Oberursel (aks). Ein lauschiger Sommerabend im August mit Klappstühlen im Rushmoor Park – sehr viel entspannter kann ein Tag im August nicht zu Ende gehen. Vor einer Trapez-Konstruktion laufen Kinder fröhlich hin und her, und die Erwachsenen erwarten voller Vorfreude bei einem kühlen Getränk eine Akrobatik-Show mit Musik, die durch Einfachheit und technische Virtuosität besticht. Fast fühlt man sich an historische Zeiten erinnert, als bunt gekleidete Gaukler von Ort zu Ort zogen, um auf Marktplätzen mit einfachsten Mitteln die Menschen zu unterhalten. „Entre-Pinces“ ist die erste Kreation von „Solfasirc“, die seit zehn Jahren in Spanien und Frankreich die Menschen mit Musik und Zirkusakrobatik bestens unterhalten.
Die französische Moderatorin der Profi-Akrobaten-Truppe aus den französischen Alpen kündigt in gutem Deutsch die zwei Künstler Biël und Angelina an, aber die sind nirgends zu sehen. Dann irgendwo aus dem Hintergrund eilt Biël, „der Spanier“, mit einem hastig übergeworfenen Bademantel herbei und strahlt mit seinen blitzblauen Augen die zahlreichen Menschen an, die ihn sehnlich erwarten. Aber allein und ohne Musik kann er nicht auftreten. Ob denn jemand im Publikum Klavier spielen könne „tocar el piano?“, am liebsten klassische Musik, da meldet sich widerstrebend eine dunkelhaarige Dame, die er nolens volens auf die „Bühne“ zerrt. Sie entpuppt sich als Angelina, die sich eher widerspenstig von ihrem Kompagnon zwei rote Blumen ins schwarze Haar stecken lässt.
Sie beginnt auf dem Keyboard zu spielen, sehr virtuos, voller Rhythmus, Rock’n’Roll und Jazz, Musik, die das Publikum mitreißt. „Stop“, ruft der junge Mann, immer noch im Bademantel, er wünscht sich klassische Musik für seinen Auftritt und wedelt mit Notenblättern von Debussy und Mozart, schwärmt von Beethoven und Vivaldi. Doch die Dame am Klavier verneint und spielt voller Lust die Titelmelodie aus dem „Clou“. Da ist der Akrobat schon auf dem Seil und beginnt hastig, sich anzuziehen, vom Hemd über die Hose bis zu den Socken, meistens auf einem Bein schaukelnd. Er bemüht sich um Eleganz und Haltung zu Beethovens „schönen Götterfunken“ und Mozarts „kleiner Nachtmusik“. Inzwischen jongliert Biël mit fünf Kegeln auf dem Seil und begleitet kurz darauf auf dem Boden seine musikalische Ko-Artistin mit Bällen, die er tongenau zu Mozart auf eine Art Klangteppich wirft. Er schafft es, auch mit vier Bällen im Mund und weit aufgerissenen Augen noch zu kommunizieren und viele herzhafte Lacher sind zu hören.
Seine Akrobatik am roten Tuch ist ebenso beeindruckend wie auf dem Giraffen-Einrad, das jedes Mal den Zuschauern in der ersten Reihe gefährlich nahe kommt. Dazwischen bettelt er bei der Pianistin um seine geliebte klassische Musik und fuchtelt mit Notenblättern vor ihr, die sie angeblich nicht lesen kann. Wo denn der Strawinsky sei, den müsse sie unbedingt spielen. Sie weigert sich, der laute Dialog artet bald in einen handfesten Streit aus. Da entdeckt er das Notenblatt ganz oben am Trapez. Mithilfe einer weiteren Artistin und ihres Sohns wird die wertvolle Komposition von ganz oben nach ganz unten gebracht, doch die energische Angelina hat einfach keine Lust auf instrumentale Notenakrobatik und spielt sorglos weiter ihre Lieblingshits. Biël ergibt sich ihrer Spielfreude und bedankt sich nach der einstündigen Performance gemeinsam mit Angelina über den herzlichen Applaus mitten im Rushmoor-Park.
!Weitere Höhepunkte des Orscheler Sommers sind das Afrika-Festival im Rushmoor-Park am Samstag, 24. und Sonntag, 25. August, sowie am Samstag, 31. August, das Seifenkistenrennen in der Strackgasse.