Was heute intim bleibt, war einst geselliges Miteinander

Für die Presse nehmen Dr. Carsten Amrhein und Peter Knierriem (2. und 3. v. l.) am großen Wandgemälde einer römischen Latrine Platz. Fotos: fch

Hochtaunus (fch). Es gibt Orte, zu denen auch ein Kaiser zu Fuß hingeht. Im Fall von Kaiser Wilhelm II. war dies im Bad Homburger Schloss ein prächtiger Frankfurter Schrank. Darin befand sich die 1911 erbaute Toilette seiner Hoheit. Sie zeichnete sich unter anderem durch eine Mahagoni-Brille und einen edlen WC-Papierhalter für lose Blätter aus, aber auch durch eine moderne Toilettenspülung mit Brauchwasser. Gespeist wurde der Spülkasten über die Dachrinne.

Intime Details wie diese, aber auch viele weitere Informationen zur Geschichte der Toilette und des Stuhlgangs zeigt die Sonderausstellung „Drauf geschissen! Eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens“ der Sächsischen Burgen und Schlösser im Römerkastell Saalburg. Wie bereits der etwas derbe Titel aus dem Mittelalter vermuten lässt, ging es auf dem „stillen Örtchen“ nicht immer so diskret zu wie bei der kaiserlichen Familie im Homburger Schloss. Weder in der Antike noch bei den Römern oder im Mittelalter war Diskretion ein Thema. Bei den Assyrern im Zweistromland gab es anatomisch geformte Klosettbrillen. Die alten Griechen hatten Klostühlchen für Kinder wie eine Rekonstruktion eines Töpfchens aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus aus Athen zeigt.

„In Römischer Zeit und in der Antike allgemein gab es sehr viele Latrinen mit 20, 30 oder mehr Sitzen“, informierte Carsten Amrhein, Museumsleiter im Römerkastell Saalburg. Dennoch war der Umgang mit Fäkalien und Hygiene bei den Römern ein wichtiges Thema. Teils wurden die Toiletten mit dem Abwasser der Kastelle gespült, verfügten über eine Rinne mit Frischwasser zur Reinigung und über Waschbecken. Somit herrschten hier relativ hohe hygienische Standards. In römischen Großstädten gab es eine fortschrittliche Infrastruktur zur Abwasserbeseitigung mit ausgeklügelten Kanalsystemen. Erreicht wurde dieser Standard in Mitteleuropa erst wieder im späten 19. Jahrhundert.

Im Eingangsbereich der Ausstellung empfängt die Besucher eine Büste von Kaiser Vespasian. Der sparsame römische Kaiser besserte die Staatskasse mit einer Urinsteuer auf. Wie damit das Sprichwort „Geld stinkt nicht“ zusammenhängt, ist in der Ausstellung nachzulesen. Wie das gesellige Miteinander aussah, können die Besucher selbst mit Hilfe eines großen Wandgemäldes einer römischen Latrine nachstellen. Sie können sich „hineinsetzen“ und ein Foto von sich auf der Gemeinschaftslatrine machen. Und dabei ganz stilecht zu einem „Arschwisch“ greifen.

Queen nutzt das erste Wasserklosett

Mit dem Christentum kam Verdauung als Gemeinschaftserlebnis auf der Massenlatrine aus der Mode. In mittelalterlichen Burgen wurde mit dem Thema Stuhlgang etwas rustikaler umgegangen. Die Haufen wurden über so genannte Scheißnasen aus dem Gebäude befördert. Im frühen Mittelalter kam eine neue Form von Keuschheit auf. Aus der öffentlich praktizierten Notdurft wurde eine einsame Angelegenheit auf dem stillen Örtchen. Das erste Wasserklosett wurde Ende des 19. Jahrhunderts für die englische Queen erfunden. Wie auch 1879 das perforierte Endlosklopapier in Form einer „Klorolle“.

Zu sehen sind in der Sonderausstellung rund 150 Exponate, die sich alle ausschließlich mit Fäkalien beschäftigen. „Wertvollstes Stück ist die Nachbildung eines bemalten Keramik-Kinderhochstuhls mit Töpfchen aus der griechischen Antike.“ Der kulturhistorische Bogen spannt sich von den Hochkulturen der Antike über Rom, Byzanz und das Mittelalter bis in unsere Tage. „Die Bandbreite, die der stille Ort thematisch einnimmt, ist groß. Es gibt Massenlatrinen, Scheißnasen, Aborte, Donnerbalken, Nachtgeschirr, Leibstühle, Fäkaliengruben, Prachtlatrinen, Wasserklosetts und die Kanalisation. Dargestellt wird die Geschichte des stillen Örtchens in der Ausstellung mit Seriosität und ohne Effekthascherei“, betont Peter Knierriem, Leiter der Sächsischen Schlösser und Burgen in Rochlitz, Gnandstein und Colditz. Von dort stammen die meisten der Exponate.

57 000 eilen zur Latrine

Seit 2012 tourt die Ausstellung durch die Lande. Sie zog bisher mehr als 57 000 Besucher in ihren Bann. Für Bad Homburg, den sechsten Ort der Ausstellung, wurde das Konzept erneuert und erweitert, wie Peter Knierriem informiert. So sind außer der Gestaltung des nicht immer stillen Örtchens selbst auch die unterschiedlichen Gebräuche in seiner Benutzung – sprich Sitzen oder Hocken – ein Thema. Auch Graffitis in Form von Wandbe-schriftungen werden thematisiert. Die Bandbreite reicht von „Secundus kackt hier“ von einer antiken Klowand in Pompeji bis zum Protest an einer Herbergswand ebenfalls in Pompeji: „Wir schifften ins Bett, ich gebe es zu, Wirt, da haben wir was falsch gemacht. Wenn Du fragst warum? Es war kein Nachttopf da.“

Gezeigt werden auch die Entstehung öffentlicher Bedürfnisanstalten im 19. Jahrhundert sowie hypermoderne Exponate aus dem exklusiven Sortiment einer japanischen Sanitärfirma. Die Sonderausstellung widmet sich dem allzu menschlichen, stets aktuellem Thema ausführlich. „Gerade die Entsorgung der Fäkalien kann ein Problem sein – damals wie heute“, sagt der Museumsleiter. Bei wachsender Weltbevölkerung „ist das in den Megastädten auch gerade in den Schwellenländern dieser Welt ein großes Thema. Auch dafür wollen wir mit der Ausstellung ein Bewusstsein schaffen“, sagen die Ausstellungsmacher.

Zusätzliche Informationen:

!Die Sonderausstellung „Drauf geschissen“ auf der Saalburg ist bis zum 20. Oktober während der Öffnungszeiten des Römerkastells zu sehen.

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