Hilfe für Kinder durch Übernahme einer Vormundschaft

Die Vorsitzende Kristina Odak (l.) und Geschäftsführerin Tamara Brendel vom Kinderschutzbund berichten über die Möglichkeiten der Vormundschaft. Foto: Lions

Hochtaunus (how). Die Entwicklung ist fürchterlich und zugleich unfassbar: Die Zahl der Kinder, die dem Jugendamt des Hochtaunuskreises als schutzsuchend oder gefährdet gemeldet werden, die selbst per Telefon über die „Nummer gegenKummer“ um Hilfe bitten, steigt rapide an. „Wir haben jeden Tag drei bis vier entsprechende Anrufe“, klagt Kristina Preisendörfer. Die stellvertretende Jugendamtsleiterin des Hochtaunuskreises weiß kaum noch, wie sie eine den Nöten angemessene Betreuung organisieren soll.

Die Gründe für die Notrufe sind vielfältig und erschreckend. Die schlimmsten Fälle sind die wegen Missbrauch. Kinder werden geschlagen oder noch schlimmer körperlich misshandelt, sie werden psychisch etwa durch permanentes Anschreien aus ihrer seelischen Balance gebracht, und es gibt natürlich auch den sexuellen Missbrauch. So hat die Kinderschutzambulanz der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, wo die am schlimmsten misshandelten Kinder behandelt und später betreut werden, aus Spendengeldern zuletzt einen gynäkologischen Stuhl angeschafft – der kleiner ist als jene bei Frauenärzten, weil dort Mädchen behandelt werden müssen. Und es gibt darüber hinaus weitere unfassbare Verbrechen gegen die Kinder mit Methoden, die Folter gleichen. Aber auch Flüchtlinge ohne Erwachsenenbegleitung suchen Hilfe, ebenso wie jene, die daheim nicht mehr leben können, weil die Eltern ein massives Alkohol- oder Drogenproblem haben oder weil sie, zum Beispiel als Folge eines Unfalls, Vollwaise geworden sind. Die Kinder und Jugendlichen landen etwa in Kinderheimen. „Bei uns sind Mädchen und Jungen im Alter von drei bis 17 Jahren untergebracht“, sagt Geschäftsführer Tobias Trapp von den zwei Bad Homburger Einrichtungen des „Hauses Gottesgabe“. In diesen Fällen ist die „Inobhutnahme“ über das Jugendamt erfolgt.

Nur drei Stunden im Monat

Doch die Mitarbeiter des Amtes haben eine „Mission impossible“ zu erfüllen. Etwa 50 Kinder muss ein Mitarbeiter derzeit betreuen. „Das bedeutet, für jedes Kind bleiben nur drei Stunden Zeit, Fahrzeiten schon mit eingerechnet“, sagt Kristina Preisendörfer. Und sie meint: pro Monat! Dass dies nicht ausreicht, um den Kindern und Jugendlichen einen Weg ins Leben zu ebnen, liegt auf der Hand. „Die beste Möglichkeit der Hilfe ist die Übernahme einer ehrenamtlichen Vormundschaft durch Bürger in unserem Kreis“, betont Kristina Odak, die – ebenfalls ehrenamtliche – Vorsitzende des Kinderschutzbundes Hochtaunus.

Mit viel Herzblut berichtete sie in ihrem Impulsvortrag beim Frühjahrsempfang des Lions Clubs Bad Homburg-Hessenpark von positiven Beispielen. „Da war ein sehr schwieriger Jugendlicher, der dreimal aus Einrichtungen geworfen worden ist. Doch der Vormund, ein Unternehmer, der kaum Zeit hatte, hat sich extra eine Woche Urlaub genommen und den Jugendlichen in seine Firma integriert, wo er sich sehr gut eingegliedert hat.“ Oder sie berichtete von einem sprachlich unterentwickelten, aber handwerklich sehr geschickten Jungen, der bei einem Schreiner einen Lehrplatz fand und glücklich wurde.

Bei der Vormundschaft übernehmen engagierte Menschen das Sorgerecht, nachdem die juristischen Fragen zuvor per Gerichtsbeschluss geklärt worden sind. Die Bewerber werden vorab auf ihre Eignung überprüft, etwa über das polizeiliche Führungszeugnis. Sie sollen aber auch die charakterlichen Eigenschaften haben, die verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen und werden dafür durch den Kinderschutzbund in etwa 40 Stunden, aufgeteilt in acht Lernmodule, zu verschiedenen Schwerpunkten geschult.

Sind sie dann Vormünder, heißt das Motto: Alles geht, aber nur wenig muss. „Einige Stunden im Monat müssen die Vormünder schon investieren.“ Darüber hinaus wird vieles davon abhängen, wie sich das Verhältnis zwischen den betreuten Kindern und ihren neuen Bezugspersonen entwickelt. „Das kann so weit gehen, dass die Kinder komplett in die Familie integriert werden“, berichtet Odak aus Erfahrung. Doch das wiederum ist keine Pflicht, zunächst wohnen die betreuten Mädchen und Jungen weiter im Kinderheim. Aber am Ende steht in aller Regel eine entschieden bessere Chance für das Kind, sich über einen Schulabschluss und eine weiterführende Ausbildung wieder in die Gesellschaft zu integrieren. „Am meisten fehlt diesen Kindern nach häufig sehr schlimmen Erfahrungen schließlich die Bezugsperson, um wieder gute Perspektiven zu bekommen“, so Odak.

Derzeit läuft eine Fortbildung für potenzielle Vormünder beim Kinderschutzbund Hochtaunus, doch schon im Herbst ist eine neue Bewerbungsphase für engagierte, lebenserfahrene Bürger geplant, die anschließend per Schulung auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.

!Wer einem Kind in schwerer Not helfen möchte, kann sich bei der Bad Homburger Zweigstelle des Kinderschutzbundes informieren über. Die Zweigstelle ist zu finden im Hindenburgring 44 in Bad Homburg, Telefon 06172-20044 oder 0176-40382587, E-Mail: vormundschaft[at]ksbht[dot]de.



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