Bad Homburg (jbr). Eine Stimme wie von einer Schallplatte, die man aus dem Südfrankreichurlaub als Erinnerung an eine schöne Zeit mitgebracht hat: Lydie Auvray ließ die Englische Kirche im Glanz ihrer Chansons erstrahlen und berührte das Publikum mit einschlägigen Melodien, Gesang und Geschichten. Das Lydie-Auvray-Trio, also die Akkordeonistin und Sängerin mit Eckes Malz und Markus Tiedemann an Klavier, Percussion, Gitarre und Bass im Gepäck, begann seinen Auftritt wortlos mit unverkennbar französischen Akkordeonklängen und rhythmischer Unterlage von Klavier und Gitarre. Sofort verbreitete das Trio gute Laune im Saal. Lydie Auvray führte selbst durch den Abend, erzählte Anekdoten zu den Stücken, die größtenteils von Auvray selbst oder ihren Bandkollegen verfasst wurden, und auch aus ihrem eigenen Leben.
„Kennen Sie das, wenn Sie einen geliebten Menschen mit einem anderen sehen und denken: Och nö?“, fragte die Bandleaderin ins Publikum hinein. Ihr sei es zumindest einst so gegangen, sie habe jedoch beschlossen, nicht einzuschreiten, sondern ein Lied darüber zu schreiben. „Vergiss ihn!“ sang Lydie Auvray mit wunderbarer Stimme, und als sie wenige Takte später auch das Knopfakkordeon hinzunahm, ging ihre Musik mitten in die Herzen der Zuhörer. Dank ihrer musikalischen Ausdrucksweise und der stimmigen Begleitung durch Eckes Malz und Markus Tiedemann vermochten auch jene, die aufgrund fehlender Fremdsprachenkenntnisse die französischen Texte nicht übersetzen konnten, Gefühle und Inhalt der Werke Lydie Auvrays zu verstehen und sich davon bewegen zu lassen.
Auch die Stücke der Instrumentalisten kamen in der Englischen Kirche sehr gut an. Mit Tiedemanns Stück „Der hämisch grinsende Hund“ nahmen die Musiker an diesem Donnerstagabend auch den letzten am Stuhl festgeeisten Zuhörer mit in einen kurzen Urlaub nach Frankreich. Lautmalerisch zeichnete Lydie Auvray mit der Vertonung eines Spaziergangs durch Paris im Januar ein wunderbares Bild vor dem inneren Auge des Publikums. Malz pfiff zu den rhythmischen Melodien des Akkordeons und lud die Zuhörer zum Fantasieren über einen sonnigen Wintermorgen in der Metropole ein.
Winterlich ging es weiter mit einem Tango, den die Sängerin „Im Sibirien-Express“ getauft hatte. Ein exzellent herausgearbeitetes Eisenbahnmotiv mit ein wenig Melancholie, die bekanntlich zum klassischen Schauen aus dem Abteilfenster gehört, kombiniert mit dem vertonten Vordringen des Zugs in die schneebedeckte Taiga schuf das Bild einer Reise durch die kalte Jahreszeit.
„La pluie“: Der Regen klopft ans Fenster und beschwert sich, dass alle anderen ins Trockene verschwinden sobald er kommt. Das sei nicht fair. „Und da hat er Recht“, stellte Lydie Auvray fest. Und genau darüber sangen die drei Musiker in einem weiteren Stück von Markus Tiedemann. Eckes Malz gelang es dabei, Rassel, Bass-, Snare Drum und Gesang unter einen Hut zu bringen. Auch komponierte Malz das Instrumental „Einer nach dem anderen“, wobei nicht nur der Pianist selbst in einem lebhaften Solo gefordert war, sondern auch die Finger der Akkordeonistin rasant über die Knöpfe flogen.
Eines durfte natürlich nicht fehlen: der Valse Musette. Diese französische Gattung kehrte mit dem Knopfakkordeon in den Händen Lydie Auvrays zu seinen Wurzeln zurück. Flink ließ die Instrumentalistin für einen Musette-Walzer ihre Finger wiederholt über das Instrument gleiten, und es entstand ein virtuoser Klang. Heiter, bedacht, wehmütig, in liebevoller Erinnerung und mit viel Charme erklang die Musik des Trios auch im zweiten Teil des Abends. Das Publikum zeigte sich hellauf begeistert von den französischen Gästen in der Englischen Kirche und konnte gar nicht genug bekommen. Unter großem Applaus und mit mehreren „letzten“ Liedern ließ Lydie Auvray schließlich den Abend ausklingen.