Rückkehr aus der Sonne in ein ganz anderes Land

Im Hafen der Insel Maio lässt sich der Urlaub gut verbringen. Foto: bg

Hochtaunus (bg). Das Corona Virus hat uns fest im Griff. So schnell kann sich alles ändern. Das hätte ich nicht für möglich gehalten, als ich am 3. März meine bereits im Herbst gebuchte große Reise angetreten habe. Ziel : die Kap Verden. Die Inselgruppe liegt im Atlantik etwa auf Äquatorhöhe nicht weit vom afrikanischen Festland entfernt. Bei unserem Abflug gab es deutschlandweit nur wenig Erkrankte, in Bayern und im nordrhein-westfälisachen Heinsberg. Noch gab es keine Warnungen für die Kap Verden, also auch keine Möglichkeit, ohne finanziellen Verlust von der Reise zurückzutreten. Es sei denn, ich hätte mich vorher in China aufgehalten. Dann, so der Reiseveranstalter, bräuchten sie umgehend Informationen, sonst könnte die Mitreise kurzfristig verweigert werden.

So weit, so gut also, und ich dachte ganz naiv, okay, wenn wir nach 14 Tagen zurückkommen, ist alles vorbei und das Leben geht wieder seinen normalen Gang. Welch ein Irrtum! Der Schock traf mich bei meiner Rückkehr. Dabei hatte der Virologe der Charité, Christoph Drosten, der Experte für die Coronaviren, schon sehr früh in einem Interview festgestellt: „Die Deutschen sind ein reisefreudiges Volk, das Virus kann sich bei uns schnell ausbreiten.“ Und in einer Talkrunde sagte er: „Wir erleben eine Naturkatastrophe, die in Zeitlupe abläuft.“ Um es gleich vorweg zu sagen. Ich hatte großes Glück, meine Reise verlief planmäßig und ich kam auch ganz normal wieder zurück.

Nach unserer Ankunft auf dem Flughafen von Praia auf der Insel Santiago, wurde die gesamte Reisegruppe auf Fieber überprüft, auch eine Handdesinfektion fand statt. Danach konnten wir auf unser Schiff, und alles lief nach Programm. Wir legten an mehreren kapverdischen Inseln an und begaben uns auf Landausflüge. Den ersten Stopp gab es auf der Insel Fogo, im Zentralort Sao Filipe legten wir an. Fogo bedeutet „Feuer“ und der gigantische Vulkan auf dieser Insel ist immer noch aktiv. Seine jüngste Eruption fand 2015 statt. Im Museum des Ortes, der architektonisch von Stadthäusern im portugiesischen Kolonialstil, den „Sobrados“, geprägt ist, wurde uns ein Film von diesem Naturschauspiel, bei dem ein ganzes Dorf verschüttet wurde, gezeigt. Außerdem lernten wir viel über die Geschichte der magischen Vulkaninseln und ihre Bewohner. Bei der Entdeckung des Archipels im 15. Jahrhundert waren sie noch unbewohnt, danach setzte die Kolonisation durch die Portugiesen ein. In den folgenden Jahrhunderten gewannen die Kapverden, die mitten im Atlantik gut 560 Kilometer vor der Küste Senegals liegen, an Bedeutung. Die Seefahrer nutzten die Inseln zur Wasser- und Nahrungsvorsorge für die Atlantiküberquerung. Zwischen dem 16. und 18 Jahrhundert wurden sie auch zum Umschlagplatz für den florierenden Sklavenhandel. Daneben gelangten die Bewohner durch Baumwollplantagen und Salzhandel zu Wohlstand. Die Kap Verden standen bis zu ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1975 unter portugiesischer Herrschaft. Insgesamt steuerte unser Schiff fünf der 19 kapverdischen Inselnan.

Besuch bei Cesaria Evora

Mein Interesse an diesen Inseln war durch Cesaria Evora geweckt wurden. Ich hatte die berühmte Sängerin der Kap Verden in der Alten Oper erlebt. Das Konzert ist für mich unvergesslich. Die Musikerin stand barfuss auf der Bühne, bekleidet mit einem einfach bunten Hängerkleid, ganz natürlich. Ein Tisch und ein Stuhl waren seitlich auf der Bühne platziert. Dort nahm sie in der Pause Platz, trank ein Glas Wasser und rauchte ganz genüsslich eine Zigarette oder zwei, ich war ehrlich platt. Das muss Anfang der 1990er-Jahre gewesen sein. Heute ist das natürlich undenkbar.

