Trompetentöne an der Uhlandsruhe

„Die linden Lüfte sind erwacht“, diesen schönen Titel haben Markus Bebek und Lydia Blum ihrem Konzert für Trompete und Violoncello passend zum Spielort an der Uhlandsruhe gegeben. Der Text stammt von Ludwig Uhland, dem die Hütte einst gewidmet wurde. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Das selbsternannte „Tor zum Taunus“ öffnet sich, die „Stadt im Grünen“ lädt ein zu Kultur und Sport und zu freier Entfaltung in freier Natur. Die Premiere von „Waldzeit“ mit Trompete und Poesie, Meditation, Lamas und Druidensuche, Waldbaden und Kunstbetrachtung zwischen Baum und Gesträuch hat Lust auf mehr gemacht. Der Kultur- und Sportförderverein Oberursel (KSfO) als Veranstalter verspricht Wiederholungstaten mit wechselndem Programm zu anderen Jahreszeiten.

Frühaufsteher, vielleicht auch Spätzubettgeher, genießen den Sonnenaufgang am Sonntag auf dem Altkönig. Um 2 Uhr in der Nacht sind sie an der Hohemark aufgebrochen, um rechtzeitig zum Höhepunkt der „Waldzeit“ ganz oben knapp 800 Meter über Meereshöhe zu sein. Dort, wo einst die Kelten lebten und der Moment, da sich Tag und Nacht begegnen, immer ganz besonders ist. In Stille, nur noch erfüllt von den Geräuschen der Natur, zeitlos unterwegs. So leise sie durch die Taunus- Nachtwelt gekommen sind, so leise verziehen sie sich wieder in den Wald, wenn die anderen im Frühtau zu Berge und zu den Bäumen kommen. Zum Waldbaden, zu stillen meditativen Übungen, um ihre Malkunst im flirrenden Sommermorgenlicht zwischen Stämmen, Geäst und Blättern zu zeigen wie die Künstlergemeinschaft „Prismo“, zum Lama Trekking oder für kleine Reisen durch die Welt der Kräuter oder Bäche.

Musik von Trompete und Violoncello, gespielt von Markus Bebek und Lydia Blum, erklingt am frühen Abend von der Uhlandsruhe weit hinab ins Tal, wo die linden Lüfte bereits erwacht sind, am Sonntagmittag am belebten Franzoseneck spielen zwei Streicher, Beatrice und Basile Orth, gegen Vogelgezwitscher und Autogeräusche von der nahen Straße an. Wer es hart, trocken und bodenständig braucht, also Fakten, Zahlen und nackte Wahrheiten, kann sich von Revierförster Luis Kriszeleit beim Gang durch den Stadtforst über die trockenen Tatsachen zum Thema „Wald im Klimawandel“ informieren lassen.

„Waldzeit“, ein sportlich-kulturelles Kind der Corona-Pandemie, bietet ein neues Format für Veranstaltungen im Freien in der natürlichen Umgebung. Auf alte Eigenwerbung hat sich der Kultur- und Sportförderverein (KSfO) dabei besonnen, sich Partner aus Sport und Kultur, den Naturpark Taunus und Krankenkassen ins Boot geholt, um die Menschen in der Stadt „mehr für die Natur und deren Schönheit zu begeistern“, so KSfO-Geschäftsführer Udo Keidel-George. Die Premiere am Wochenende mit Veranstaltungen von Freitag bis Sonntag war ein Erfolg, da gab es keine zwei Meinungen. Nahezu alle Angebote, die bei begrenzter Teilnehmerzahl vorab gebucht werden mussten, waren früh ausverkauft. „Pilates auf der Heide hätten wir dreimal anbieten können“, so Bea Steinfort-Krailing vom Organisationsteam.

