Ein Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume

Aufmerksam lauschen die Teilnehmer bei der Baumanderung dem Waldexperten. Foto: ad

Oberursel (ad). Auf Einladung des Naturheilvereins Taunus trafen sich bei idealen Wetterbedingungen Teilnehmer zu einer dreistündigen Waldführung mit dem Waldpädagogen und Landschaftsökologen Jörg Fritz. Theoretisches Wissen über den Wald kann man sich anlesen. Nicht zu ersetzen ist jedoch eine persönliche Beziehung und direktes Erleben in Wald und Flur und das Begreifen im wörtlichen Sinne. Lernen und Verstehen wird über direkte Naturbegegnung und Sensibilisierung aller Sinne eher ermöglicht und prägt sich im Erfahrungsschatz viel besser ein. Gerade auch Kindern ist es heute oft nicht mehr vergönnt, eigene tiefgehende Naturerfahrungen zu sammeln nach dem Motto: „Nur was ich kenne, kann ich lieben, und nur was ich liebe, kann ich schützen.“

So veranschaulichte Jörg Fritz zunächst auf originelle Weise, was ein intaktes ökologisches Gleichgewicht bedeutet, und dass ein ausgeglichenes Interdependenzengeflecht in einem Ökosystem notwendig ist um das sensible Gefüge nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein Organismus ist von dem anderen Organismen abhängig. Die Stabilität von Ökosystemen kann nicht nur durch natürliche Prozesse – Naturkatastrophen wie Windbruch, Erdbeben, Schlammlawinen, Waldbrände – gestört werden, sondern wird auch durch Auswirkungen der menschlichen Tätigkeit – so auch die intensive Forstwirtschaft – beeinträchtigt. Diese Auswirkungen können so weit gehen, dass ein Ökosystem zusammenbricht. Die Folgen können dann auf andere Ökosysteme Auswirkungen haben. Deshalb sind die Erhaltung und der Schutz von Ökosystemen eine wichtige Aufgabe.

Der Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume und mehr als ein Rohstofflieferant: Er ist ein vielfältiger Lebensraum mit riesiger Schutzfunktion und Raum für Gesundheit. Dort wachsen Bäume, Sträucher und Kräuter, die in komplizierter Symbiose mit Pilzen und anderen Organismen zusammenleben. Wer hätte gedacht, dass um eine alte Buche bis zu 700 Organismenarten in gegenseitiger Abhängigkeit leben? Um eine Eiche herum sind es sogar bis zu 1000. Die Geschichte des Walds in Mitteleuropa ist durch seine Jahrtausende währende Nutzung gekennzeichnet, die sich tiefgreifend auf den Bestand und die ökologische Zusammensetzung auswirkt. Für die wachsende Bevölkerung und den Wiederaufbau der Dörfer und Städte wurde immer mehr Brenn- und Bauholz benötigt. Durch Übernutzung stand es um den Wald insbesondere gegen Ende des 17. Jahrhunderts schlecht.

Im Lauf der Zeit hat der Wald viele Wandlungen erfahren. In der vorgeschichtlichen Zeit waren es lang andauernde Klimaveränderungen, etwa Eiszeiten, die auf ihn eingewirkt haben. Je nach klimatischen Verhältnissen siedelten sich Baumarten nacheinander an. Allerdings haben nicht nur die Mächte der Natur, sondern auch die Menschen durch Viehzucht, Ackerbau und feste Siedlungen die Ausdehnung des Waldes beeinflusst. Und letztlich spielte auch die Forstwirtschaft eine große Rolle und brachte den Siegeszug der Nadelhölzer. Die Forstwirschaft handelt aufgrund sich ändernder klimatischer Gegebenheiten die Eßkastanie, die Flaumeiche, die Winterlinde, Douglasie und Weißtanne als die Hölzer der Zukunft.

Unbewirtschaftete Wälder

Wälder sind für das Klima verantwortlich. Abhängig von der Bewirtschaftungsweise steht der Wald in Wechselwirkung mit dem Klima, lokal und global, und insbesonere auch „unbewirtschaftete Wälder“ sollten für die Öffentlichkeit stärker ins Bewußtsein rücken. Naturnahe Wälder haben eine hohe Bedeutung für den weltweiten Klimaschutz und den Schutz der biologischen Vielfalt. Nicht bewirtschafteten Wälder oder auch Speicherwälder leisten einen größeren Beitrag zur langfristigen Kohlenstoffspeicherung. In „Naturwäldern“ können Bäume ihr natürliches Lebensalter erreichen und älter werden als im Wirtschaftswald. Sie sind nicht nur ökologisch wertvoller, sondern tragen durch ihre Ästhetik auch zum Wohlbefinden bei. Jeder der Teilnehmer wird den Wald nach diesem Nachmittag mit anderen Augen betrachten und hat viel mitgenommen.

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