Handwerken wie einst die Kelten und Römer

Wie wurden Axt und Meißel vor 2500 Jahren hergestellt und wie hat man damit zur Kelten- und Römerzeit gearbeitet? Die Kuratoren der Ausstellung „Hammer! Handwerken wie Kelten und Römer“, Rüdiger Schwarz (l.) und Thomas Lessig-Weller (r.) erläutern antike Fundstücke, Handwerkstechniken und Mitmach-Stationen im Römerkastell Saalburg. Foto: a.ber

Hochtaunus (a.ber). Wie kommt eigentlich das Loch ins Brett? Mancher Handwerker greift heute zur elektrischen Bohrmaschine mit Holzbohr-Aufsatz, um ein sauberes Loch ins Holz zu drehen. Muss er behutsam vorgehen, nimmt er jedoch einen sogenannten Löffelbohrer: An einem hölzernen Quergriff sitzt eine geschärfte, löffelartige Eisenspitze, die man unter Druck mit der Hand auf dem Holz dreht und so durch die Holzfasern ein rundes Loch bohrt. Schon die Kelten in der Eisenzeit (ab 800 vor Christus) kannten dieses Werkzeug – ja, sie waren die ersten Menschen, die in Mitteleuropa den Löffelbohrer benutzten. Auch bei den alten Römern kam er zum Einsatz, und wer heute einem Geigenbauer über die Schulter guckt, erkennt, wie wichtig der Löffelbohrer bei dieser Arbeit ist.

„Viele Werkzeuge und Handwerkstechniken haben sich im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert“, sagt Dr. Carsten Amrhein, Direktor des Saalburg-Museums. Der Gang durch die neue Sonderausstellung „Hammer! Handwerken wie Kelten und Römer“ ist faszinierend: Zeigt sie doch, dass der Mensch einer einmal erfundenen Handwerkstechnik und den dazugehörigen Werkzeugen treu bleibt, da sie funktional goldrichtig und universell einsetzbar sind.

Entdecken, Anfassen und Ausprobieren: Schon immer wurde handwerkliches Wissen durch praktische Anleitung erlangt, und diesem Grundsatz folgt auch die Sonderausstellung in der Fabrica des Römerkastells Saalburg. Die Kuratoren und Macher der Ausstellung, die Archäologen Thomas Lessig-Weller (Keltenwelt am Glauberg) und Rüdiger Schwarz (Saalburg), eröffneten die Schau, die die verblüffende Vielfalt des Handwerks in der frühen Geschichte des heutigen Hessens zeigt: Hier kann der Besucher, sei er Kind oder Erwachsener, an Mitmach-Stationen ausprobieren, was es mit den Gegenständen der Antike auf sich hat und wie Handwerkstechniken funktionieren. In Vitrinen sind herausragende archäologische Funde aus ganz Hessen ausgebreitet: Äxte, Scheren, Hobel, Feilen, Nadeln und Hämmer aus der Kelten- und Römerzeit – und damit angefertigte Gegenstände wie Schuhe, Schlüssel, Gürtelschnallen oder Holzschalen. Die Werkstoffe, die in der Eisenzeit und später verwendet wurden, sind heute noch geläufig: Eisen, Ton, Holz, Textil, Stein und Leder. Auch dem heutigen Betrachter eher ungewöhnlich erscheinende Materialien wie Bronze, Bein und Bernstein werden präsentiert und verdeutlichen, welche technischen Lösungen keltische und römische Handwerker ersannen. Großformatige Zeichnungen, die ein römisches Mädchen und einen keltischen Jungen bei der Arbeit darstellen, verdeutlichen die Handwerkstechniken ebenso wie zahlreiche Filme, die eigens für die Ausstellung gedreht wurden und heutige Handwerker zeigen, die die alten Techniken beherrschen: Wie wurde ein antikes Öllämpchen aus Ton hergestellt, wie ein Soldatenschuh aus Leder oder ein Schlüssel aus Hirschgeweih? „Mit unserem ‚Gehirn-Logo‘ an jeder der sieben Stationen wollen wir die großen und kleinen Besucher ins Nachdenken bringen“, sagt Museumspädagoge und Kurator Rüdiger Schwarz.

Wie funktioniert ein Webstuhl? Wie wurde überhaupt das Feuer in der antiken Werkstatt angefacht? Hier kann gestaunt und ausprobiert werden. Repliken wie der Nachbau eines großen antiken Webstuhls, einer Handmühle aus Stein oder eines keltischen Blasebalgs, aber auch die Gegenüberstellung alter Funde und neuangefertigter Werkzeuge sind reizvoll. Ein Augenschmaus für archäologisch Interessierte sind nicht nur die Modelle antiker Handwerksbetriebe, sondern auch Funde wie das in Bad Nauheim ausgegrabene extrem seltene Fragment einer keltischen Holzschale aus der vorgeschichtlichen Zeit oder die römische Werkbank, die 1901 aus einem Brunnen auf der Saalburg geborgen wurde. „Es gab damals noch keine zentrale Müllabfuhr, was der Handwerker nicht mehr brauchte, landete in Gruben und wurde verscharrt. Darunter sind Werkzeuge ebenso wie Produkte, Werkabfälle oder Halbfabrikate“, so Kelten-Fachmann Thomas Lessig-Weller. Ein Glück für die Archäologen.

Die Ausstellung „Hammer! Handwerken wie Kelten und Römer“, die bis zum 7. März 2021 auf der Saalburg in Bad Homburg, Am Römerkastell 1, täglich von 9 bis 18 Uhr besichtigt werden kann, ist eine Produktion des Römerkastells Saalburg in Kooperation mit dem anderen Standort des Archäologischen Landesmuseums Hessen, der Keltenwelt am Glauberg. Ergänzt werden die antiken und vorgeschichtlichen Funde durch Leihgaben aus dem Vortaunusmuseum Oberursel. Gefördert wird die aufwendige Schau durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Ab Frühjahr 2021 wird die Ausstellung in etwas kleinerer Form im Museum Keltenwelt am Glauberg in der Wetterau zu sehen sein. Ein Begleitheft zur Sonderausstellung kann erworben werden.

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