Oberursel. Wenn der Orscheler Sommer in den vergangenen Jahren in abgespeckter Form stattfand, hat eine Sache immer gefehlt: das Seifenkistenrennen. Aber das änderte sich am vergangenen Samstag.Endlich konnten die selbstgebauten Fahrzeuge die Strackgasse wieder hinuntersausen.
Insgesamt 27 Teams traten zum Rennen an, darunter 15 Kinderteams. Manche Fahrzeuge wurden sowohl von den Kindern als auch den Erwachsenen gefahren und waren somit in beiden Rennen dabei. Manche Teams hatten mehrere Fahrer angemeldet, die die Durchläufe unter sich aufteilten. Sogar der Pokal aus dem letzten Rennen im Jahr 2019 war präsent: fest montiert am „Soapbox of Death“ aus Rödermark, die vor vier Jahren gewonnen hatte.
Als Erstes wurden alle Fahrzeuge am Marktplatz einer technischen Prüfung unterzogen. Hier wurde unter anderem auch das Gewicht geprüft, denn die Fahrzeuge durften inklusive Fahrer beim Kinderrennen nicht mehr als 115 Kilogramm wiegen, beim Erwachsenenrennen nicht mehr als 300 Kilogramm. Zusatzgewichte waren zwar erlaubt, mussten jedoch fest verschraubt sein. Eine funktionstüchtige Bremse war bei so einem Rennen natürlich auch wichtig und wurde ebenfalls geprüft: Bei angezogener Bremse durfte ein Erwachsener nicht in der Lage sein, das Fahrzeug zu schieben.
Um die Ecke in der Strackgasse hatten die Mitglieder des Kunstgriffs die Strecke vorbereitet und Strohballen auf beiden Seiten platziert. Am kleinen Platz in der Mitte vor der Schlenkergasse saßen auf dem Bühnenanhänger die Kommentatoren Peter Schüßler und Markus Hertle zusammen mit Schiedsrichter Stefan Röder. Sie hatten auch Musik im Gepäck, das Lied „Soap Box Derby“ hatte „Nadir“ aus Heidelberg extra für das Rennen komponiert, und es wurde im Laufe des Nachmittags einige Male gespielt.
Gestartet wurde am Ende der Treppe zum Vortaunusmuseum. Hier war die Steigung ausreichend, so dass keine Rampe zusätzlich benötigt wurde. Zuerst sind die Kinder einmal gefahren, und hierbei entwickelte sich gleich ein Problem mit dem Fahrzeug vom Team „The Boostbusters“. Die Lichtschranke am Ende der Strecke wurde beim Durchfahren nicht ausgelöst, und somit gab es keine Zeitmessung. Nach drei Versuchen wurden die Lichtschranken am Start und Ziel ausgetauscht, danach klappte die Messung und das Rennen konnte weitergehen.
Ein weiteres Problem zeigte, warum die Strohballen so wichtig sind und warum man sie nicht zum Sitzen benutzen sollte: Denn das Fahrzeug vom Team „Flipper“ reagierte sehr träge auf die Lenkung und fuhr in die Absperrung seitlich des Rennkurses. Beim zweiten Durchlauf verunglückte das Fahrzeug erneut, so dass die Fahrerin vom Deutschen Roten Kreuz behandelt werden musste und leider vom Rennen ausschied.
Zu jedem Team und jedem Fahrer erzählten die Kommentatoren interessante Fakten und glänzten mit Hintergrundinformationen, so zum Beispiel zur Mannschaft der Windrose. In der Flickwerk Werkstatt wurde ein Fahrzeug gebaut, das von zwei Jungen aus Afghanistan gefahren wurde. Mirweis Qadari (13) und Muhaimin Arim (10) schafften es auf den achten Platz. Als Upcycling-Wunder waren Kiano Schäfer und Jens Pfefer unterwegs: Ihre Seifenkiste bestand nämlich aus einem alten Ölfass. Auch zwei Kitas nahmen am Rennen teil: die Kita am Park und das Kinderland St. Ursula. Die weiteste Anreise hatte aber wohl die Mannschaft „Krasse Karosse“ aus Stuttgart.
Nachdem die Kinder einmal gefahren waren, durften die Erwachsenen einmal über die Strecke sausen. Ein besonderes Highlight war der „dunkle Lord“ im Team „Soapbox of Death“, der mit einer Konfettikanone unterwegs für Stimmung sorgte, während seine Trophäe für den ersten Platz im Jahr 2019 vorne am Fahrzeug in den Händen eines Skeletts mitfuhr.
Auch zwei Schulen nahmen an dem Rennen teil. Die Frankfurt International School ließ sich vom aktuellen Filmtrend inspirieren und hatte eine rosarote Kreation dabei, komplett mit blonder Perücke für den Fahrer. Ihr zweites Fahrzeug wurde als Piratenschiff gestaltet – komplett mit Schiffssteuerrad. „Die haben geile Kisten!“ rief Hertle, als er sie sah.
In der Hochtaunusschule hatte die Abschlussklasse 12BMI (Metalltechnik Industrie) die Zeit nach den Abschlussprüfungen und vor den Sommerferien genutzt, um zusammen mit ihrem Lehrer Norbert Wissenbach sogar drei flotte Seifenkisten im Rennwagenstil zu bauen.
Insgesamt fünfmal sind die Teilnehmer über die Strecke gefahren, da es keinen Probelauf gab, wurde die schlechteste Zeit bei der Auswertung gestrichen. Die schnellste Zeit des Tages legte das Team „Soapbox of Death“ hin, bei ihrem dritten Durchlauf schafften sie den Kurs in 18,05 Sekunden. Dies reichte jedoch nicht für den Sieg, in der Gesamtwertung landeten sie auf dem fünften Platz bei den Erwachsenen.
Leider gab es in diesem Jahr keinen Preis für das „gemütlichste“ Team. Diese Ehre wäre vermutlich sonst an Emil und Michael Siller gegangen, die bei ihrem dritten Durchlauf fast eine ganze Minute gebraucht hatten.
Wer in der Wartezeit Hunger bekam, wurde an mehreren Orten bedient. Gekühlte Getränke aus dem fairen Handel gab es beim Weltladen hinter dem Zielplatz. Bratwürste nach Thüringer Art und Kartoffelbratwürste erwarteten Gäste bei der Altstadtmetzgerei. Frische Waffeln gab es beim Tageselternverein Mobilé. Brötchen mit Käse, Salami oder Schaumküsse bot der Kunstgriff selbst in der Nähe der Bühne an. Und wer bei der sommerlichen Temperaturen doch lieber ein Eis essen wollte, konnte sich ein veganes Eis am Marktplatz holen.
Am Ende legte Tjark Saalbach beim Kinderrennen die schnellste Gesamtzeit hin und holte den Sieg. Auf dem zweiten Platz war die Mannschaft „The Boostbusters“ vom Kinderland St.Ursula: Ferdinand Müller, Hannah Kukuruzovic und Maximilian Kröger. Der dritte Platz ging an Jana Flisar, die mit dem „Soapbox of Death“ im Kinderrennen unterwegs war.
Bei den Erwachsenen holte Michael Koster mit seiner Mannschaft „Soapboxgarage“ den dritten Platz, aber es waren die Jugendlichen von der Hochtaunusschule mit ihrer Mannschaft „NoWiss“, die sowohl Platz zwei als auch Platz eins belegt haben. Sie versammelten sich auf der Treppe für den zweiten Platz und überließen den Platz auf dem Siegerpodest ihrem Lehrer. Die vielen Stunden in der Schule zwischen Abschlussprüfungen und Sommerferien haben sich also gelohnt.