Corona-Schwerpunktpraxis eröffnet

Sozialdezernentin Katrin Hechler (l. mit blauer Maske), Gesundheitsdezernent Thorsten Schorr (Mitte, karierte Maske) und der Allgemeinmediziner und Organisator der Schwerpunktpraxis, Christian Müller (r.) vor dem Eingang der Praxis. Foto: Hochtaunuskreis

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Seit Montag gehört Bad Homburg zu den 55 Standorten in Hessen mit einer Corona-Schwerpunktpraxis. Sie ist für Patienten aus dem gesamten Hochtaunuskreis zuständig, der Betrieb ist vorerst bis Herbst 2020 vorgesehen. Bei Bedarf ist eine Verlängerung und auch eine Erweiterung möglich, so Kreisgesundheitsdezernent Thorsten Schorr. Das Gebäude gehört einer kirchlichen Stiftung, der Kreis hat rund 80 000 Euro in die Umnutzung als Praxis investiert und kommt auch für die laufenden Kosten auf.

Der Betrieb läuft planmäßig, konnte der Bad Homburger Allgemeinmediziner Christian Müller am Montag gegen Mittag melden. Bis dahin hatten die ersten Patienten nach Terminvereinbarung vorab in der neuen „Corona-Schwerpunktpraxis“ vorgesprochen. So soll es sein, „tumultartige Szenen“ sollen unbedingt vermieden werden, so der Gesundheitsdezernent des Hochtaunuskreises, Thorsten Schorr, bei der Vorstellung des jüngsten Projekts in Sachen Bewältigung der Corona-Krise.

In der binnen weniger Wochen von Stadt und Kreis installierten Praxis geht es dem Ordnungssystem entsprechend gesittet zu, die Räume eines ehemaligen kirchlichen Gemeindezentrums im Gluckensteinweg bieten dazu die bestmöglichen Voraussetzungen.

„Corona-Schwerpunktpraxis Hochtaunuskreis“ steht auf dem Aufsteller vor dem Eingang zum einstigen Zentrum von Sankt Franziskus im Bad Homburger Ortsteil Kirdorf. Hier behandeln Mediziner Christian Müller und weitere elf niedergelassene Ärzte aus dem Hochtaunuskreis vornehmlich Patienten mit Symptomen einer Infektionskrankheit. Wichtig: Die Praxis mit vier Behandlungs- und weiteren Ausweichräumen ist kein Corona-Testzentrum, sondern als reines Behandlungszentrum vorgesehen. Melden sollen sich Patienten mit typischen Infektionssymptomen wie Husten, Fieber oder Durchfall, entweder über ihre Hausarztpraxis mit entsprechender Überweisung oder auch auf direktem Weg im neuen Zentrum. Dort können unter „sehr guten Hygiene-Bedingungen“, versichern Schorr, Müller und die kooperierenden Ärzte, Patienten eingehend untersucht werden. Christian Müller hat die Umsetzung seiner Idee federführend begleitet und ist schnell auf „Gegenliebe bei den Kollegen gestoßen“, wie er sagt. Für das „große freiwillige Engagement“ bedankte sich Schorr ausdrücklich bei den Medizinern. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat das Konzept genehmigt, abgerechnet wird ganz normal mit Krankenkassenkärtchen.

Den Betrieb entzerren

Das Zentrum soll vor allem Menschen helfen, die aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus den Besuch in einer Arztpraxis scheuen. Viele normale Patienten trauten sich das nicht mehr, sagt Arzt Müller aus Erfahrung. Gleichzeitig sollen Haus- und Fachärzte entlastet und der Betrieb entzerrt werden, denn über zwei Eingänge und zwei Wartezimmer, um möglicherweise infizierte von anderen Patienten zu trennen, verfüge keine Hausarztpraxis.

Im Gluckensteinweg finden Menschen aus dem gesamten Kreisgebiet kompetente Beratung und Behandlung, vorgesehen ist vorerst der Betrieb der Praxis an Werktagen von 10 bis 14 Uhr. „Bei Bedarf ist eine Erweiterung möglich“, so Initiator Christian Müller, die Zeiten könnten geändert werden, wenn sich ein anderer Bedarf zeigen sollte. Müller geht auch davon aus, dass sich weitere Ärztinnen und Ärzte aus dem Kreisgebiet an dem Modell beteiligen werden.

Gestartet ist das Ärzteteam am Ort am Montag mit einem Mediziner und einer Sprechstundehilfe aus der eigenen Praxis. Bei Bedarf können auch mehrere Ärzte gleichzeitig arbeiten, die vier Behandlungsräume ermöglichen das ohne Probleme. Registriert werden die Patienten ganz normal wie in einer Praxis, die Sprechstundenhilfe arbeitet hinter einem so genannten „Spuckschutz“. Luxuriös mit Blick auf das Abstandsgebot das Wartezimmer, eingerichtet mit Stühlen in mindestens zwei Metern Abstand im 200 Quadratmeter großen ehemaligen Gemeindesaal. Distanz kann gewahrt, Berührungsängste muss hier niemand haben. Die behandelnden Ärzte arbeiten in Schutzkleidung, die von der Kassenärztlichen Vereinigung zur Verfügung gestellt werden. „Es gibt keinen Mangel, wir sind üppig ausgestattet“, sagt Müller und zeigt die vollen Schubladen in der einstigen Sakristei. Eingerichtet ist die Corona-Schwerpunktpraxis wie jede Hausarztpraxis, die Ärzte haben aus eigenem Fundus zwei EKG-Geräte, ein Ultraschallgerät, Notfallausrüstung, Defibrillator und ein Gerät zur Überprüfung der Sauerstoffversorgung zur Verfügung gestellt. Wenn die ärztliche Indikation gestellt wird, kann auch ein Corona-Abstrich gemacht werden. Aber, so Müller: „Wir sind kein Testzentrum!“

Aus der Presse hat Anwohnerin Christine Welte von der neuen Corona-Schwerpunktpraxis erfahren – und äußert scharfe Kritik. „Die Anwohner sind nicht über diese Praxis informiert worden. Es gab überhaupt keine Information, keinen Zettel, gar nichts“, schimpft sie. Die Bad Homburgerin, die schräg gegenüber der Praxis wohnt, hält den Standort für nicht geeignet. „Die Praxis ist direkt neben der Kita und der Gesamtschule am Gluckenstein.“ Sie fordert vom Kreis eine Erklärung.

!Termine in der Corona-Schwerpunktpraxis können unter Telefon 06172-8039982 oder per E-Mail an corona-schwerpunktpraxis[at]praxis-im-web[dot]de ausgemacht werden. Wer keine Symptome hat und nur wissen möchte, ob er infiziert ist, muss sich wie gehabt unter der Rufnummer 116 117 um einen Termin in einem Testzentrum bemühen.

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