Mit Beharrlichkeit zum Sensationsfund

Archäologin Dr. Gabriele Rasbach berichtet an der Humboldtschule über „Das Geheimnis des vergoldeten Pferdekopfes“. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Geschichte und Latein stehen auf der Fächer-Beliebtheitsskala vieler Schüler meist nicht an erster Stelle. Dabei kann die Beschäftigung mit der Vergangenheit und einer „toten“ Sprache bei entsprechender Vermittlung informativ und spannend sein und mit jedem Abenteuer konkurrieren. Wie das geht, zeigte die Humboldtschule mit ihrem im Schuljahr 2020/21 durchgeführten „denkmal aktiv“-Projekt „Rom in Hessen – vom Pferdekopf aus Waldgirmes zum Welterbe Limes“.

Am Projekt beteiligt waren 60 Schüler aus dem Lateinkurs 6a und 6d von Melanie Reininger und dem Lateinkurs 9c und 9d, Grund- und Leistungskurs Latein der Q4, von Antje Schomerus. Projektkoordinatorin Schomerus verwies in ihrer Begrüßung darauf, dass die Humboldtschule eine Unesco-Projektschule ist. Da das Unesco-Welterbe Limes in der Nähe ist, sei es immer wieder Teil des Unterrichts. In diesem Schuljahr lag der Schwerpunkt auf der Vorgeschichte des Limes. „Dieses Projekt war auch für mich anders als die sechs Vorgängerprojekte.“ Gefördert wurde das Projekt von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Rahmen ihres Schulprogramms „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“ und der Deutschen Unesco-Kommission.

Bei der Abschlussveranstaltung in der Aula gehörte Oberbürgermeister Alexander Hetjes, der ein Grußwort sprach, zu den Gästen. Referentin des Kurzvortrags „Das Geheimnis des vergoldeten Pferdekopfes“ war die Archäologin Dr. Gabriele Rasbach. Zusammen mit Armin Becker war sie Grabungsleiterin in Lahnau-Waldgirmes. Dort wurde 2009 der lebensgroße, schwärzliche Pferdekopf eines Reiterstandbildes, vermutlich von Kaiser Augustus (63 vor bis 14 nach Christus), auf dem Grundstück eines Landwirts gefunden. Der Pferdekopf ist 15 Kilogramm schwer, 59 Zentimeter lang und wie auch das Standbild aus Bronze. Beide waren mit Blattgold vergoldet.

Der Pferdekopf zeigt auf dem Nasenrücken eine Platte mit der Darstellung des römischen Kriegsgottes Mars, an den Seiten sind Siegesgöttinnen angebracht. Auf der Stirn befand sich ein jetzt herausgebrochenes Medaillon des obersten römischen Gottes Jupiter. Das Zaumzeug des Pferdes ist reich verziert, unter anderem mit sechs Schmuckscheiben. Vermutlich sollte der goldene Reiter den germanischen Barbaren die Größe Roms vor Augen führen.

Zerstört wurde das Symbol der Macht Roms bei einer Art „Bildersturm“ mit Feuer und Gewalt. In fünf Innenhofgruben wurden mächtige Steinblöcke entdeckt. Sie könnten als Postamente für fünf Reiterstandbilder gedient haben. Gefunden wurden in zwei Brunnen auch Teile eines Pferdebeins, viele Scherben und Gefäße, mehr als 290 Holzobjekte wie Konstruktionshölzer, Wagenteile und Leitern, aber keine schriftlichen Zeugnisse. „Das zeigt, dass Waldgirmes zum Outback des Römischen Reiches gehörte.“ Der Fund des rund 2000 Jahre alten Pferdekopfes von Waldgirmes ist mehreren Zufällen und der Beharrlichkeit der Archäologen zu verdanken.

Im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis zehn Kilometer westlich von Gießen standen vor rund zwei Jahrtausenden eine zivile Siedlung und ein Forum (Verwaltungszentrum). Sie gelten als archäologische Sensation. Handelt es sich doch nicht wie 1996 vermutet um ein römisches Militärlager, sondern um die bislang einzige Gründung einer römischen Stadt in Germanien östlich des Rheins und nördlich der Donau.

20 Jahre lang, von 1993 bis 2009, wurden in Waldgirmes Ausgrabungen von der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts durchgeführt. Etwa 4,4 der insgesamt acht Hektar großen Siedlung wurden ausgegraben. Vor Abschluss der Ausgrabungen wurden zwei Brunnen untersucht. „Wir haben vom Fleck auf der Oberfläche bis 6,50 Meter tief gegraben. In 5,50 Meter befand sich der Brunnenkasten aus Eichenbalken und die Baugrube des Brunnens.“ Der Grabungstrichter des Brunnens, in dem der Pferdekopf in einem über 1000-Liter-Fass in elf Metern Tiefe zwischen Mühlensteinen gefunden wurde, hatte oben am Ende der Grabungen einen Durchmesser von 24 Metern.“ Die Grabungsbedingungen im Sommer 2009 waren mit „Wasser von unten und Wasser von oben“ schlecht. Die ersten Funde entsprachen von Form und Anlage nicht den Erwartungen der Archäologen – bis auf die typische Holz-Erde-Mauer als Umrandung der Anlage hinter zwei Spitzgräben. Mit Hilfe von Schwebebalken auf einem Stein konnten Rückschlüsse auf eine Halle mit einer lichten Höhe von sechs Metern gezogen werden.

Der Pferdekopf wurde in den Restaurierungswerkstätten im Landesamt für Denkmalpflege aufwändig restauriert (Kosten: 75 000 Euro). Die Entstehung des Pferdekopfs wird auf die Zeit zwischen 4 vor Christus und 16 nach Christus geschätzt. Verschiedene Hinweise sprechen dafür, dass der Brunnen, in dem der Teil der Statue gefunden wurde, nach dem Jahr 7 nach Christus absichtlich und vollständig verfüllt wurde. Nach Ausweis dendrochronlogischer Daten wurde die gesamte Siedlung im heutigen Waldgirmes am Ende des Jahres 9 oder Anfang des Jahres 10 nach Christus zerstört und niedergebrannt.

Der Pferdekopf, weitere Funde und großformatige Fotos aus Waldgirmes sind in einer Dauerausstellung im Römerkastell Saalburg zu sehen.



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