Schwalbach (sbw). Die Sonne schien, alles war bestens vorbereitet für die Demonstration und Kundgebung „Schwalbach steht auf für Demokratie und Vielfalt“, zu der über 30 Vereine, Gruppen und Initiativen kürzlich aufgerufen haben.
Zur Musik von Anja Stroh und Peter Przystaniak strebten junge und ältere Menschen auf den unteren Marktplatz, und dann füllte sich schlagartig der Platz mit den zahlreichen Demonstrationsteilnehmern. Der Zug, organisiert von Herbert Swoboda (Die Eulen), war von der Geschwister-Scholl- Schule gestartet und machte mit dem Ruf „Stark durch Vielfalt – Nazis, nein danke! Schwalbach steht auf wie noch nie“ auf sich aufmerksam. Immer mehr Personen schlossen sich auf dem Weg zur Kundgebung an und füllten dann den unteren Marktplatz.
Am Ende waren es mehr als 500 Personen, die sich versammelten, um den zahlreichen Rednern, darunter viele Jugendliche, zuzuhören. Pünktlich um 12 Uhr eröffnete Wilfried Hülsemann, Deutsch-Ausländische Gemeinschaft, die Kundgebung und erteilte als ersten Rednern, Günter Pabst und Willi Schelwies, das Wort. Insgesamt gab es über 25 Redebeiträge, darunter unter anderem Stadtverordnetenvorsteher Jan Frey, Bürgermeister Alexander Immisch, Vertreter der im Stadtparlament vertretenen Fraktionen, Gundula Lohmann-Pabst für die Fraueninitiative Schwalbach, Carlo Graf (Deutscher Gewerkschaftsbund), Monika Gernet und Kurt Kreyling (Turngemeinde), Gudula Farwig und Areen Mohammad (Flüchtlingshilfe), Pfarrer Alexander Brückmann, Monika Schwarz (Seniorenbeirat) sowie Paula Weihrauch und Michel Ronimi (Wilde Rose und Kunstfreiheit).
Hier ist im Folgenden die Rede von Günter Pabst dokumentiert, dann die von Willi Schelwies.
„Liebe Freunde der Demokratie,
Willi Schelwies und ich sprechen hier für die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis. Es gehört zu unserer Aufgabe, gegen Antisemitismus und Rassismus zu kämpfen. Deshalb arbeiten wir seit Jahren im Bündnis „Main-Taunus-Kreis – Deine Stimme gegen rechts“ mit. Deswegen sind wir auch heute hier. In Schwalbach lebten keine jüdischen Mitbürger, aber in anderen Orten, so auch in unserer Nachbarstadt Bad Soden, erinnern die Stolpersteine, dass Juden und Sinti und Roma aus der Mitte der Gesellschaft herausgerissen, in die Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden. Es war der Nachbar, die man auf einmal nicht mehr kannte. In Schwalbach waren es die Kommunisten, Johann Gräber, Josef Zink und Heinrich Gohla, die in Schutzhaft kamen und in Straflagern arbeiten mussten. Im Nationalsozialismus begann der Terror und die Vernichtung von Menschen mit der Ausgrenzung von Menschen. Es begann mit Hasstiraden gegenüber jüdischen Mitbürgern, kritischen Schriftstellern, Künstlern und Andersdenkenden. Von Martin Niemöller, dem evangelischen Theologen und Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen, stammen folgende Zeilen: ‚Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Jude. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.‘ Es darf einmal nicht heißen „Als sie die Migranten vertrieben, habe ich geschwiegen, denn ich war ja kein Migrant. Nein – heute schweigen wir nicht. Nicht hier in Schwalbach, nicht im Main-Taunus-Kreis, nicht in den anderen Städten unserer Republik.“
Günter Pabst übergab an Willi Schelwies: „Liebe Mitbürger, Anfang März ist der in Berlin lebende weltbekannte jüdische Pianist Igor Levit von den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit der Buber-Rosenzweig-Medaille in Mainz geehrt worden für sein Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit. In seiner Dankesrede richtete er sich an die Anwesenden und die Bürger – er sagte: ‚Es sollte nicht nur mein Kampf sein gegen den Antisemitismus aufzustehen. Es ist vor allem Ihre Aufgabe‘, das heißt also unsere Aufgabe. Nur, wenn alle Menschen zusammenstehen, kann die demokratische Gesellschaft erhalten bleiben.Es geht nicht nur um die Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen, völkischen und die Menschenrechte verachtende Politik der AFD, es geht auch um den wachsenden Antisemitismus. In diesen Tagen feiert die jüdische Gemeinde das Pessachfest, das an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten erinnert und das jedes Jahr diese Hoffnung von Neuem zum Ausdruck bringt. Dieses Fest haben wir gemeinsam in der Limesgemeinde gefeiert – auch als ein Zeichen für unsere gemeinsame Tradition und unsere gegenseitige Wertschätzung. Der Zivilisationsbruch des Holocaust ist kein ‚Vogelschiss in der deutschen Geschichte‘, wie es Herr Gauland formuliert hat. Wenn heute Juden hier bei uns Angst haben, ihre Kinder in den Kindergarten oder die Schule gehen zu lassen, dann sind wir gefordert, Position zu beziehen. Nach dem Terror der Hamas am 7. Oktober braucht Israel unsere Solidarität – und wir trauern auch mit den Angehörigen der Opfer in dem dadurch ausgelösten Krieg in Gaza, der bewusst von der Hamas provoziert wurde. Ich denke, wir hier in Schwalbach haben in der Vergangenheit viel für unser demokratisches Miteinander getan, aber wir sind aufgerufen, auf diesem Weg weiterzugehen und die Mahnung von Igor Levit nicht zu vergessen.“
Besonders bewegend waren die Schilderungen verschiedener Schüler, die den Krieg, das unsinnige Töten und auch die lebensgefährliche Flucht selbst miterlebt hatten. Andere berichteten, wie ihre Großeltern schon früher oder sie selbst mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen waren. Und so hieß es: „Lasst uns gemeinsam für Demokratie und Vielfalt einstehen.“