Hochtaunus (js). Es gab auch mal einen Tag, da kamen nur vier Patienten. Wenn es brummt, dann sind es bis zu 25 Patienten, die während der vier Stunden Öffnungszeit in der Corona-Schwerpunktpraxis am Gluckensteinweg vorsprechen. Das ist ordentlich, doch die Arbeit ist stressfrei. Für den jeweils anwesenden Arzt mit seiner Praxishilfe und für die Menschen, die hier ärztliche Expertise und Rat suchen. Sie danken es den Ärzten, berichtet Initiator Christian Müller nach knapp sechs Wochen Startphase. „Toll, dass sie da sind, das ist ein Super-Projekt“, hören er und seine Arztkollegen immer wieder. Angesichts des sozusagen flott binnen weniger Wochen aus dem Boden gestampften Projekts hatte der Allgemeinmediziner Müller „definitiv und auf jeden Fall mehr Anlaufschwierigkeiten erwartet“.
Die Praxis wird gut angenommen, die Menschen kommen aus dem gesamten Kreisgebiet nach Bad Homburg, auch überraschend viele aus dem Usinger Land, so die Zwischenbilanz von Christian Müller. Der Erfolg sei zweifach messbar. Auf der einen Seite seien Haus- und Fachärzte wie erhofft entlastet und deren Betrieb entzerrt worden, auf der anderen profitierten vor allem Menschen, die dringend einen Arzt aufsuchen müssten. Die Corona-Pandemie habe deren Verhalten extrem verändert, haben Müller und seine Kollegen festgestellt, viele Menschen hätten aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus den Besuch in einer Arztpraxis gescheut. Vor allem ihnen sollte das Zentrum Hilfestellung bieten. An Werktagen von 10 bis 14 Uhr ist die Praxis geöffnet, „bei Bedarf ist eine Erweiterung möglich“, so Müller.
Erweitert ist inzwischen schon der Ärztekreis, aus anfangs einem Dutzend seien jetzt 20 geworden, berichtet Müller. Und mit Annika Steitz gehört nun eine Medizinstudentin im dreimonatigen Pflegepraktikum zum Team, für sie würde Müller gerne noch „eine Finanzierung auf die Beine stellen“. Trotzdem bringen die Ärzte-Kollegen weiterhin eine Sprechstundenhilfe aus ihrer jeweiligen Praxis mit. Annika Steitz registriert die Patienten ganz normal wie in einer Praxis, sie arbeitet hinter einer Plexiglas-Scheibe, einem so genannten „Spuckschutz“. Nahezu „ideal“ empfinden Christian Müller und auf Nachfrage auch immer wieder die Patienten das riesige Wartezimmer. Der rund 200 Quadratmeter große ehemalige Gemeindesaal von Sankt Franziskus bietet luxuriösen Abstand, selbst wenn die Praxis voll ist. „Es gibt nicht im Ansatz Stress, auch nicht im großen Foyer“, erlebt auch Torsten Feichtinger im Schutzkittel immer wieder, der an diesem Freitag vor Pfingsten mit Annika Steitz Dienst schiebt. Die Räume des früheren Gemeindezentrums im Ortsteil Kirdorf bieten nach Ansicht aller beteiligten Fachleute bestmögliche Voraussetzungen für eine Corona-Schwerpunktpraxis. Sie ist eine von inzwischen 62 hessenweit. Das Gebäude gehört einer kirchlichen Stiftung, der Kreis hat rund 80 000 Euro in die Umnutzung als Praxis investiert und kommt auch für die laufenden Kosten auf. Städtische Abteilungen haben den Umbau organisiert und bewerkstelligt, eine Kooperation, die viel Lob erfährt. „Ich bin hochzufrieden mit der Arbeit der niedergelassenen Ärzte in der Schwerpunktpraxis, sie ist ein Anlaufpunkt für Menschen, die eine mögliche Infektion abklären lassen wollen, und sie hilft auch Corona-Kranken kompetent“, resümiert Hochtaunus-Gesundheitsdezernent Thorsten Schorr. Chronisch Kranke könnten wieder ohne Angst, sich anzustecken, ihren Arzt aufsuchen. „Der Aufwand ist definitiv gerechtfertigt“, findet Arzt Christian Müller.
188 Corona-Tests
Die Praxis mit vier Behandlungs- und weiteren Ausweichräumen ist kein Corona-Testzentrum, sondern als reines Behandlungszentrum installiert worden. Das war von Anfang an klar definiert, Tests würden nur bei Indikation vorgenommen, unterstreicht Müller. Die Zahl der Abstriche hat sich bis zum Wochenende auf 188 summiert, positiv getestet wurden insgesamt elf Patienten, darunter eine Frau mit abklingenden Symptomen, bei der das Ergebnis Arzt und Patientin gleichermaßen überrascht hat. Lange waren es nur fünf positive Tests, zuletzt kamen die weiteren aus einer in sich geschlossenen Gruppe dazu.
Bis zum Herbst wird die Corona-Schwerpunktpraxis definitiv geöffnet bleiben, das weitere Vorgehen wird der Stand in der Corona-Lage vorgeben. „Wir sind bestens ausgestattet“, sagt Müller. Das Schutzmaterial wird über die Kassenärztliche Vereinigung bezogen, das Verbrauchsmaterial bringen die beteiligten Ärzte aus ihren Praxen mit. Und einen „wunderbaren Kaffeevollautomaten“ habe eine der Kollegen zum Wohl des gesamten Praxisteams auch schon gestiftet.
Termine können unter Telefon 06172-8039982 oder per E-Mail an corona-schwerpunktpraxis[at]praxis-im-web[dot]de ausgemacht werden. Wer keine Symptome hat und nur wissen möchte, ob er infiziert ist, muss sich wie gehabt unter der Rufnummer 116 117 um einem Termin in einem Testzentrum bemühen.