Sulzbach (red) – „Wir Hessen sind umzingelt von lauter Deutschen“, klagt der Schauspieler und Kabarettist Walter Renneisen. Und er fügt hinzu: „Doch wir sind ein besonderes Völkchen. Wir sind grob, und wir meinen es auch so.“ Schon im Mutterleib würde der Hesse sagen: „Es wird eng, aber da muss ich durch.“ Und dann habe der Hesse schließlich noch seine Mundart und sei dadurch intellektuell gut aufgestellt: „Denn Leute, die eine Mundart sprechen, sind geistig beweglich. Sie beherrschen eine zweite Fremdsprache.“ Diese Weisheiten vermittelte Walter Renneisen dem begeisterten Publikum auf der Bühne des Bürgerhauses am Platz an der Linde. Die Initiative „Bürger fürs Bürgerhaus“ hatte zu dem unterhaltsamen Abend den für sein Lebenswerk mit dem Grimme-Preis und dem Rheingau Musik-Preis ausgezeichneten vielseitigen Künstler eingeladen, der den Besuchern mit seinem Programm „Deutschland Deine Hessen“ nicht nur die verschiedenen hessischen Dialekte von Kassel bis zur Bergstraße vorstellte, sondern auch als Entertainer mit dem Spielen von einem halben Dutzend Instrumente imponierte.
Der Heppenheimer ist mittlerweile 85 Jahre alt, springt aber wie ein junger Hüpfer von Gag zu Gag, von Lebensweisheit zu Lebensweisheit im romantischen, einfühlsamen, aber auch ruppigen Ton, „denn wir Hessen haben eine liebliche Mundart, aber auch einen gnadenlosen Humor“.
Natürlich fehlten in Renneisens Hessen-Reise die Klassiker nicht. Der verdörrende Kaktus mit der Aufforderung „gieß Dein Kaktus, sonst verderrt der der“ und „Uf em Termsche sitzt e Wermsche mit em Schermsche unnerm Ermsche. Kimmt e Stermsche, bläst es Wermsche mit em Schermsche unnerm Ermsche vom Termsche.“ Das Gedicht vom „Wermsche“ setzte Renneisen an der Hammondorgel auch musikalisch um und zauberte daraus eine eingängige Rock-Ballade.
So wie er in seinem Programm auch musikalische Ansätze an Elvis Presley und Louis Armstrong bot. Elvis Presley sei bei seiner Militärzeit in Friedberg in der Wetterau am richtigen Ort gelandet, weil dort das „R“ genauso gerollt wird wie in den Staaten. Renneisen bezeichnet Louis Armstrong als sein musikalisches Vorbild und sorgte für Gänsehaut-Atmosphäre, als er zur Trompete griff und „What A Wunderful World“ intonierte. Aber auch „Blueberry Hill“, „When The Saints Go Marching In“ und das hessische „Seiste net die Säu im Goade“ gehörten zum Repertoire des Allrounder.
Im Gedächtnis bleiben aber vor allem die hessischen Sprüche wie „Halts Maul, wann de mit mir redst“, „Ohne Hirn is mer wie blöd“, „Gut, dass de Karl gestorbe iss, er hätt sowieso net mehr lang gelebt“ „Eh ich mich uffrech, is mir’s lieber egal“ oder wie ein Mann im dritten Stock eines Hauses stürmisch an der Haustür klingelte und als ihm der Bewohner die Tür öffnete, den anherrschte: „Sind sie der Mann, der meinen Sohn am Main vor dem Ertrinke gerettet hat?“. Als der „Ja“ sagte, kam spontan mit bösem Blick die Frage: „Wo ist die Kapp?“ Der Hesse – so Renneisen – sei generell direkt, schlagfertig und reduziere einen Satz auf das Wesentliche, etwa bei „eieiei“ oder „och, och, och“.
Walter Renneisen plädierte dafür, dass die Mundart erhalten bleibt, und befürchtete, dass unsere Sprache verkommt. „Wenn ich die Ausdrücke junger Leute wie ‚Fuck‘ und ‚krass‘ höre, wird mir übel.“
Sein Fazit: Hessen werden oft unterschätzt. Jeder wisse, wo Bayern liegt. Jedes Kind kenne Preußen, und den Sachsen erkenne man selbst auf Mallorca. Aber keiner kenne die Stammesgeschichte der Hessen. Dabei habe schon der römische Dichter Tacitus (55 bis 100 Jahre nach Christus) geschrieben: „Für Deutsche haben die Hessen sehr viel Verstand.“