Bad Homburg (ks). Was für wunderbare, rhythmisch-schwingende Klänge, die sich dramatisch verdichten, langsam wieder auflösen, um am Ende nach einer heiteren, „volkstümlichen“ Stimmung in einem fulminanten Schlussakkord zu münden. Die Zuhörer in der gut besetzten Erlöserkirche sind begeistert und zugleich auch erleichtert und dankbar, dass ein rettender Engel das Unheil verhindert hat und Jephtha und seine Tochter Iphis mit dem Schrecken davongekommen sind. Im Unterschied zu der alttestamentarischen dramatischen Geschichte vom Heerführer und Richter Jephtha und seinem Opferschwur gegen Gott im Buch der Richter lassen Georg Friedrich Händel und sein Librettist die Geschichte versöhnlicher enden.
Der großartige Bachchor, die empathischen Vokalsolisten Simone Schwark und Hannah Knieriem (beide Sopran), Kathrin Hildebrandt (Mezzosopran), Christian Rohrbach (Altus), Benoît Haller (Tenor) und Markus Flaig (Bass) sowie das engagierte Barockorchester „L’Arpa festante“, sicher und mit vollem Körpereinsatz von Kantorin Susanne Rohn geführt, haben die Geschichte in makellosem Gleichklang dargeboten und die Zuhörer auch emotional gefesselt und tief berührt.
Anders als in der Oper gibt es in dieser „geistigen“ Variante des Oratoriums keine Handlung, keine Szenen und Bilder. Der Musik, den menschlichen Stimmen und den Klängen des Orchesters muss es gelingen, die Zuhörer so zu fesseln, dass sie der Handlung ohne optische Unterstützung willig bis zum Ende folgen, und das über mehr als zwei Stunden hinweg. Das ist in einer, die Mitwirkenden auch physisch fordernden Aufführung überzeugend gelungen. Hilfestellung gab es in dem dreiaktigen Werk von Bassist Markus Flaig als Rezitator und vom Chor. Jephtha (Benoît Haller), unehelich geboren, wird von seinen Stiefgeschwistern vertrieben und muss sich in der Fremde als Heerführer verdingen. Als seine Heimat von den Ammonitern bedrängt wird, ruft man ihn zurück, mit fatalen Folgen. Denn um den Seinen den Sieg zu sichern, bittet Jephtha Gott um Hilfe und schwört, ihm als Dank das erste Lebewesen zu opfern, das ihm nach dem Sieg entgegenkommt. Es ist tragisch, dass ausgerechnet Hamor, der Verlobte von Iphis, die Katastrophe heraufbeschwört. Glücklich über den Sieg überbringt er ihr die freudige Nachricht. Sie stürmt los, um dem Vater als Erste zu gratulieren.
Der letzte Akt versammelt noch einmal die Dramatik des Geschehens mit berührenden Texten und bewegenden Melodien, wenn Jephtha den Opfertod seines einzigen Kindes beklagt und Iphis traurig Abschied nimmt von den „blumigen Wiesen und belaubten Wäldern“. Vater und Tochter sind demütig bereit, das Versprechen zu halten und die Konsequenzen zu tragen. Doch dann erscheint ein Engel und verkündet, dass die Tochter nicht sterben muss, sondern künftig „im jungfäulichen Kreis mit Gesang und Harfenklang Gott loben und ihm danken soll“.
Jephtha wird für seinen Mut und seine Beständigkeit gelobt, „die die Völker besingen sollen, um den Namen der Tochter zu feiern. So wird belohnt, wer Gott verehrt. Amen. Hallelujah“.
Händel war schon erblindet, als sein letztes Oratorium „Jephtha“ entstand. 1685 in Halle geboren, starb er 1759 in London, wo er über Jahrzehnte hinweg am Englischen Königshof gewirkt hat und als englischer Staatsbürger so prominent war, dass er in Westminster Abbey begraben wurde. Dass Händel den Menschen, seine Freuden und seine Leiden im Fokus hatte und so komponieren und musizieren wollte, dass jeder ihn versteht, haben die Musikfreunde in der Erlöserkirche erleben dürfen.
Kantorin Susanne Rohn führt Bachchor, Orchester und Solisten. Foto: ks