Tausendfacher Protest gegen „Diskriminierung“

Im endlosen Korso erklimmen die Biker mit ihren Maschinen freundlich winkend den Taunushang bis hinauf zum Sandplacken. Foto: js

Hochtaunus (js). Natürlich klingt „Born To Be Wild“ in der heißen Mittagsstunde über den Sandplacken. Der ewige Klassiker, die Biker-Hymne schlechthin, seit Dennis Hopper und Peter Fonda 1969 den Steppenwolf-Song als Mantra über ihren Film „Easy Rider“ gelegt haben. Die Taunus-Biker und gleichgesinnte Motorradfahrer aus der gesamten Region und umliegenden Bundesländern haben ihre Helme abgenommen, die schweren Maschinen stehen wohlgeordnet am Straßenrand, in der Mitte der Kanonenstraße und hinauf Richtung Feldberg aufgereiht. Die Stimmung ist gechillt, fast alle sind easy Rider, wollen am Wochenende nur ihrer Leidenschaft frönen und mehr oder weniger schnell über die Straßen im Taunus brettern. Fixpunkt Großer Feldberg, das Plateau am höchsten Punkt ist in der gesamten Republik bekannt. Dass es ihnen an jedem zweiten Wochenende im Monat verboten sein soll, durch ihre Lieblingskurven zu cruisen, erregt die Gemüter, vom Freiheitskampf war am Samstag auf dem Sandplacken oft die Rede.

Mit bis zu 3000 Teilnehmern hatten die Veranstalter BVDM, Ride Free und „Wir – Gemeinsam – Für die Freiheit“ gerechnet. Gut, dass nicht so viele gekommen sind, sie hätten in Zweierreihe bis hinunter zur „Applauskurve“ an der „Kanonenstraße“ gestanden und von der Kundgebung auf dem Sandplacken nichts mitbekommen. Wäre den meisten wohl egal gewesen, es ging darum, ein Zeichen zu setzen gegen willkürliche oder vermeintliche „Diskriminierung“ von Motorradfahrern, die sich an alle Regeln halten und nur ihrem Hobby nachgehen. In „Sippenhaft“ fühlen sie sich genommen, weil es ein paar schwarze Schafe unter ihnen gibt, Kurvenkratzer mit hoch aufgetunten Maschinen und brutaler Lärmemission. Hohes Gefährdungspotenzial sehen die Kritiker. „Die Freiheit wird scheibchenweise eingeschränkt“, der FDP-Landtags- und Kreistagspolitiker Stefan Naas schreit es fast in die bunte Runde, ein Kampfplädoyer für die Freiheit des Motorradfahrens vom Sprecher der „Freiheitspartei FDP“, wie er sagt. Der Versuch mit den „Lärmpausen“ einmal im Monat müsse „schleunigst beendet werden“.

Naas nutzt den günstigen Moment für großen Applaus, außer ihm geht von den Parteien nur der Kreistagsvorsitzende Renzo Secchi (Freie Wähler), selbst Motorradfahrer, ans Mikro, ein AfDler bekommt Anstandsbeifall für seine Unterstützung der Biker. Die anderen angefragten Parteien sind nicht gekommen, nicht Die Linke, nicht die Grünen, nicht CDU und SPD, die mit den Freien Wählern eine Koalition im Kreistag bilden. Diese hat ein paar Tage vor der angekündigten Demo vom Landratsamt zum Sandplacken per Pressemitteilung verlauten lassen, dass sie die „Verkehrspausen im Feldberggebiet“ unterstützt. Alle Maßnahmen seien auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts beschlossen worden, auf den Vorwurf der „knallharten Klientelpolitik“ mit Blick auf die „Feldberginitiative“ der Befürworter der Sperrungen ging das Schreiben nicht ein.

Die Sperrung „Kompromisslösung“ zu nennen, bezeichnet der Anwohner und Sprecher der „FDP-Biker“, Götz Rinn, als „zynisch“. Der Feldberg und der Taunus seien für alle da, dies müsse uneingeschränkt für alle Verkehrsteilnehmer gelten. An einigen Stellen des Demonstrationswegs wurden die fröhlich winkenden Biker in der geordneten Formation von ebenfalls winkenden Menschen freundlich begrüßt und gar beklatscht, an anderen erregte das Gedröhn und Auspuffknattern eher den Zorn anderer Verkehrsteilnehmer, denn durch umfangreiche Polizeimaßnahmen und Einschränkungen seitens der Straßenverkehrsbehörde kam es über Stunden zu Behinderungen im Verkehr.

Am Samstag ab 12 Uhr waren zahlreiche Abfahrten von Autobahn und Landesstraßen gesperrt, im Oberurseler Norden war nur eingeschränkter Individualverkehr möglich. Während der Durchfahrt des Motorrad-Trosses, die sich durch die hohe Zahl der Teilnehmer in die Länge zog, war die Strecke für andere Verkehrsteilnehmer gesperrt, nur Radler durften noch bis zuletzt hinauf zum Sandplacken. Der Stadtbusverkehr in Oberursel wurde zeitweise ausgesetzt, einige Busse in Bad Homburg und in Richtung Taunus fuhren gar nicht, die U3 verkehrte mit Einschränkungen und Verspätungen.

„Born To Be Wild” flimmert soundtechnisch in diesen Momenten nur über den Sandplacken und die Zufahrtsstraßen. Der Abgang der Biker ist so friedlich und geordnet wie die Fahrt nach oben. Oliver Link, Leiter des Verkehrsdienstes der Polizeidirektion Bad Homburg, nennt später 882 gezählte Motorräder, eine Zahl, die Peter Riegel bestätigt, Leiter der Straßenverkehrsbehörde im Hochtaunuskreis. Da viele Biker mit Begleitung auf dem Soziussitz oder im Beiwagen kamen, dürften es am Ende doch deutlich über 1000 Männer und Frauen gewesen sein, die sich gegen Stigmatisierung und Diskriminierung gewendet haben. Polizei und Straßenverkehrsbehörde sind hier keine „Feinde“, das wird schnell deutlich, die Kritik richtet sich allein an die Politik.



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