Bad Homburg (nl). Der Saal im Homburger Bahnhof brummt. Alle Plätze unterm Dach im Kulturspeicher sind ausverkauft. Das gibt’s selten. Und dann kommt sie, Carmen Sousa, der Name klingt etwas streng, aber die Erscheinung der Künstlerin ist es nicht. Im Gegenteil. Sie trägt Gelb und dazu lange blaue, spielerisch tänzelnde Ohrringe. Sie strahlt. Sie singt, so scheint es, in einer klangvoll weichen Phantasiesprache, die melodisch, unheimlich einladend und supersympathisch klingt. Wir leben in anstrengenden Zeiten und Carmen Sousa nimmt ihr Publikum für einen Freitagabend lang die Ernsthaftigkeit und taucht den Alltag in die bunten Farben des Südens.
Schnell und kaum tanzbar ist der Rhythmus ihrer Lieder. Aber das macht nichts, denn wie wir wissen, will das Bad Homburger Publikum sowieso lieber sitzen bleiben. Hüften schwingen ist auch heute nicht angesagt.
Carmen Sousas Gesang ist eine Art Sprechgesang, der ab und zu die weichen Vokale auskostend, den Ton hebt und durch den Raum trägt. Sie dreht die Stimme kurz auf in den Sopran und dämmt ihn anschließend hinunter in den Alt. Der dritte Song ist eine Geschichte über die portugiesische Kolonialzeit. Carmen Sousa, das erzählt sie ihrem Publikum, hat im vergangenen Jahr ihren Master in Anthropologie gemacht. Es interessierte sie einfach, inwiefern die kulturellen Einflüsse die Musik prägen. Davon singt Carmen Sousa schließlich auch und ermuntert ihre Bad Homburger Fans, ihre Bescheidenheit abzulegen und doch noch die Hüften zu schwingen. Dafür erntet sie allerdings bloß ein paar gelassene Lacher. Sie nimmt es locker und haut mit ihrer eindringlichen Stimme Songs von der Bühne raus ins Dunkel, die einen umhüllen in ein Gute-Laune-Gefühl. Sand, Sonne, Softdrinks und die Süße der Leichtigkeit ziehen in den mit dunklen Holzbalken gegliederten Raum ein. Begleitet wird die Sängerin von zwei weiteren Musikern. Einem Schlagzeuger und einem Bassisten. Sie selbst hat eine Gitarre vor sich, die für echte handgemachte Musik steht.
Nach einer halben Stunde etwa setzt sie sich an den Flügel und kündigt an, dass der kommende Song von Freundschaft handelt. Allerdings lässt sie den ganzen Abend als Grundton des Konzerts die Kolonialisierung nicht los. Sie spielt in jeder Geschichte, von der ihre Songs handeln, eine große Rolle.
Und weiter geht’s in schnellem Tempo zum nächsten Song. Viel zu schnell für gepflegtes Tanzen. Carmen Sousa ist eine Art von Langstreckenläuferin der Musik. Jazz, Improvisation mit einem Topping aus Lazy Pop und brasilianischem Karnevalsound machen aus, was sie ausmacht, die Künstlerin mit dem warmen Timbre und dem Versprechen von einem mitreißenden Einblick in ferne Urlaubswelten, aus denen man komplett verändert zurückkehrt. Wehmütig endet der Abend, der viel Melancholie mit Gelassenheit mischt.