Oberursel (ow). Vor ausverkauften Reihen feierten die Ex-Pfarrer, Theologen und Vollblut-Musiker Martin Schultheiß und Fabian Vogt als „Duo Camillo“ im Kulturcafé Windrose das Leben und den Glauben. Dirk Müller-Kästner vom Verein „Kunstgriff“ hatte mal wieder intuitiv die Richtigen für diesen Sonntag ausgewählt: Zwei ehemalige Seelenhirten, die sich nicht nur mit der Kirche und ihren Gemeinden auskennen, sondern die sich dort mehr Veränderung und mehr Miteinander wünschen: „Liebling, ich habe die Kirche geschrumpft“ lautete diesmal das Thema, das auch Zweifler und Kritiker ansprach.
Niemand hatte eine Totenmesse erwartet, aber dass die Stimmung so brüllend komisch wurde, das war erheiternd und herzerwärmend. Das Duo, das seit 34 Jahren nicht nur fromme Christen unterhält, sondern auch manch „Ungläubigen“ inspiriert und neuen Mut schenkt, gab richtig Gas mit bestem Piano-Jazz, mit Gitarre und Saxophon, dazu flotten Liedern im Stil von Reinhard Mey, Wolf Biermann und Konstantin Wecker, deren eingängigen Texten Fabian Vogt eine virtuose Stimme verlieh: „Hammer-Stimmung wie im Gottesdienst“, die Kabarettisten schmunzelten. Saloppe Sprüche über Gott und die Welt strapazierten die Lachmuskeln all derer, die schnell genug die Pointe verstanden, eben „die intellektuelle Speerspitze Oberursels“ – alle anderen grinsten mit Verzögerung, was der Stimmung keinen Abbruch tat, im Gegenteil.
„Ich darf glauben“, ist eine der Liedzeilen, mit denen das „Duo Camillo“ das Publikum inspirierte: Slogans von Luther, Nietzsche und andere Anekdoten aus dem Leben garnierten die Botschaften um Jesus, der alles andere als ein Vorbild war, „der weder fromm noch Christ war, aber Liebe immer wieder neu verschenkte“ – „Jesus ging sonntags nie in die Kirche… fühlte sich bei Sündern wohl und trank Wein zu seinem Brot.“ Ecce homo!
Den „Glückstag“ erreichen wir am besten so: „Einfach machen! Fühl dich frei, lass es einfach raus, nimm die Hoffnung mit“. Was für ein einfacher Tipp, der gute Laune macht! Vogt und Schultheiß plädierten auch grinsend für „Sundays for future, um den Himmel zu retten“ (statt „Fridays for future“). Im Gottesdienst sitze schon „die letzte Generation – wie festgeklebt“. Veränderungen seien nicht einfach, die meisten wollen einfach immer so weitermachen „mit dem, was nicht funktioniert“, dabei müsste die Lösung generationenübergreifend sein, „weil Menschen miteinander feiern“. „Realistisch, aber hoffnungsvoll“, das sei die Idee für Christen.
Pianist und Chorleiter Schultheiß hat jahrelang Gospel als Musik der frohen Botschaft von Jesus Christus in viele Chöre und unter die Menschen gebracht. Funkensprühend und fast schon ekstatisch treibt er das Publikum in der Windrose zum innigen Gesang und zu einem schmetternden „Hallelujah“ an. „The Lord will save our souls“, Stimmung und Raumtemperatur steigen spürbar. Die Kulturcafé-Gemeinschaft wird mit Gesang und Lachen immer quicklebendiger. So könnte Gottesdienst funktionieren: Es fühlt sich an wie eine Party, auf der alle willkommen und fröhlich sind – und ein Hauch von Liebe schwebt im Raum. „Die Zukunft ist ein Fest und sie wird gut, weil Gott uns liebt, vertrauen wir…“ Der Glaube ist dem „Duo Camillo“ ein Herzensanliegen: „Ich habe keine Beweise, oft nur ganz leise, doch verändert es für mich die ganze Welt. Ich darf glauben… und ich weiß, ich werde unendlich lieben.“
Kurz vor dem Siedepunkt ist dann Schluss, und die Menschen treten an diesem Totensonntag nicht traurig, sondern voller Zuversicht und mit erfüllten Herzen den Heimweg an.