Und Mindelo bin ich der Königin des Morna, des Gesangs der Nostalgie, wieder begegnet. Sie wird hier sehr verehrt. In ihrer Heimatstadt auf der Insel Sao Vicente begrüßte mich ein großes Konterfei von ihr. Es war auf eine Hauswand aufgemalt. Darauf lächelte sie fröhlich. Jeder auf den Inseln kennt ihren Namen und ihre Musik. Unser Guide vor Ort, ein junger Mann namens Edson, erzählte mit Begeisterung und Herzenswärme von ihrer und ihren Liedern. Er sang uns ihr berühmtes, sehnsuchtsvolles „Sodade“ vor. Ich konnte nicht hinter dem Berg halten und erzählte ihm, dass ich sie in einem Konzert erlebte hätte. Da war er total hin und weg.

Nach den Kapverden steuerte unser Schiff die Kanarischen Inseln an. Nach Stationen auf La Palma und kleinsten Kanaren-Insel El Hierro trafen wir in Teneriffa ein. Nach fast zehn Tagen im Offline-Modus wurden wir hier von der Realität wieder eingeholt und waren geschockt. Das Schiff durfte Santa Cruz nicht mehr verlassen. Ich hatte noch ein dreitägiges Anschlussprogramm gebucht: „Teneriffas Norden“. Es begann in Puerto del a Cruz. Wir waren in einem Hotel direkt am Meer untergebracht und am nächsten Tag startete das Ausflugsprogramm. Unser Bus schraubte sich auf einer Serpentinenstraße in schwindelerregenden Höhen zum Teide-Nationalpark. Auch der geplante Besuch eines Weinguts mit Verkostung ging noch anstandslos über die Bühne. Dann holte uns die rauhe Wirklichkeit ein.

Per What’s App Nachricht und über die Nachrichtensendungen im Fernsehen erfuhren wir, wie rasant sich das Coronavirus in ganz Europa ausgebreitet hatte und welche drastische Maßnahmen auch in Deutschland ergriffen wurden. Die Schließung, der Schulen, der Kindertagesstätten, der Universitäten, die Absagen nicht nur von Großveranstaltungen wie Messen und Fußballspielen, nein, das ganze gesellschaftliche und kulturelle Leben stand plötzlich still. So etwas hatte es seit Gründung der Bundesrepublik nicht gegeben. Die Lage war auf einmal sehr ernst.

Am letzten Urlaubstag – es war der Sonntag – verhängte Spanien eine komplette Ausgangssperre. Die bange Frage: Wie kommen wir zum Flughafen und – noch viel schlimmer – kommen wir überhaupt noch mit dem Flieger von der Insel nach Frankfurt? wurde am Abfahrtstag für uns positiv geklärt. Alles verlief reibungslos genau nach Plan. Dass wir eine Stunde später als geplant vom Flughafen in Teneriffa nach Frankfurt abfliegen konnten, war Nebensache. Alle freuten sich einfach nur, wieder nach Hause zu kommen. Es war eine Punktlandung. Bereits am nächsten Tag verkündete Außenminister Heiko Maas, dass die Bundesregierung durch eine Luftbrücke 100 000 deutsche Touristen, die weltweit festsitzen nach Deutschland mit Flugzeugen der Lufthansa zurückholen und dafür 50 Millionen Euro bereitstellen würde.

Wichtiger als der Magen

Auch in Oberursel und in Bad Homburg stand bei unserer Ankunft das öffentliche Leben still. Natürlich hatte ich über witzige Clips auf meinem Handy zum Thema Hamsterkäufe und Toilettenpapier amüsiert gelacht. Aber was ich für einen „Running Gag“ gehalten hatte, stimmte wirklich. Verblüfft musste ich feststellen, Toilettenpapier ist Mangelware. Schon merkwürdig, dass ein gepflegter Allerwertester anscheinend höchste Priorität genießt – noch vor dem Magen. In den Coronazeiten meldete sich die Bundeskanzlerin zu Wort „Jeder kann mithelfen, die Epidemie zu verlangsamen, die Lage ist ernst, nehmen Sie sie auch ernst“, sagte sie in ihrer eindringlichen Ansprache an die Nation, während ich diesen Bericht schrieb. Das werde ich tun, ich bleibe ab sofort zu Hause und verschiebe geplante Treffen im Familien- und Freundeskreis auf später. Das ist wohl die einzige Möglichkeit die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

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