisecco Spritz etwa, nach „Hugo Art“, Perlwein in Rouge, Rosé und als Riesling. Seit vielen Jahren gehört das Weingut Faust zu den Stammgästen auf dem Marktplatz, „Präsenz zeigen, sehen und gesehen werden“, ist die Devise.

Weinkönigin singt „Oberursel-Lied“

Um 19.15 Uhr geht die Martinsthaler Wildsau schon richtig gut, ein paar Stunden später sieht man den Bürgermeister am Nachbarstand mit drei Flaschen von dannen ziehen. Die Weinkönigin hat da schon vor großem Publikum das „Oberursel-Lied“ zum Besten gegeben. Das kann man erwarten, „fünf, sechs Mal war ich schon hier“, sagt sie und kündigt dann ihren Abschied an.

Abschied genommen von einer Unsitte haben die Oberurseler auch. So sehen das jedenfalls viele. Keine musikalische Dröhnung mehr aus Lautsprechern, wie es in früheren Jahren üblich war. Das kommt gut, das gesprochene Wort kommt einfach besser beim Nachbarn an. Nur die Musik des prallen Lebens erfüllt den Orscheler Kosmos über dem Marktplatz. Drei Tage und Abende lang bei jeweils vollem Haus. Und wer immer noch nicht genug hat, kann die Reset-Taste drücken und am Wochenende den „Weinsommer“ auf dem Rathausplatz genießen.

Weitere Artikelbilder



X