Oberursel (ach). „Das Haushaltsjahr 2023 war äußerst schwierig, 2024 ist nicht leichter“, stellt Stadtkämmerer Jens Uhlig zu seinem zweiten Haushaltsentwurf fest, den er am Donnerstag voriger Woche im Stadtparlament eingebracht hat. Immerhin sähen die Zahlen etwas besser aus als in der Vergangenheit, doch in den kommenden Jahren habe die Stadt noch einige Hausaufgaben zu machen. Im hauptamtlichen Magistrat habe er zusammen mit Bürgermeisterin Antje Runge und Erstem Stadtrat Christof Fink intensiv beraten, wie der Haushalt in Balance zu bringen sei, „das ist uns gut gelungen“, findet der Kämmerer. Die gute Nachricht: Die Hebesätze von 450 Prozentpunkten für die Grundsteuer A, 947 für die Grundsteuer B und 410 für die Gewerbesteuer bleiben – wenn auch zum Teil auf bundesweit höchstem Niveau - konstant.
In Zahlen: Im ordentlichen Ergebnis ergibt sich nach den Berechnungen des Kämmerers bei Einnahmen von 141,3 Millionen Euro und Ausgaben von 146 Millionen Euro ein Minus von 4,7 Millionen Euro, in der Investitionstätigkeit erwartet Uhlig bei Einnahmen von 1,6 Millionen Euro und Ausgaben von 16,4 Millionen Euro ein Defizit von 14,8 Millionen Euro, die zum Großteil über Kredite finanziert werden. Die Pro-Kopf-Verschuldung sinkt dennoch leicht von 1060 auf 1051 Euro, während sie im Hessen-Durchschnitt von 1060 auf 1159 Euro ansteigt.
Deutlich um 3,1 Millionen Euro soll im kommenden Jahr der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer auf 45,4 Millionen Euro steigen. Dieser Posten bleibt damit die wichtigste Einnahmequelle der Stadt. An Platz zwei steht die Gewerbesteuer mit 41 Millionen Euro, ein Zuwachs um 1,3 Millionen Euro. Nach der umstrittenen Anhebung des Hebesatzes Anfang 2023 beschert die Grundsteuer B der Stadt mit 19,8 Millionen Euro den drittgrößten Anteil ihrer Einnahmen. Auf Platz vier stehen die Schlüsselzuweisungen des Landes mit 10.7 Millionen Euro, satten 2,7 Millionen Euro mehr als 2023. Damit erhält Oberursel erneut Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich, währed die Stadt lange Zeit einzahlen musste. „Das Land hat erkannt, dass unsere Finanzlage nicht gut ist“, sagt Uhlig. Denn knapp die Hälfte der städtischen Einnahmen sind ein Durchlaufposten. Insgesamt 46 Prozent dessen, was auf das Konto der Stadt fließt, muss in Form von Umlagen direkt an den Hochtaunuskreis, das Land und den Bund weitergeleitet werden. 35,6 Millionen Euro Kreisumlage und 17 Millionen Euro Schulumlage sind allein an den Hochtaunuskreis abzuführen. Ein kontinuierlich steigender Ausgabeposten sind die Dienstbezüge der Arbeitnehmer, die sich im kommenden Jahr auf 19,7 Millionen Euro belaufen werden, eine Zunahme gegenüber 2023 nicht zuletzt auch aufgrund der Tarifabschlüsse um 1,5 Millionen Euro.
Von den Investitionskosten in Höhe von 16,4 Millionen Euro fließen fast 90 Prozent in vier Schwerpunktbereiche. Für den Brand- und Zivilschutz sind 1,2 Millionen Euro vorgesehen, hauptsächlich für Fahrzeuge der Feuerwehr. Der Bereich Kinder, Jugend und Familienhilfe ist der größte Posten, obwohl eine Million Euro für die Dachsanierung des Horts von St. Ursula bereits auf das laufende Jahr vorgezogen wurde. 6,6 Millionen Euro sind 2024 für Tageseinrichtungen für Kinder vorgesehen, weitere 5,4 Millionen Euro als Investitionskostenzuschuss für den Neubau der Kita St. Hedwig. 20 Prozent der Kosten trägt die Kirche, da das Haus auch für Aktivitäten der Gemeinde vorgesehen ist. Im Bereich Bauen und Wohnen sind 3,9 Millionen Euro für Umlegungsverfahren und Grundstücksankäufe in den Haushalt eingestellt. Im Sektor Verkehr stehen für den Endausbau der Straße Hammergarten 800 000 Euro zu Verfügung, für die Erneuerung der Ampel an der Kreuzung Frankfurter Landstraße/Zimmersmühlenweg eine Million Euro und für die weitere Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED 861 000 Euro.
