Lohnender Ausflug zum Lustschloss Fasanerie in Fulda: Von Garderobenjungfern, Ananasfrüchten und einer Luxus-Eremitage

Eine Unterkunft für die einfachen Leute

Foto: privat

Hessen (war) – „Lustschloss Fasanerie – Baukunst und Leben in der Sommerresidenz“. So lautet der Titel der aktuellen Ausstellung, zu der die in Kronberg befindliche Kulturstiftung des Hauses Hessen noch bis zum 15. Oktober 2023 im Badehaus von Schloss Fasanerie in Eichenzell vor den Toren Fuldas einlädt. Bei der diesjährigen Exposition steht das wunderbar in die Hügellandschaft der Vorderrhön eingebettete Barockschloss inmitten eines herrlichen Landschaftsparks im Fokus. Infolge der umfassenden Renovation, die eine Reihe neuer, interessanter Erkenntnisse zur Baugeschichte und Nutzung des ursprünglichen Sommersitzes der Fuldaer Fürstäbte in den letzten Jahren erbracht haben, erstrahlt die fast 300 Jahre alte Palastanlage nunmehr in neuer Frische.

Die Archivalien besagen, dass alles um 1735 anfing, als der damalige Fuldaer Fürstabt Adolph von Dalberg einen kleinen Jagdsitz wenige Kilometer vor den Toren der Bonifatiusstadt Fulda errichten ließ. Neben einer „Wilden Phasanerei“ gehörte dazu der „Adolphshof“ als Herrenhaus. Bereits sieben Jahre später wurde unter seinem Nachfolger Amand von Buseck daraus die „Hochfürstlich fuldaische Sommerresidenz Fasanerie“ als repräsentativer Prachtbau im satten Barock mit über 140 Räumen: Für dessen Planung zeigte sich der damals renommierte, aus Lugano stammende, fürstäbtliche Hofbaumeister Andrea Gallasini, welcher auch am Bau der Schlösser in Weilburg und Arolsen beteiligt war, verantwortlich. So bekam der sommerliche Herrensitz jetzt einen dreiseitigen Ehrenhof sowie Kavaliershäuser neben weiteren Wacht- und Wirtschaftsbauten.

Bessere Zeiten

Von 1802 bis 1806 residierte Erbprinz Wilhelm Friedrich von Oranien als Fürst von Fulda und zukünftiger König der Niederlande in Eichenzell. Im Juni 1803 war sogar sein Schwager, der preußische König Friedrich Wilhelm III., nebst Gattin, der in der Bevölkerung besonders populären Königin Luise, zu Besuch. 1813, als in den herrschaftlichen Gebäuden österreichische Offiziere logierten, ließen diese zahlreiche Einrichtungsgegenstände ungefragt mitgehen. Bessere Zeiten für die repräsentative Anlage traten erst wieder 1816 ein, denn damals wurde gemäß Wiener Kongress dem Kurfürstentum Hessen-Kassel die Herrschaft über Fulda und somit auch über Schloss Fasanerie zugesprochen. Der neue Hausherr, Kurfürst Wilhelm II., ließ durch seinen Oberbaudirektor Johann Conrad Bromeis das Schloss als neue Nebenresidenz umfassend renovieren, um die Räumlichkeiten teilweise im zu dieser Zeit modernen klassizistischen Stil neu zu gestalten.

Die aktuelle Ausstellung im Badehaus verfolgt im wahren Sinn des Wortes sehr anschaulich die baugeschichtliche und kulturhistorische Entwicklung der ursprünglichen Fürstenherberge vom sommerlichen Lustschloss zum permanenten Wohnort. Dabei werden oft während der Schlossführungen gestellte Fragen „Warum sind die Dächer mit Ananasfrüchten aus Blattgold verziert?“ oder „Wo und wie lebte das Dienstpersonal?“ eingehend beantwortet. Es fängt mit der Präsentation der eigens von Fürstbischof Amand von Buseck angefertigten ersten Entwurfszeichnungen sowie bislang noch unveröffentlichten Gemälden der ursprünglichen Ausstattung des 18. Jahrhunderts an. Der Besucher der Ausstellung erfährt außerdem, dass das Badehaus selbst, welches seit 1991 für Ausstellungen genutzt wird, ursprünglich als so genannte Eremitage gedacht war. In den Räumen hauste jedoch kein einsamer Einsiedler, sondern diese waren vielmehr exquisit gestaltet. Hier, etwas abseits vom Haupttrakt des Schlosses, konnte sich ursprünglich der Fürstbischof zur inneren Einkehr zurückziehen. Unter Bromeis wurden in der Eremitage Bäder eingebaut, daher der jetzige Name. Später mussten Teile der Ex-Eremitage sogar als Hühnerstall herhalten.

