Schwungvoll im Dreivierteltakt „Hereinspaziert“ ins neue Jahr

Großer Schlussapplaus für Tenor Han Bo Jeon, Sopranistin Jennifer Zein und Dirigent Witolf Werner (vorne v. l.) sowie das Johann-Strauß-Orchester Frankfurt. Foto: bg

Oberursel (bg). Beschwingt mit Walzerklängen ins Neue Jahr starten – sehen und gesehen werden ist dabei auch ziemlich wichtig – das zelebriert die Oberurseler Stadtgesellschaft seit mehr als 20 Jahren immer wieder gern. Veranstaltet wird das erste musikalische Highlight im Jahr vom Kultur- und Sportförderverein Oberursel (KSfO). Nach langer Durststrecke endlich ein Neujahrskonzert ohne Auflagen, das fühlte sich gut an. Selbst die üblichen langen Warteschlangen vor der Garderobe oder am Sektstand während der Pause taten der guten Laune keinen Abbruch, ebenso wenig die Tatsache, dass der Januar nicht mehr ganz frisch war.

Die Stadthalle war beim Auftritt des Johann-Strauß-Orchesters Frankfurt gut gefüllt, mit dabei Prominenz aus der Lokalpolitik, Brunnenkönigin Verena mit Brunnenmeister Andreas und die Ehrenbürgerin von Oberursel Margarete Portefaix. Sie alle wurden begrüßt vom Mann mit dem Taktstock, Witolf Werner. Auf dem Programm standen in diesem Jahr besondere Fundstücke, eher selten gespielt, aber zu unrecht. Dazu zählte die Arie des Grafen Bardossy „Märchentraum der Liebe“ aus der „Ungarischen Hochzeit“ von Nico Dostal. Damit stellte sich gleich bei seinem ersten Auftritt der Tenor Han Bo Jeon in sehr beeindruckender Weise vor. Oder die schwungvolle Ouvertüre aus der Operette „Banditenstreiche“ von Franz von Suppé, die beim Publikum gleich gut ankam. Das Orchester war dabei recht flott unterwegs, angetrieben von seinem Dirigenten. Der gab im Laufe des Konzerts launige Anekdoten zum Besten, berichtete von dem sozialverbindenden Element der Musik und neuen Ergebnissen in Gebieten der Wissenschaft, von denen mancher im Saal noch nie etwas gehört hatte.

Vor der Pause erklangen traditionelle Walzer, Polkas und Arien aus dem Goldenen Zeitalter der Operette. Die 34 Damen und Herren des Johann Strauß-Orchesters präsentierten sich festlich gekleidet und musikalisch gut aufgelegt. Sie begeisterten ihr Publikum mit einer schnellen Polka von Johann Strauß aus der Operette „Prinz Methusalem“ und ganz besonders mit dem Walzer „Hereinspaziert“ aus der Feder von Carl Michael Ziehrer. Bei der Frage des Dirigenten nach der heimlichen Welthauptstadt der Musik – natürlich beansprucht Wien diesen Titel – schallte ihm in der Stadthalle prompt auch ein „Orschel“ entgegen. „Da müssen wir noch mal drüber reden“, stellte er gut gelaunt fest.

Die Sopranistin Jennifer Zein ist an vielen Opernhäusern im Einsatz. In Oberursel begeisterte sie mit ihrer ausdrucksstarken Stimme, sowie mit ihren schauspielerischen Talenten und Tanzeinlagen. Ihre Arie „Ich schenk mein Herz nur dem allein“ aus Carl Millöckers „Dubarry“ oder die feurigen Arie „Heja in den Bergen ist mein Heimatland“ aus der „Csardasfürstin“ von Emerich Kalman waren echte Glanzlichter. Dafür gab es viel Beifall und Bravo-Rufe. „Einmal möchte ich was Närrisches tun“ – mit dem herrlichen Duett der beiden Solisten aus Franz Lehars Hommage an den großen Geiger „Paganini“ ging es in die Pause.

Im zweiten Teil des Konzerts gab es den musikalischen Wechsel von der Operette zum Musical. Auf dem Programm standen Werke von Rodgers, Gershwin, Berlin, Loewe, Herbert und Webber. Witwolf Werner unterstrich den Genrewechsel auch optisch und trug statt seines Fracks nun ein schwarzes Glitzerjackett. Das Orchester startete schmissig mit der Ouvertüre von „Oklahoma“ aus der Feder Richard Rogers. Von ihm stammt auch die Vertonung der Geschichte der Trapp-Familie, Titel der Operette „The Sound of Music“. Mit dem Medley bewies das Johann-Strauß-Orchester, wie gut es von schwungvollen Walzermelodien auf den besonderen Musical-Sound umschalten kann.

Und ganz fetzig wurde es beim Ohrwurm „There’s No Business Like Show Business“ von Irving Berlin. Das Publikum ging begeistert mit. Auftritte als Primadonna, da war die deutsch-amerikanische Sopranistin völlig in ihrem Element. Der Song „I Want To Be A Primadonna“, aus der komischen Oper „The Enchantress“ (Die Zauberin) von Victor Herbert war für sie und ihre wandlungsfähige Stimme maßgeschneidert. Und Tenor Han Bo Jeon überzeugte einmal mehr bei seiner Vorstellung mit dem Song des Prinzen Lancelot „If Ever I Would Leave You“ (Wann soll ich von Dir scheiden) aus „Camelot“ von Frederick Loewe. Beide Solisten verabschiedeten sich von ihrem Publikum mit dem zauberhaften Duett „All I Ask Of You“ (Mehr will ich nicht von Dir) aus dem „Phantom der Oper“. Der Roman von Gaston Leroux wurde mehrfach verfilmt, und Andrew Lloyd Webber hat die bewegenden Musical-Melodien komponiert. Damit endete das Programm.

Solisten und Orchester wurden mit stürmischem Beifall gefeiert, doch alle im Saal waren der Meinung, da fehlt noch was. Keiner rührte sich vom Platz. Orchester und Dirigent liefen noch einmal zur Hochform auf bei der ersten Zugabe, der „Tritsch-Tratsch-Polka“ von Johann Strauß. Und natürlich folgte auch noch der heftig herbeigeklatschte „Radetzkymarsch“ von Johann Strauß, Vater, traditionell der Abschluss und Höhepunkt eines jeden Neujahrskonzerts, ob in Wien oder Orschel.

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