Statt Fliegerbombe eine Eisbombe in Orschel

Bei ihrer Ankunft werden die Senioren von den Gastgebern des Traute-und-Hans-Matthöfer-Hauses willkommen geheißen. Fotos: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Oberursel. Die Nachricht wurde mit Erleichterung aufgenommen. Gegen 16 Uhr machte am Sonntag im Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus die Kunde die Runde, wonach die Bombe aus dem Frankfurter Ostend soeben entschärft worden war. Nunmehr war für die 34 Gäste gewiss, dass sie am Abend mit ihren Betreuern in ihre gewohnte Umgebung im August-Stunz-Zentrum zurückkehren konnten.

Die Senioren hatten ihre Heimstatt zusammen mit rund 16 500 weiteren Frankfurtern aus Sicherheitsgründen verlassen müssen. Nachdem bei Bauarbeiten in der Nähe der Europäischen Zentralbank eine 500-Kilo-Splitterbombe mit verformten Zünder aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden war, die am Sonntag Experten entschärften, wurde das Umfeld im Umkreis von einem Kilometer evakuiert. Die Senioren wurden in das Oberurseler Partnerhaus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) gefahren und dort prima betreut. Um 12 Uhr mittags parkten acht Spezialbusse für den Behindertentransport vor der imposanten Fassade in der Kronberger Straße 5. Feuerwehrsanitäter und Malteser senkten die Hebebühnen für die Rollstühle ab und rollten die alten Herrschaften in das Tagesdomizil. Für das örtliche Leitungsteam stand die „Solidarität“ mit dem Frankfurter Awo-Haus außer Frage. Christiane Rink und Leyla Saglam empfingen die Besucher nicht nur mit einem Willkommensschild, sondern verteilten sogleich Streicheleinheiten. „Wir sind sehr herzlich aufgenommen worden,“ lobte Nicole Weinzierl vom Sozialdienst des Stunz-Zentrums die Kollegen aus der Brunnenstadt.

Quiz und Fernsehgarten

Die Vorbereitung auf den „Ausflug“ in den Taunus hatte in dem Haus am Röderbergweg, oberhalb des Frankfurter Ostparks bereits um 4 Uhr morgens mit dem Waschen der Bewohner begonnen. Als der Transfer der überwiegend im Rollstuhl sitzenden Senioren gegen 8 Uhr begann, wartete bei „Matthöfers“ eine halbe Hundertschaft auf die Frankfurter. Normalerweise kommt die Einrichtung am Sonntag mit halb so vielen Mitarbeitern aus. Es dauerte nicht lange, bis eine Betreuerin vor dem Aquarium im Foyer die ersten Quizfragen stellte und im TV-Raum der Fernsehgarten vom Mainzer Lerchesberg zu sehen war. Beim Mittagessen schmeckte der Krustenbraten mit Gurken und Rote Beete als Beilage – später wurde der Erdbeerkuchen über den grünen Klee gepriesen.

Für die Mittagsruhe hatten die Gastgeber ein Dutzend Betten im kühlen Keller platziert. Dort stapelten sich auch die Kartons mit den Medikamenten, über deren Dosierung der Pflegedienst Bescheid wusste. Für die Dokumentation am „Ausflugsort“ standen sechs hauseigene Computer zur Verfügung. Betreuer hatten sich auf Bewegungstherapie mit Schwungtuch vorbereitet und sogar für einen Ausflug in die nahe Oberurseler Altstadt präpariert.

Doch Terrasse und Garten des weitläufigen Areals mit Goldfischteich und Park-Ambiente erwiesen sich als unschlagbar, zumal die Musik aus den 60er-Jahren, die ein mit Spenden finanzierter Disjockey auswählte, per Lautsprecher nach draußen übertragen wurde. Strohhüte und Kappen waren verteilt, die Sonnenschirme aufgespannt worden. Auf großformatigen Spielfeldern wurde um den Sieg gewürfelt. Den Höhepunkt erreichte die Gartenparty, als am Nachmittag ein blauer Eiswagen eintraf und die gutgelaunte Hofgemeinschaft an die Kindheit erinnerte, eine Zeit, in der der Eismann regelmäßig vorbeikam.

„Engagierte Kollegen“

Das Schlecken von Fruchteis mit Sahne zum Nulltarif war Sabine Kunz zu verdanken, die auf diese Weise einen Zusammenhang zwischen „Bombe und Eisbombe“ herstellte und mit der Altenhilfe der Frankfurter Rundschau auch einen Geldgeber fand. Die Leiterin des Stunz-Zentrums, das 209 Betten beherbergt und damit das Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus um 66 übertrifft, freute sich über das Engagement der Kollegen. Sie habe den Bewohnern an diesem Sonntag eine „schöne Zeit“ versprochen, und die hätten sie offenkundig auch gehabt. Diese Meinung teilte auch Panagiotis Triantafillidis, der sich als stellvertretender Vorstandsvorsitzender des 100 Jahre alten Awo-Kreisverbands Frankfurt ein Bild von der Nachbarschaftshilfe im Taunus machte.

In der Vorbereitung auf den Besuch hatte ein halbes Dutzend Familienangehöriger Kuchenspenden offeriert. Christiane Rink benötigte diesmal keine, verwies aber auf den 25. August, wenn beim Sommerfest 45 Jahre Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus gefeiert werden und Gebackenes willkommen ist.

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