Das Leben einfacher Leute

Besonders interessant sind die erstmalig ausgestellten Zeugnisse aus der ehemaligen katholischen Schlosskapelle, die bis zu den Umbauarbeiten im 19. Jahrhundert einen großen Teil des Südflügels über zwei Stockwerke hinweg eingenommen hatte. Der Sakralraum war jedoch von Beginn an als solcher von außen kaum zu erkennen. Da das evangelische kurfürstliche Haus Hessen für den bis dato katholischen Sakralraum nicht länger Bedarf hatte, wurden in das Kirchenschiff kurzerhand nach Einzug einer Zwischendecke mehrere zusätzliche Wohnräume eingebaut. Nur der ehemalige Kirchturm erinnert von außen noch heute an die ursprüngliche religiöse Nutzung. Viele der Messgegenstände erhielten die umliegenden katholischen Gemeinden. So gelangte das Gemälde des einstigen Hauptaltars, vom fürstäbtlichen Hofmaler Emanuel Wohlhaupter erstellt, in den Fuldaer Dom. Die Orgel kam in die Severi-Kirche nach Fulda und die Kirchenbänke gingen bis nach Kassel. Doch im Schloss residierten nicht nur adlige Persönlichkeiten, sondern weit mehr „einfache“ Leute lebten und arbeiteten hier, um den fürstlichen „Betrieb“ am Laufen zu halten. Zeitweilig waren bis zu 40 Bedienstete in Eichenzell beschäftigt. Wie diese wohnten, dazu sind eigens im Nordflügel des Hauptschlosses für die Ausstellung zwei Dienstbotenunterkünfte wieder originalgetreu gemäß Inventar von 1828 her- und eingerichtet worden, deren Besuch nicht versäumt werden sollte, denn normalerweise stehen bei Besichtigungen von Schlössern nur die Räume der meist hochgestellten Bewohner und Besitzer auf dem Programm. In Schloss Fasanerie ergibt sich somit die seltene Gelegenheit, die Wohnsituation der „Lakaien“ in Augenschein zu nehmen, steht doch derzeit eine Tür zum Appartement der Kammerjungfrau, bestehend aus Wohn- und Schlafzimmer, offen. Die Einrichtung ist zwar schlicht, aber für damalige Verhältnisse durchaus mit einigem Komfort versehen. Immerhin standen im Wohnzimmer ein gusseiserner Ofen, Schreibtisch, Spiegel und Tisch mit drei Stühlen. Aufgrund ihrer gehobenen Stellung innerhalb der Hierarchie des Personals war das Bett der Kammerjungfrau mit Steppdecke und Rosshaarkissen ausgestattet. Dazu kamen ein Lavabo sowie Nachttopf aus Fuldaer Porzellan. Die Garderoben-Jungfern hingegen mussten in ihrem Zimmer mit zwei einfachen Baumwolldecken samt Strohsack als Matratze beim Schlafen auskommen. Die Wände sind gelb getüncht, während Papiertapeten die Zimmerwände der Kammerjungfrau aufwerten.

Zum Schluss soll noch der Sinn der goldenen Ananasfrüchte auf den Dächern verraten werden. Das Züchten von Zitrusfrüchten war in der Barockzeit sehr beliebt, wovon die zahlreich erhaltenen Schloss-Orangerien bis heute künden. Die Ananasanzucht war jedoch das „i-Tüpfelchen“, das besondere botanische Fertigkeiten verlangte und häufig misslang. Der Überlieferung nach war das Ziehen der exotischen Früchte den Gärtnern in Diensten von Fürstbischof Amand von Buseck erfolgreich gelungen. Dieser war darauf so stolz, dass er ein Ölbild – ebenfalls in der Ausstellung zu sehen – mit einer Ananasstaude samt Frucht anfertigen ließ. Auf der Vase ist das Jahr 1748 samt Buseckschem Wappen festgehalten.

Sein ausgefallenes „Hobby“ hat den Kirchenmann wohl zu der entsprechenden Dachbekrönung aus Gold quasi als „Logo“ für sein neues Domizil animiert. Warum er dieses nicht folgerichtig sogleich in „Ananaserie“ umbenannte, bleibt hingegen auf immer sein Geheimnis.

Weitere Infos: www.schloss-fasanerie.de



X