Die Stierstadter Heide bot an der Grenze zwischen Wald und Heidelandschaft auch den passenden Raum für das Legen von Naturmandalas. Kunstwerke ohne Haltbarkeitsdatum, Zeugnisse spontaner Kreativität. Das Material, Äste, Blätter, Steine, Rinde, Blüten, alles frei verfügbar, wie es gerade gefällt. Die Natur wird sich zurückholen, was sie davon recyclen will, keiner nimmt sein „Bild“ mit nach Hause. Ist das nicht schade, gerade für die Kinder, die am großen Gesamtkunstwerk mitwirken? „Sehr entspannt, keine Sorge“, antwortet July Liao, Mutter des kleinen David, lächelnd auf die Frage. Das alles hier ist die Kunst, das Leben mit der Natur im Grenzgebiet zur Stadt. Ein entspannter Job für Naturparkführerin Nicole Drüschler als Betreuerin der Gruppe.

„Waldzeit“ ist auch ein bisschen Bildungsurlaub zwischen Bäumen und am Wegesrand. Als „Stundenplan“ ist das Programm betitelt, von den Naturmandalas bis zu einer Wanderung auf den Spuren der Druiden und der heiligen Bäume der Kelten reicht die Bandbreite, Veranstaltungen speziell für Kinder inbegriffen. Ein „waldiges Du“ untereinander erwartet Mental- und Gesundheitstrainerin Michaela Dalchow beim gemeinsamen „Waldbaden“ am späten Vormittag. Sofern Sprache überhaupt nötig ist beim tiefen Eintauchen in die Natur, um sich dort in Achtsamkeit und Sinneswahrnehmung zu üben, „ziellos, absichtslos, planlos unterwegs“, so Dalchow. Stress reduzieren, Wohlbefinden steigern, Seele beruhigen, mit Waldbaden Körper und Geist steigern. Sitzkissen für Badepausen unterwegs gibt es beim Abmarsch vor dem Taunus-Informationszentrum. Dalchows Kollegin Manuela Nehls, die am Tag zuvor die Mandala-Gruppe als Teilnehmerin besucht, nennt das Waldbaden nach der japanischen Lehre des Shinrin Yoku „absichtsloses Verweilen“ im Wald, völlig entspannt im Hier und Jetzt. Also ganz anders als die Mountainbiker, die plötzlich mit viel Gedöns durch die Gruppe der schweigenden Wandler prescht.

Der Mensch braucht Zeit im Wald, der Wald braucht Zeit, die ihm der Mensch wieder geben muss. Viele leere Flächen, große leere Flächen hat die „Borkenkäfer-Kalamität“ im Taunus zurückgelassen, wie die Förster sagen. Schäden an über 60 Prozent der Waldfläche, böse sieht das an vielen Stellen aus. Aber es gibt auch Hoffnung. Über den Wald im Klimawandel kann Luis Kriszeleit viel erzählen, der Stadtwald-Förster aber redet jenseits von absichtslosem Verweilen im Wald vor allem von dessen Zukunft, die er jetzt gestalten muss. Auch wenn der „Mensch meist ungeduldig ist“ und ohnehin das „Hauptproblem“ im Wald sei. Stichwort natürliche Wiederaufforstung. Jetzt werde hier nur der „Grundstein gelegt“, die Ernte werde erst in Jahrzehnten eingefahren. Etwa auf den 25 Hektar im tiefgelegenen Stadtwald oberhalb des Maasgrundes, wo der natürliche Nachwuchs inzwischen wieder mächtig grünt und der Förster erst später „korrigierend einwirken“ wird. Viele junge Esskastanien wachsen da, Adlerfarn und Brombeeren, Lärche und auch ein bisschen Fichte, viele Laubbäume sollen später mal den Wald der Zukunft formen. Mit Unterstützung der Forstleute. „Bis wir den Wald so haben wie wir wollen.“ Es wird zu überprüfen sein, was aus dem Wald geworden ist, bei weiteren „Waldzeiten“ mit Programm in freier Natur zu unterschiedlichen Jahreszeiten, die bereits angekündigt sind.

Weitere Artikelbilder



X