Stolze Brückenbauer werkeln vier Tage im Rushmoor-Park

„Kommt ein anderer dazu, baut ’ne Brücke im Nu übern Urselbach, denn da wollen wir ziehen“, heißt es in dem vom Team umgeschriebenen Brückenlied, das den Zug über die Gewässer des Rushmoor-Parks begleitet. Foto: lm

Oberursel (lm). Die Trauminseln von Marta und Franek bestehen aus See, Bäumen, Häusern und natürlich dem Wichtigsten: einer Brücke, die all das verbindet. Denn genau darum drehte sich alles in der Werkstatt „Kinder bauen Brücken“ hinter der Christuskirche. „Und am Ende gibt es sogar eine Preisverleihung. Auch wenn es natürlich nicht darum geht, zu gewinnen, sondern Brücken zu bauen“, erzählt Marta.

Im Rahmen des Orscheler Sommers errichteten die Kunstpädagogin Regina Clauß, die Tanztherapeutin Claudia Bady und der Landschaftsgärtner Robert Kommraus im Rushmoor-Park ein idyllisches Bastlerparadies. Sie ermöglichten vielen Kindern, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen, wie Claudia Bady es formulierte. Das kam gut an. Brigitte Schutzmann, die ihre Enkelkinder zu diesem Event begleitete, stimmte zu: „Auch als Oldtimer hat man hier ganz viel Spaß und kann sein inneres Kind rauslassen.“ Sie verspüre viel Dankbarkeit dafür, dass eine so nette Atmosphäre geschaffen wurde, wo Jung und Alt zusammen etwas schaffen.

Während eines der Kinder stolz berichtet, wie es eine halbe Stunde lang fleißig Bretter am Grundgerüst der Brücke befestigte, erzählt ein anderes, dass es mal hier und mal dort war. Und dafür gab es genug Auswahl. Auf dem Weiher ruderte ein Kanu, nebenan wurden Bretter für die Brücke bemalt, die Festland und Insel verbindet, und für diese Brücke wurden Statisten gebastelt, die ganz unterschiedliche Charaktere darstellten: den Schüchternen, den Mutigen, verschiedene Kulturen, Jung und Alt. Außerdem gab es eine Werkstatt für Trauminseln und Fantasielandschaften, Armin Thiemeier konstruiert eine Brücke über den Urselbach, und es entstand sogar ein kleiner Wasserfall mit Pumpe. Auf den Liegestühlen mit Blick auf den Bach konnte man eine kurze Entspannungspause einlegen während es im Hintergrund plätscherte, hämmerte und sägte. Zwar konnten die Kinder lernen, was eine Balken-, Hänge-, Bogen-, und Schrägseilbrücke ist, doch was dann in der Werkstatt für Trauminseln entstand, ist einzigartig: ein pinker Glitzersee, bunte Federn, Fahnen, die im Wind wehen, und angelnde Figuren aus Holz.

„Die Grundidee“, erzählt Regina Clauß, „entstand durch das Friedensfest, bei dem unterschiedlichste Nationen aufeinandertrafen“. Der Vorbereitungsgruppe fiel die erschwerte Kommunikation während der Coronapandemie auf, in der so vieles nur über Augen mitgeteilt wurde. Nun wollten sie ein Zeichen setzen: Über Brücken tritt man in Kontakt. Aus dem Fremden entsteht Innigkeit. Insbesondere während der Kriegssituation in der Ukraine fanden sie diese Botschaft, aufeinander zuzugehen, wichtig. „Zusammen zu bauen und zu basteln, das macht nicht nur jedem Spaß, sondern bringt die Menschen auch zusammen“, fuhr sie fort. Im Rushmoor-Park konnte jeder mitarbeiten. Die Herkunft war egal, es ging nur darum, zusammen kreativ zu werden.

Besonders dankbar ist Clauß den vielen Helfern. Ingenieure, Psychotherapeuten, Lehrer und Architekten brachten ihre Zeit und Ideen in die Werkstatt des Vereins „Kunstgriff“ ein. Alles ehrenamtlich. „Insbesondere nach dem großen Ansturm direkt am ersten Tag des Projekts, als etwa 60 Teilnehmer mitbauten, spürte man den großen Zusammenhalt im Team. Nach einem Rundruf per E-Mail suchten alle nach noch mehr verwertbaren Materialen aus der Natur, aus dem Bastelkeller oder vom Dachboden für die nächsten Tage.“ Auch darum ging es den Veranstaltern: Nicht alles direkt wegschmeißen, sondern Spaß daran haben, aus alten Sachen Neues zu schaffen. „Vermeintliche Reste wie Drähte, Äste, Blätter und Muscheln tauchen in den Fantasielandschaften der Kinder wieder auf und fanden eine neue Verwendung“, erzählt Clauß. Genau das schaffe Achtsamkeit für den Wert vieler Materialien. Dank zollte sie auch zahlreichen Einzelhändlern, die Kaffeefilter, Pappkartons und vieles mehr spendeten.

Nicht nur die Materialen stellte der „Kunstgriff“ bereit. Wie sägt man eigentlich richtig? Und wie rührt man Farbe an? Auch handwerkliche Grundlagen wurden den Kindern nähergebracht. Clauß bedauert die Reduzierung des Kunstunterrichts an Schulen. „Feinmotorik, Haptik und ein Gefühl für verschiedene Materialien, das brauchen wir doch so oft im Leben“, findet sie. Vor allem aber sei es ihr wichtig, dass die Kinder das Gefühl von Stolz erleben, wenn sie etwas geschafft haben und sich trotz Schwierigkeiten, Anstrengung und Ausdauer beweisen konnten. „Und wenn man weiß, wie etwas gebaut ist und wieviel Arbeit drinsteckt, dann geht man auch automatisch verantwortungsvoller mit den Dingen um“, ergänzt sie. Diese Selbstwirksamkeit des exemplarischen Lernens liege ihr besonders am Herzen. Und das Schönste sei, vorher nicht zu wissen, was später bei rauskommt.

Am letzten Tag schlug der Gong, und Regina Clauß erklärte, wie es weitergeht. Bevor sich jeder eine Figur schnappte, der Gitarrist Werner ein Lied anstimmte, alle in einer Karawane über die selbstgebauten Brücken zogen und anschließend gemeinsam Kartoffelsalat und Würstchen genossen, musste natürlich aufgeräumt werden. „Immer, wenn wir die Werkstatt verlassen, hinterlassen wir sie so, wie sie davor war.“ Jeder durfte seine Trauminsel beim „Kunstgriff“ abholen, und jeder Teilnehmer erhielt seine eigene Urkunde als Andenken an die aufregenden vier Tage in der Werkstatt „Kinder bauen Brücken“. 

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