Eliza entfaltete die Vielfalt ihrer Gaben

Dr. Katharina Bechler, Kuratorin der Sonderausstellung „Princess Eliza“ im Landgrafenschloss Bad Homburg, zwischen Glasbehältern mit Beispielen seltener Pflanzen, die Landgräfin Elizabeth kurz nach ihrem Umzug von London nach Homburg im Schlossgarten anpflanzen ließ. Auf dem Boden ein großer Plan der Landgräflichen Gartenlandschaft. Foto: Bergner

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. Es ist die Lebensgeschichte einer Frau, die fast 48 Jahre lang im „goldenen Käfig“ am englischen Königshof lebte, mit einer späten Hochzeit die große Chance ihres Lebens ergriff und für die kleine Landgrafschaft Hessen-Homburg, Stadt und Schloss Homburg zum Segen wurde: Princess Elizabeth.

Als siebtes von 15 Kindern des englischen Königs George III. und seiner Gemahlin Charlotte 1770 in London geboren, schrieb Elizabeth 1833 in einem Brief an ihre Freundin Louisa Swinburne, sie empfinde „eine tiefe Befriedigung, das Gefühl zu haben, nützlich zu sein“.

Damals konnte die vielseitig begabte Frau auf einen reichen Schatz an Lebenserfahrung zurückblicken: Von ihrer deutschstämmigen Mutter intellektuell und künstlerisch erzogen, war sie schon früh selbst zur Künstlerin geworden, ehelichte im Jahr 1818 schließlich den Landgrafen Friedrich VI. Joseph von Hessen-Homburg und zog mit ihm von London in die kleine Residenz am Fuß des Taunus, wo sie ihre Begabungen entfaltete und in vielerlei Hinsicht die Stadt und das dortige Landgrafenschloss beherzt und kreativ in die Moderne führte.

„Eliza hat als Mensch, der die Viefalt seiner Gaben lebte und nicht das Fachidiotentum pflegte, Vorbildcharakter“, sagte Karin Wolff, Geschäftsführerin des Kulturfonds RheinMain bei der Vorstellung der Sonderausstellung „Princess Eliza – Englische Impulse für Hessen-Homburg“ im Landgrafenschloss. Die Ausstellung ist ab jetzt bis zum 17. Januar 2021 für jedermann zu besichtigen.

Die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen haben mit zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeitern zum 250. Geburtstag der Landgräfin eine Schau zusammengestellt, die ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam das ganze Leben von Eliza entfaltet: In der Historischen Bibliothek, dem Ahnensaal und dem Englischen Flügel des Schlosses sowie an zahlreichen Stellen im Schlosspark stößt der Besucher auf Spuren ihres Wirkens und Zeugnisse eines Daseins, das geprägt war von englischer Herkunft und Lebensweise und sich doch so eigenständig entfaltete. Dr. Katharina Bechler, Kuratorin der Ausstellung, sagte beim Rundgang, mit ihrer Mitgift, dem britischen Kulturtransfer und der Unterstützung ihres Ehemanns, Landgraf Friedrich Joseph, habe Elizabeth „1820 bis 1829 einen enormen Modernisierungs- und Sanierungsschub von Städtchen und Schloss initiiert“. Natürlich fühlte sich Eliza ihrer englischen Herkunft verpflichtet, das zeigt eine filmische Bildpräsentation über Elizas Elternhaus am Londoner Hof in der Historischen Bibliothek des Schlosses – das belegt auch die Ausstellung im Ahnensaal über Botanik und Genealogie. Katharina Bechler und ihre Kollegen präsentieren die Listen der Pflanzenlieferungen, die Elizabeth sich aus Kew Gardens in London nach Homburg kommen ließ: getrocknete Zedern-Zapfen, Zweige von Weiß-Tanne und Kaukasus-Gämswurz und viele andere auf dem europäischen Festland unbekannte Arten werden gezeigt; Eliza ließ viele dieser Arten im Park anpflanzen. Herbarien mit gepressten Wild- und Wiesenpflanzen aus dem Homburger Schlosspark, Blumenzeichnungen und schließlich die Pläne der landgräflichen Gärten – Englischer Garten, Gustavsgarten, Kleiner Tannenwald und Forstgarten – zeugen von der kreativen Gartengestaltung der Landgräfin.

Auch als Stadtarchitektin betätigte sich Eliza: Die Louisenstraße bekam eine Kanalisation, die Kaiser-Friedrich-Promenade wurde angelegt, und das Waisenhaus in Homburg aufgestockt. Viele Ausstellungstafeln und Bilder zeugen von ihrer sozialen Ader: Sie sorgte dafür, dass die Waisen und die Zuchthäusler, bisher unter einem Dach untergebracht, räumlich getrennt wurden, betrieb Armenfürsorge und unterstützte arbeitende Mütter mit Kindern. „Eliza selbst hatte einen hohen Lebensstandard und viele Lebensorte in Homburg wie die Meierei, das Gotische Haus oder das Schweizerhaus“, so Kuratorin Bechler.

In zahlreichen Vitrinen werden Porzellan-Service, Schmuck und Gebrauchsgegenstände ihres Haushalts gezeigt. Was sammelte Eliza eigentlich nicht? Gemälde von Verwandten, englische Stilmöbel und Tafelsilber der damaligen Zeit, Bücher in ihrer englischen Bibliothek – bis hin zu englischen Karikaturen, die sie selbst und ihren Landgrafen zeigen, denn die Engländer hatten sich 1818 regelrecht lustig gemacht über die Hochzeit der Prinzessin mit dem Landgrafen aus „Humbug“. Ja, die Landgräfin hatte Humor.

Im Englischen Flügel des Schlosses, ihrem Witwensitz seit 1829, sind vor allem eigene Kunstwerke von ihr wie Lackmalereien aus Frogmore House bei Windsor, Aquarelle und Zeichnungen zu bewundern, aber auch viele Stücke der originalen Einrichtung. Nach ihrem Tod 1840 ging ein Großteil der Sammlerstücke und ihrer eigenen Kunstwerke zwar per Testament an die Verwandten der kinderlosen Landgräfin, die vieles in London versteigern ließen. Doch ist es den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen gelungen, viele Originale der Zeit aus öffentlichen und privaten Sammlungen für die Schau in Bad Homburg zusammenzutragen.

Digitale Medientafeln auf Deutsch und Englisch ergänzen die Ausstellung. Der umfangreiche Katalog mit Texten und Bildern gibt einen Einblick in die immense Forschungsarbeit, die hinter der Ausstellung steckt. Wer im Anschluss an den Ausstellungsbesuch durch den Schlosspark geht, kann an vielen Orten die mit einem „E“ auf blauem Grund angebrachten Hinweisschilder entdecken, die auf Elizas Anpflanzungen und Gartengestaltung aufmerksam machen.

!Die Ausstellung „Princess Eliza – Englische Impulse für Hessen-Homburg“ im Landgrafenschloss Bad Homburg, die unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Volker Bouffier steht und vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain gefördert wird, ist im September und Oktober täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, ab November dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr. Weihnachtspause ist vom 24. Dezember bis 1. Januar. Führungen finden stündlich statt (Anmeldung im Museumsshop, Eintrittspreis acht, ermäßigt fünf Euro). Die Ausstellung kann aber auch ohne Führung besichtigt werden. Der im Imhof Verlag erschienene Katalog kostet 29,95 Euro. Die Website www.eliza2020.de führt in die Ausstellung ein.

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