Obwohl sich die nominelle Einnahmensituation der Stadt nach der Coronadelle zwischen 2020 und 2022 recht positiv entwickle, stehe der Stadt inflationsbedingt real weniger Geld zur Verfügung, analysiert der Kämmerer. Die reale Nettosteuerkraft liege im nächsten Jahr 6,1 Millionen Euro unter der des Jahres 2019. Hinzu komme eine deutliche Kostensteigerung in der Kinderbetreuung während der vergangenen Jahre, die praktisch komplett über die Steuern finanziert werde, während die Elternbeiträge für die städtischen Kitas und die Landesmittel fast konstant blieben. Mit 20 000 Euro aus Steuermitteln werde jeder U3-Betreuungsplatz unterstützt, so Uhlig. Das könne sich die Stadt auf Dauer nicht leisten. Bei mittlerweile 24 Millionen Euro, die jährlich in die Kinderbetreuung fließen, blieben immer weniger Mittel für andere Aufgaben der Stadt. Deshalb müssten die Kita-Gebühren im nächsten Jahr erhöht werden, und das Land müsse sich deutlich spürbarer als bisher – Ziel sei ein Anteil von einem Drittel – an den Kinderbetreuungskosten beteiligen. Für 2026 erwartet Erster Stadtrat und Sozialdezernent Christof Fink einen kleinen Knick nach unten, wenn der Rechtsanspruch auf Betreuung in der Grundschule in Kraft tritt. „Die Betreuung wird nicht mehr sein wie heute“, sagt Fink, wenn sie schwerpunktmäßig von den Grundschulen übernommen wird. Zeiten und Elternbeiträge würden sich verändern. In der Grundschule am Eichwäldchen als Vorreiter liefen bereits Gespräche zwischen der Schule, dem Kreis als Schulträger, den Eltern und der Stadt.
Übereinstimmend stellen der Kämmerer und die Bürgermeisterin fest: „Wir stoßen an Grenzen!“ Uhlig denkt dabei etwa an die Kreisumlage, die eine der höchsten bundesweit ist, und mit Blick auf die Bürger an die Grundsteuer B. Er fordert das Land auf, mehr Mittel im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs zur Verfügung zu stellen. Damit trifft er sich mit den „Grenzen“, die Runge vor allem für den Handlungsrahmen sieht, welcher der Stadt bleibt. Wichtig sei es, bei allen Entscheidungen langfristig zu planen, keine Einschnitte in funktionierende Strukturen vorzunehmen und alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Dazu sollen neue Einnahmequellen aufgetan werden. Als erster Tourismus-Ort im Hochtaunuskreis habe Oberursel die Möglichkeit, Tourismus-Beiträge nicht nur für die Übernachtung von Urlaubsgästen, sondern auch von Geschäftsreisenden zu erheben. Bei zwei Euro pro Nacht könnten 320 000 Euro zusätzlich in den Stadtsäckel fließen. Darüber sei mit dem Dehoga zu sprechen.
Essentiell sei eine Steigerung der Gewerbesteuer. Mit der angekündigten Ansiedlung des Verbands der Elektrotechnik in Oberursel sei der Standort für weitere Betriebe und Gründer aus Technik und Innovation interessant geworden, wie Anfragen belegten. Um darüber hinaus den direkten Zugang zu ansiedlungswilligen Unternehmen zu erhalten, ist die Stadt gegen einen Beitrag von 20 000 Euro pro Jahr direkt Mitglied in der Frankfurt-Rhein-Main-Marketing GmbH geworden, in der sie bisher nur über den Hochtaunuskreis vertreten war. Fördermittel für die Entwicklung der Innenstadt sollen ausgeschöpft werden. Dabei gehe es um die Belebung und um die Erhöhung der Kaufkraft durch neue Geschäfte. Dies sei in enger Verzahnung mit dem Stadtentwicklungsplan mit Schwerpunkt Innenstadt und Rathausareal zu sehen. „Dazu brauchen wir im nächsten Jahr eine Entscheidung. Das Rathaus bröckelt“, sagt die Bürgermeisterin. Dennoch stünden werder 2024 Mittel für eine Rathaus-Lösung – Sanierung oder Neubau – zur Verfügung, noch gebe es eine mittelfristige Finanzplanung, kritisiert der Kämmerer. Dabei habe die Stadt schon viel Geld für Prüfungen und Gutachten ausgegeben und sei nun gezwungen, in den Brandschutz im B-Gebäude, das keinesfalls erhalten bleiben soll, zu investieren.
Uhlig fordert das Land auf, den Kommunen mehr Geld direkt ohne Zweckbindung durch Förderprogramme zur Verfügung zu stellen. „Wir Kommunalpolitiker wissen, was gut ist für unsere Stadt und haben derzeit nicht genug Geld zur Verfügung für unsere Basisaufgaben.“ Warum in Oberursel kaum noch von kommunaler Selbstverwaltung gesprochen werden könne, liege auch daran, dass es auch bei Erreichen von 50 000 Einwohnern keine Aussicht gebe, Sonderstatusstadt zu werden. Obwohl Oberursel Aufgaben erfülle, die typisch sind für Sonderstatusstädte, etwa eigene Bauaufsicht, Untere Denkmalschutzbehörde, vorbeugender Brandschutz, ÖPNV mit 1,6 Milionen Euro jährlich für die U-Bahn.
!Zum Thema Haushalt lädt Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler für Dienstag, 30. Januar 2024, um 19 Uhr zu einer Bürgerversammlung in den großen Saal des Rathauses ein. Nachdem der Haupt-, Finanz- und Digtalisierungsausschuss in Ganztagssitzungen über das Zahlenwerk beraten hat, soll der Haushalt 2024 voraussichtlich am Donnerstag, 21. März, ab 19.30 Uhr in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden.