„Die Drohung war ein Volltreffer ins Epizentrum meiner Angst“

Hochtaunus (fch). Im Rahmen der Interkulturellen Wochen im Hochtaunuskreis begrüßte Sozialdezernentin Katrin Hechler gemeinsam mit Fachbereichsleiterin Annette Goy von der Leitstelle Integration, Bestseller-Autorin Mo Asumang. Erwartet wurde die Autorin im Hof des Landratsamts zur Open-Air-Lesung aus ihrem Buch „Mo und die Arier – Allein unter Rassisten und Neonazis“ von zahlreichen Besuchern.

Mo Asumang wohnt in Berlin. Sie arbeitet als Moderatorin, Produzentin, Regisseurin, Schauspielerin und Dozentin. Wie sich Fremdenhass anfühlt, hat die 1963 in Kassel geborene Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers bereits als Kind erfahren. In ihrem Buch „Mo und die Arier“ schildert sie von ihren Begegnungen mit Rassisten, Rechtsradikalen, Neonazis, Anhängern des Ku-Klux-Klans und rechtsextremen Esoterikern. Sie erzählte ihren Zuhörern von ihren Besuchen und Reisen zu selbsternannten „Ariern“ auf Demonstrationen von Rechtsradikalen und ihrem Treffen in den USA mit dem 2020 verstorbenen Thomas Linton Metzger von der 1983 gegründeten „White American Resistance“. Sie merkte an, dass das Thema Rassismus vor allem in den sozialen Netzwerken präsent ist. Sie hatte sich unter anderem auf Dating-Portalen mit selbsternannten „Patrioten“ verabredet, berichtete von ihren Treffen. „Aus den Medien ist das Thema derzeit verschwunden.“

Die rechtsextreme Berliner Hatecore-Band „White Aryan Rebels“ rief in ihren radikalen Texten zum Mord an Andersdenkenden auf. Auch Mo Asumang erhielt außer weiteren Prominenten eine Morddrohung von Bandleader Lars Burmeister. Auf einer CD lautete im Lied „Die Kugel ist für Dich“ die Textzeile: „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang!“ Die Autorin bekannte: „Diese Drohung war ein Volltreffer ins Epizentrum meiner Angst.“ Als Reaktion auf diese Morddrohung drehte sie den Film „Roots Germania“, in dem sie ihre afrodeutschen Wurzeln erforschte und nach Ghana reiste. Und sie entschied sich, aktiv gegen Rassismus vorzugehen.

Mit Gewalt konfrontiert wurde sie zuvor als jobbende Taxifahrerin während ihres Studiums. „Als Taxifahrerin habe ich viel erlebt und wurde einmal mit einer Pistole bedroht. Und als Interviewerin in einer Kasseler Straßenbahn würgte mich ein Mann zwischen zwei Haltestellen, ohne dass mir die Fahrgäste geholfen haben.“ Beim Erzählen oder Vorlesen „durchlebe ich diese Situationen immer wieder neu“. Die Auseinandersetzungen mit diesen Situationen helfe ihr, damit umzugehen. In ihren Gesprächen mit Neo-Nazis und Rassisten setzt sie auf Konfrontation, sucht das Gespräch mit denen, die sie hassen. Sie konfrontiert sie mit der Frage, was ein „Arier“ sei. Sie lässt sich von Drohungen nicht einschüchtern, sondern kämpft unermüdlich gegen Fremdenfeindlichkeit und für soziale Gerechtigkeit.

„Ich gehe in Situationen wie Demos in meine Angst rein. Ich hatte meist ein mulmiges Gefühl, war unsicher, woraus meine Angst besteht. Meine Angst ist in der Vorbereitung meist größer als in der Situation selbst.“ Bei Eintritt in die „Aktion“ werde ihre Neugier gestartet. Sie will herausfinden „Was ist das für ein Mensch?“, „Warum und wie sagt er etwas?“. Oft reflektierten Rassisten, Neo-Nazis oder Klu-Klux-Anhänger nicht über ihre Einstellungen und Zugehörigkeit. Ihre Erkenntnis: „Diese Leute leben keine Realität, die leben von einem Spruch zum anderen. Bei den Anfeindungen läuft eine Wut- und Hassschleife ab. Der Angreifer wartet ab, bis der Angegriffene in diese ‚reinspringt‘ und in die Falle tappt. Das muss man durchbrechen.“ Um dies zu umgehen, mache sie ein „innerliches Tai-Chi“, lasse die Angriffe an sich vorbeiziehen und beobachte ihr Gegenüber. „Das kann jeder.“

Mit Fragen stellen, könne man oft etwas erreichen, diese Menschen zum Nachdenken anregen. Das sei wichtig, denn in diesem Sumpf befinden sich weltweit inzwischen nicht mehr Tausende, sondern Millionen. „Die Demokratie ist fragil.“ Deshalb sei es wichtig, den Anfängen zu wehren, keine Mauern aufzubauen, sondern andere Wege zu gehen, wenn man eine Chance habe, das Gespräch zu suchen und niemanden aufzugeben. Sie erzählt von ihrer Großmutter, die sie großzog, obwohl sie als junge Frau Mitarbeiterin der SS gewesen war, und von Chris, einem Aussteiger aus der rechten Szene, mit dem sie befreundet ist. Für ihre Arbeit wurde sie im Jahr 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Die Zuhörer hatten viele Fragen an Mo Asumang, zollten ihr und ihrer Arbeit großen Respekt.

Mo Asumang liest im Hof des Landratsamts aus ihrem Buch „Mo und die Arier – Allein unter Rassisten und Neonazis“. Foto: fch



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