Besuchverbot, aber solidarische Grüße

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Die Markisen über den Balkonen sind ausgefahren, doch unter dem Sonnenschutz sitzt kein Mensch. Auf der Terrasse vor dem Haupteingang bleiben die Schirme eingerollt und das Mobiliar im Depot. Das Avendi-Altenpflegeheim ist kein Haus der offenen Tür mehr, sondern Sicherheitszone. Der Coronavirus soll draußen bleiben – bis zu den Ostertagen ist dies auch gelungen. Die 58 Bewohner, deren Durchschnittsalter deutlich über 80 liegt, müssen weiterhin auf ihren Zimmern bleiben. Sie sind eine Risikogruppe.

Es waren alarmierende Nachrichten, die zunächst aus Altenheimen in Würzuburg und Wolfsburg kamen. Dann meldeten auch hessische Heime mehrere von Covid-19 verursachte Todesfälle, und deshalb zog die Bundesregierung die Reißleine und verordnete in den Einrichtungen ein Besuchsverbot. Seitdem sind die Bewohner des Hauses „An der Wiesenau“, wie es in Prospekten der Mannheimer Muttergesellschaft genannt wird, von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten. Heimleiter Jean-Pierre Caracena Silva darf Ausnahmen machen, lässt Angehörige herein, wenn Bewohner im Sterben liegen – Seelsorger sind weiterhin willkommen, und juristischer Beistand muss gewährleistet sein.

Durch die Flügeltür fällt der Blick von der Terrasse auf die verlassene Cafeteria. Hier hat es so manchen Kaffeeklatsch gegeben. Man genoss, was an der Kuchentheke bestellt wurde. In diesem Raum war regelmäßig Bingo angesagt. Im rückwärtigen Bereich, der an die Kindergartenzeile mit der Steinbachaue im Hintergrund grenzt, findet vorerst kein Gottesdienst mehr statt.

Betreuung auf den Zimmern

Alle Gemeinschafts- und Gruppenveranstaltungen sind erst einmal gestrichen worden. Stattdessen findet die Betreuung auf den Zimmern statt, hebt Susanne Frank hervor. Sie ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Avendi Senioren Service Gesellschaft verantwortlich. Den Bewohnern wird vorgelesen, Gesellschaftsspiele wie Mühle, Halma und Mench-ärgere-dich-nicht haben Hochkonjunktur .Mit Hilfe von Videotelefonen pflegt man den Kontakt zu Verwandten. Solidarische Grüße aus der Stadt werden umgehend an die Hausgemeinschaft weitergegeben. Das seien , „kleine Lichtblicke“, aus denen „Kraft und Zuversicht“ erwachsen, lässt die Heimleitung verlauten. Bürgermeister Steffen Bonk und Quartiersmanagerin Bärbel Andresen haben Silva aus gebührendem Abstand an der Untergasse Ostergrüße übermittelt, gemalt von Steinbacher Kindern , um auf diese Weise die Verbundenheit zwischen Alt und Jung zu dokumentieren. Am Ostermontag sorgte ein Ständchen von Mitgliedern des Jugendsinfonieorchesters des Hochtaunuskreises für Abwechslung. Fanny Staeger und Ferdinand Mauer spielten unter dem Regenschirm auf der Geige.

In der 2015 eröffneten Einrichtung arbeiten 50 Mitarbeiter in der Pflege, dem Sozialen Dienst, in Hauswirtschaft, Service, Technik und Verwaltung. Wie gut sie sind, hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zuletzt im Fühjahr 2018 festgestellt. Der MDK hat dem Haus eine glatte Eins gegeben. „Unsere Bewohner sagen, dass sie hier wunschlos glücklich sind,“ hebt das Management mit Verweis auf die „hochwertige Pflege und liebevolle Betreuung“ hervor. Dem Personal wird eine „hohe Motivation“ attestiert.

Masken vom Hochtaunuskreis

In diesen Tagen war die Verwaltung mit der Beschaffung von Schutzkleidung für das Personal beschäftigt. „Wir nehmen, was wir kriegen können,“ machte Susanne Frank deutlich, wie schwierig und zeitaufwändig dieses Unterfangen war. Doch nunmehr hat sich die Lage entspannt, denn die „Mammutaufgabe“ wurde mit tatkräftiger Unterstützung durch die Kreisverwaltung zumindest mittelfristig gelöst. In Bad Homburg kam vor Ostern eine Lieferung mit 40 000 Masken an. Aus diesem Fundus konnten alle Seniorenpflegeheime im Hochtaunuskreis ihren Bedarf decken. Auch Avendi in Steinbach.

Zusammen mit den Bewohnern auf den Balkonen des Avendi-Altenpflegeheims genießt Landrat Ulrich Krebs (links) das Ständchen von Ferdinand Mauer und Fanny Staeger (unter dem Schirm). Foto: Hochtaunuskreis



X