Bad Homburg (fch). Beim Blick auf das Outfit von Alfons dürfte Modezar Karl Lagerfeld, seines Zeichens Kreativdirektor bei Chanel, vor Schreck der Fächer aus der manikürten Hand fallen. Präsentiert sich der französische Kabarettist Emmanuel Peterfalvi in seiner Rolle als Alfons doch alles andere als im schicken Designerlook made in France. Die orangefarbene Trainingsjacke mit den sportlichen Streifen des gebürtigen Parisers aus dem multikulturellen 13. Arrondissement wurde in der ehemaligen DDR hergestellt.
Gefunden hat Emmanuel Peterfalvi das gute Stück bei einem Spaziergang durch einen Kostümfundus. „Die einsame, alte Jacke hat mich angelächelt“, beschreibt er den magischen Augenblick des Zusammentreffens. Der Fund der Trainingsjacke wurde zur Geburtsstunde der Kunstfigur Alfons. Mit viel Gel im Haar, Poloshirt, brauner Stoffhose und Turnschuhen erobert dieser seit den 1990er-Jahren als bekannter „trotteliger Reporter Alfons mit dem Puschelmikrofon“ die Bühnen. Und erzählt seinen deutschen Fans dann jedes Mal seine neuesten, immer wieder begnadeten Geschichten.
Träume leben
So wie am vergangenen Wochenende im Kurtheater. Da stellte der stets verschmitzt lächelnde oder treuherzige Dackelblicke um sich werfende Franzose den Besuchern im vollbesetzten großen Saal sein neues Bühnenprogramm „Alfons – jetzt noch deutscherer …“ vor. Begleitet wurde der Kabarettist dabei am Flügel von Sängerin Julia Schilinski. Diese hauchte seinen Geschichten mit ihrer Musik und ihrem Gesang wie „Fly Me To The Moon“ stets neue Aspekte ein. Das Ergebnis war mal vertiefend, mal überraschend, mal humoristisch, mal nachdenklich. Dabei ging es um ein ernstes Thema, das der Kabarettist gewohnt satirisch präsentierte: sein langer Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft, die er inzwischen zusätzlich zur französischen besitzt. Nicht weiter verwunderlich, wenn man weiß, dass er seit 27 Jahren in Hamburg in einem Reihenhaus lebt, ADAC-Mitglied ist, Deutschland und die Deutschen trotz aller Unterschiede lieben gelernt hat.
Mehr als erstaunlich ist die doppelte Staatsbürgerschaft, wenn man weiß, dass seine grand-mère Erica im KZ Auschwitz war. Sie ermunterte ihn, seine Träume zu leben, lehrte ihn, dass Hass grundsätzlich der falsche Weg ist. Jeder kann sich frei entscheiden, worauf er seinen Lichtstrahl richtet. Ihr Enkel nutzte diesen Rat, um an seine Zuhörer am Abend vor dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus zu appellieren, ihre Vernunft zu nutzen, sich nicht wieder von Agitatoren und Hasspredigern aufwiegeln und verführen zu lassen.
Vorsicht – Kleingedrucktes!
Die Geschichte seiner deutschen Staatsbürgerschaft ins Rollen brachte ein Brief mit der Frage: „Sie leben schon sehr lange in Deutschland – möchten Sie deutscher Staatsbürger werden?“ Alfons war verwirrt: „Ich hatte mir diese Frage noch nie gestellt. Ich habe mir den Brief erstmal genau angeguckt, denn ich habe gelernt: Man muss in Deutschland aufpassen, seitdem Gutenberg im 15. Jahrhundert das Kleingedruckte erfunden hat. Vielleicht steht da ja, Deutschsein ist im ersten Jahr kostenlos, aber dann…..“ Doch er fand weder Kleingedrucktes, noch Werbung, sondern es war tatsächlich ein offizielles Schreiben.
„Ich dachte mir: Deutscher werden – warum eigentlich nicht? Aber gleichzeitig auch: Warum eigentlich? Sie müssen wissen, Franzose und Deutscher zu sein, das ist ein Widerspruch in sich: Deutsche sind diszipliniert, pünktlich und effizient – Franzosen sind... normal!“ Zumindest so normal, dass sie Demonstrationen nicht vorher ankündigen und ein Formular ausfüllen.
Gekonnt vermittelte der Kabarettist den Widerstreit seiner Gefühle, das Für und Wider, das Entsetzen und Unverständnis seiner französischen Freunde in seinem Dialog mit dem sprechenden Amtsbrief. Er schwelgte in Erinnerungen an seine sonnigen Kindheitstage in Frankreich, an seine Oma mit der tätowierten Nummer auf dem Arm, an seine Liebe fürs Radio, die er als 14-Jähriger zusammen mit Freunden im eigenen Piratensender auslebte und seinem langen Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft, die ihn in deutsche Amtsstuben führte.
Das kurstädtische Publikum war von der gelungenen Mischung aus Comedy, Theater und Kabarett fasziniert, trainierte seine Lachmuskeln bei Sätzen wie „Alfons, komm doch zu uns, wir sind ein friedliches Land!“. Worauf er kommentierte: „Klar, alle Waffen sind kaputt.“ Zum Nachdenken verführte er mit Thesen wie „Die Regel Rechts vor Links gilt in Deutschland nicht nur beim Autofahren.“