Wie viel Politik darf im Taunus-Karnevalszug sein?

Die IbO wirft symbolisch (Spiel-)Geld zum Fenster raus. Foto: gt

Oberursel (gt). Als sich die „Initiative bezahlbares Oberursel“ (IbO) spontan entschlossen hat, am Taunus-Karnevalszug teilzunehmen, sah vermutlich niemand ein Problem darin, politisch kritisch dort aufzutreten. Schließlich war die Verhöhnung der Obrigkeit einer der Ursprünge der Fassenach. Und selbst im Taunus-Karnevalszug gab es immer politische Themen, in diesem Jahr etwa von den „Lustigen Stierstädtern“, von den „Maasgrunder Entenbrüdern“ und vom Kleinen Rat des Karnevalvereins „Frohsinn“, der mit den Zauberwürfeln zum Thema Künstliche Intelligenz im Rathaus sogar den „Ohlenspiegel“ für die beste lokalpolitische Zugnummer gewonnen hat.

Mit ihren Sprüchen „Grundsteuer soll ohne Stöhnen, jeder von uns freudig löhnen!“ und „Parkautomaten sind defizitär, drum muss die alte Scheibe her!“ hat die IbO aktuelle Themen der Oberurseler Haushaltspolitik auf die Schippe genommen. Ihre starke Präsenz bei den Sitzungen der Gremien und die Bürgerversammlung hat sie auf einem Plakat so zusammengefasst: „Die IbO sitzt der Stadt im Nacken, drum heißt es kleine Brötchen backen!“

Die späte Anmeldung zum Zug hat der Vereinsring als Veranstaltung angenommen und am 29. Januar, nur 13 Tage vor dem Fastnachtssonntag, bestätigt zusammen mit der Zuweisung der Zugnummer 120. Die Zugnummer 121 hatte schon längst der Magistrat der Stadt zugewiesen bekommen. Damit sollte die IbO direkt vor dem Magistrat laufen. Und weil bei der Zugaufstellung die Gruppen in umgekehrter Reihenfolge stehen, saßen die Kritiker in der Altkönigstraße dem Magistrat im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken.

Vereinsring entscheidet

„Wir waren dankbar und froh, überhaupt teilnehmen zu dürfen“, sagte Marc Hehner von der IbO im Gespräch. Bei der Gestaltung der Plakate habe man nicht geahnt, dass man hinter dem Magistrat stehen würde. Dennoch gab es zunächst keine Probleme, als der Platz eingenommen und die Ironie der Sprüche klar wurde. „Es blieb alles freundlich, wir haben sogar Kamellen mit den Menschen auf dem Magistratswagen ausgetauscht“, so Hehner. Bis Bürgermeisterin Antje Runge erschien sei und sofort angefangen habe zu telefonieren. Zugmarschall KP. Hieronymi wurde herbeigerufen und gab der Gruppe drei Optionen: Die IbO könne die Plakate weglassen oder einen neuen Platz im Zug bekommen, sonst werde sie vom Zug ausschließen. Als Begründung führten Hieronymi und Runge laut Hehner an, dass „keine politischen Äußerungen erlaubt“ seien. Daraufhin wechselte die IbO auf die Zugnummer 110, Runge bestieg aufgrund ihrer Verletzung nicht den Magistratswagen, sondern machte sich auf den Weg zur Ehrentribüne am Marktplatz.

Eine Nachfrage der Oberurseler Woche leitete der Kultur- und Sportförderverein (KSfO), der für die Bekanntgabe der Zugpreise zuständig war, an den Vereinsring weiter. „Im Rahmen der Zugordnung entscheidet der Vereinsring als Veranstalter auch über die Teilnahme, die Aufstellung oder den Ausschluss aus dem Zug“, teilte man mit.

Vereinsring-Vorsitzender Ludwig Reuscher bezog ausführlich Stellung zu dem Vorfall: Nicht selten müssten noch im letzten Moment Umstellungen an der Zugaufstellung vorgenommen werden, „dies liegt aber in der alleinigen Verantwortung des Zugmarschalls“. Politische Themen seien kein Problem an sich: „Mit politischen Äußerungen auf Plakaten und Wagen, die fester Bestandteil von Karnevalszügen sind, haben wir Karnevalisten grundsätzlich kein Problem, wir freuen uns sogar, wenn politische Themen von Zugteilnehmern kreativ und witzig umgesetzt werden“, so Reuscher. Als Beispiel nennt er den „Kleinen Rat“.

Betrachte man die „Fußgruppe IbO“, könne man festhalten, „dass hier offensichtlich nicht ,Karneval‘ im Vordergrund stand, sondern es handelte sich um eine lokalpolitische Kundgebung. Die gleichen Plakate werden im Laufe des Jahres bei den diversen Auftritten der Gruppe am Rathausplatz herumgetragen, sehr wahrscheinlich auch in der gleichen ,Kostümierung wie beim Karnevalszug‘. Aus der Anmeldung der IbO konnten wir leider nicht entnehmen, welche Intention diese Fußgruppe verfolgen würde, jedoch wurde dies bereits bei der Aufstellung deutlich. Die Teilnehmer der IbO trugen deren Plakate provokativ um den Magistratswagen herum – so wurde uns dies auch von anderen Zugteilnehmern berichtet, die dieses Verhalten beobachtet hatten und es als grenzwertig ansahen.“ Im Klartext: Ein paar Plakate und ein Fensterrahmen allein reichen nicht aus, um am Taunus-Karnevalszug teilzunehmen.

Die Bürgermeisterin, die auch dem Vorstand des Vereinsrings angehört, „informierte den Zugmarschall über das Verhalten dieser Fußgruppe, der sich dieser Sache direkt annahm“, berichtet Reuscher und erklärt: „Das Argument von Frau Runge, dass dieses Verhalten auch während des gesamten Karnevalszuges von der IbO beibehalten wird, ist nachvollziehbar, wie auch das Argument nachvollziehbar ist, dass sicherlich einige Besucher entlang der Strecke dies als unangebracht betrachten würden.“ Die Zugteilnehmer räumlich zu trennen durch die Zuweisung einer neue Zugnummer an die IbO sei eine Kompromisslösung des Zugmarschalls gewesen, bestätigt der Vorsitzender des Vereinsrings.



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