Bad Homburg (jas). Für Bernd Hoffmann, den künstlerischen Leiter des Poesie- und Literaturfestivals, ging am Donnerstagabend im Kurtheater ein kleiner Traum in Erfüllung. Der Autor E. T. A. Hoffmann habe ihn schon immer begeistert. Der magische Realismus, als dessen Vorreiter der Romantiker angesehen wird, fasziniere ihn, sagte Hoffmann. Bereits zum 16. Mal konnte er im Beisein von Kurdirektor Holger Reuter das Festival eröffnen und sich darüber freuen, dass zahlreiche Stars aus Film und Fernsehen seiner Einladung gefolgt waren. Herzlich begrüßte er den deutschen Schauspieler Matthias Brandt, der zum Auftakt die von E. T. A. Hoffmann geschriebene Novelle „Die Bergwerke zu Falun“ mitgebracht hatte.
Schon mehrfach hatten Brandt und sein kongeniales musikalisches alter Ego, der Pianist und Komponist Jens Thomas, das Festival-Publikum mit ihren spannenden Wort- und Musikcollagen in Atem gehalten. Diesmal präsentierten die beiden nun die Hoffmann-Novelle aus dem Jahr 1819, die eine tragisch endende Liebe thematisiert. Der Mix aus nordischer Sage, dramatischer Liebesgeschichte und schwarzer Romantik zog die Zuhörer dank der faszinierenden Sprachkunst Brandts und der meisterhaften musikalischen Improvisation von Jens Thomas am Flügel sofort seinen Bann.
Die Geschichte beginnt an einem „sonnenhellen Juliustag“ und erzählt von dem jungen Seefahrer Elis Froböm, der von einer Ostindienfahrt nach Schweden zurückkehrt. Er ist niedergeschlagen und traurig, denn seine Mutter ist während seiner Zeit auf See verstorben. Während Brandt, der auf der Bühne auf einem einfachen Stuhl Platz genommen hat, die Novelle mit ausdrucksstarker Betonung und dazu passender Gestik vortrug, ließ Thomas mit Melodien und Tönen die passende Stimmung entstehen. Wie bei der Vertonung eines Stummfilms erweckte er Emotionen, ließ die Zuhörer mit dem Protagonisten Elis lieben, hoffen, leiden und verzweifeln. Thomas sang und stöhnte, wimmerte und kreischte. Mal eilten seine Finger über die Tasten des schwarzen Flügels, mal zupften, schlugen oder hämmerten sie auf die Saiten. Was Thomas gerade tat, spiegelte sich im aufgeklappten Deckel des Instruments wider. Das Duo erschuf mit Stimme und Musik eine eindrucksvolle Atmosphäre und zog sein Publikum immer weiter in die Geschichte hinein.
Ein alter Bergmann drängt den Seemann, sein Glück in der unterirdischen Bergwelt Schwedens zu suchen und dort „dem Maulwurf gleich“ nach Erzen zu graben. Wie die „Gänge eines Zaubergartens“ beschreibt er Elis die Welt unter Tage. In Falun angekommen verliebt er sich in Ulla, die Tochter des Minenbesitzers Pehrson Dahlsjö. Elis ist zwischen der hellen Oberwelt und der düsteren Unterwelt hin- und hergerissen. Er leidet Qualen, die richtige Entscheidung zu treffen.
Brandt und Thomas ließen den dunklen „Höllenschlund“, den Eingang zum Schacht, vor den Augen ihres Publikums entstehen. Elis befindet sich in einem psychischen Ausnahmezustand, am Flügel eindrucksvoll von Thomas nachgezeichnet. Atemlos still war es im Saal, wenn Brandt eine seiner wenigen, kurzen Pausen einlegte und die ungeteilte Aufmerksamkeit dem Pianisten zukam. Arrangements von Neil-Young-Songs erklangen. Sie ließen innehalten und erzeugten Gänsehaut. Die Geschichte steuerte derweil auf ihren Höhepunkt zu: Elis will Ulla heiraten, doch am Tag der Hochzeit siegt die Anziehungskraft des Bergwerks und bringt den Bräutigam dazu, noch einmal in den tiefen Stollen hinabzusteigen, um seiner Braut einen ganz besonderen Stein als Geschenk heraufzuholen. Der Stollen stürzt ein und begräbt Elis. 50 Jahre später wird aus dem Bergwerk der Leichnam eines in Vitriolwasser konservierten jungen Mannes geborgen. Ulla identifiziert ihn als ihren Elis. Als sie ihn umarmt, stirbt sie und sein Körper zerfällt zu Staub.