Bad Homburg (hw). Noch bis zum 24. Juni ermöglicht eine Einzelausstellung in der Galerie Scheffel, Ferdinandstraße, Einblick in das unverkennbare Werk des Bildhauers Sebastian Kuhn. Zu sehen sind zahlreiche seiner freistehenden Plastiken und dreidimensionalen Wandarbeiten, die durch ungewöhnliche Objekt- und Materialkombination je eigene Imaginationsräume und Wahrnehmungswelten erzeugen. Als Ausgangspunkt für seine komplexen Kompositionen arbeitet Sebastian Kuhn mit Objekten des Alltags, die er zerlegt, mit den unterschiedlichsten, aus unserem Lebensumfeld geläufigen Materialien kombiniert und in neue Beziehungsgefüge und Zusammenhänge überführt. Transformationsprozesse, Materialität und Farbigkeit spielen dabei eine ebenso große Rolle wie Rhythmik und Raumerfahrung.
Kuhn gibt keine definierte Grundhaltung, keine festgelegten Botschaften vor. Vielmehr inszeniert er mit seinen Neukonstruktionen ästhetische und metaphorische Erfahrungsräume. Sein künstlerisches Leitmotiv beschreibt er mit einem Zitat des französischen Philosophen Gilles Deleuze: „Wahrnehmen heißt, die Welt zu pulverisieren, aber auch, ihren Staub zu spiritualisieren.“ Für die Bad Homburger Ausstellung hat Sebastian Kuhn das englische Wort „conundrum“ (Rätsel) als Titel gewählt: Dessen rhythmischer Klang suggeriert Bewegung, und zugleich verweist es auf die Vielschichtigkeit seiner Arbeiten, die stets dazu auffordern, das Sichtbare zu hinterfragen. In ähnlicher Weise bietet Kuhn dem Betrachter seine Werktitel als Anknüpfungspunkte für eine persönliche Beziehung zu den Objekten an, als Impulse für die individuelle Betrachtung und Reflexion.
So erweckt etwa die Arbeit „Transcendental Device“ mit ihrem pinkfarbenen Gestänge, den daran angebrachten Handgriffen und gusseisernen Gewichten den Eindruck eines gefundenen Geräts, während der Titel darauf hinweist, dass die Erkenntnis des Gegenstands, des gebauten Kunstwerks, noch vor der subjektiven Erfahrung liegt. „On a Turtle’s Back“ deutet auf den aus der indischen Kosmologie stammenden Mythos der die Welt tragenden Schildkröte hin. Als Bindeglied zwischen Alltagswelt und Kunstobjekt dient hier eine Art Hocker mit weicher, runder Sitzfläche. Doch die kantigen und wie durch Drehung und Fliehkraft weit in den Raum ausgreifenden Elemente aus Stahl und Acrylglas verhindern den Gebrauch des einstigen Möbels. Wie ein zweckdienliches Möbel auf einem Teppich erscheint zuerst auch „Satellite“. Formal erinnert das Objekt an einen klassischen Sockel mit Fußgesims, der zur Erhöhung eines Kunstwerks dient. Ohne sichtbaren Bodenkontakt scheint es aber – mittels eines von unten heraus leuchtenden Antriebs – selbst zu schweben, gar abzuheben. So präsentiert es sich selbst als künstlerisches Objekt, trägt aber doch eine schwarze Acrylglasplatte, die wiederum beim Umrunden verschiedene Spiegelbilder der Umgebung auf dem Sockel präsentiert.
Licht, Spiegelung und Farbe erzeugen bei „Hangover Constructivism III“ die Illusion einer Erweiterung und Dynamisierung des Raums. Auch hier wird der Betrachter als Akteur mit einbezogen. Während er die Konstruktion aus Neonröhre, Stegplatte, Spiegel, Glas und Acrylglas aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und versucht, das Zusammenspiel der Einzelteile zu erkunden, eröffnen sich immer neue Perspektiven, Durchsichten, Lichtkorridore und Spiegelungen. Gleichzeitig variieren je nach Betrachterstandpunkt die Farben auf der mit einer Spezialfolie beklebten äußeren Scheibe. Beim langsamen Umschreiten verändern sie sich in stufenlosen Verläufen. Auch zahlreiche neue, teils für die Ausstellung angefertigte Arbeiten der Werkserien „Display Devices“ und „Anchor Pieces“ von Kuhn sind zu sehen.
Sebastian Kuhn, 1977 in Krumbach geboren, war Meisterschüler in der Bildhauerklasse von Tim Scott an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg (1999-2002), absolvierte dort zusätzlich ein Studium der Bildhauerei und Kunsterziehung bei Claus Bury (2003-2006) und anschließend ein MA-Studium der
Bildhauerei am Wimbledon College of Art in London (2006-2007). Seitdem wurden die Werke des vielfach ausgezeichneten Künstlers in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland ebenso wie in Österreich, Großbritannien, Japan und China gewürdigt und befinden sich international in privaten und öffentlichen Kunstsammlungen – in Deutschlandunter anderem in den Sammlungen des Museums Biedermann, des Neuen Museums Nürnberg oder der Kunsthalle Mannheim.
!Die Ausstellung „Sebastian Kuhn – Conundrum“ in der Galerie Scheffel, Ferdinandstraße 19, ist dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr und samstags von 11 bis 15 Uhr geöffnet.