„Grambowskis letzte Rolle“ – ein Stück des theater domino geprägt von Idealismus, Freundschaft und Demenz Don Quijote

Wie lernt denn so ein Mufflon-Jungtier? Foto: Archiv Opel-Zoo

Kelkheim (ju) – Kennen Sie Grambowski? Nicht? Der war früher ein echt guter Schauspieler. Heute lebt er im Pflegeheim – dement und seit eineinhalb Jahren verstummt. Doch als die neue Aushilfspflegerin Mika, eine junge, leider erfolglose Schauspielerin, ein verstaubtes Fotoalbum des alten Mannes entdeckt, geschieht das Unglaubliche: Grambowski spricht! Und nicht nur das – er hält sich für Don Quijote. Den kennen Sie aber, oder? Das ist der weltberühmte Ritter, der die Welt retten will und dabei gegen Windmühlen kämpft – seinerzeit Grambowskis größter Theatererfolg.

Mika ergreift die Chance und schlüpft in die Rolle von Sancho, dem Knappen des „Ritters von der traurigen Gestalt“. Gemeinsam mit den anderen Pflegekräften bringt sie den alten Schauspieler zurück auf die Bühne seines Lebens. Doch das Pflegeheim ist kein leichtes Pflaster und die Heimleiterin ein harter Knochen, und so muss Mika viel riskieren, damit Grambowski seine letzte Rolle zu Ende spielen kann. Vielleicht sogar zuviel …?

Die Zuschauer erwartet eine herzerwärmende Komödie über das Abenteuer des Lebens, über Würde, Theater, kalte Herzen, Freundschaft und den Mut, für die Menschlichkeit Großes zu wagen.

Von Idealismus und der bitteren Realität

Die Geschichte des verarmten Landadeligen Don Quijote, mit bürgerlichem Namen Alonso Quijano, ist weit mehr als eine bloße Satire auf Ritterromane. In seinem Kern geht es um den tiefen Widerspruch zwischen Idealismus und Realität. Don Quijote flieht aus der nüchternen Welt in eine selbstgeschaffene Realität voller Ritterlichkeit, Ehre und Heldentum – Werte, die in seiner Zeit längst verloren gegangen sind. Dabei prallt seine Fantasie ständig auf eine Welt, die ihn nicht ernst nimmt, ihn verspottet und seine Träume zerschlägt.

Trotzdem bleibt Don Quijote ein bewundernswerter Charakter: Er zeigt, wie stark die menschliche Vorstellungskraft sein kann – wie wir durch Glauben und Überzeugung unsere eigene Realität formen können. Sein treuer Knappe Sancho Panza bringt dabei eine bodenständige Sichtweise ein, die im Kontrast zu Don Quijotes Träumerei steht. Doch auch Sancho lässt sich im Lauf der Geschichte von der Kraft der Idee anstecken.

Der Roman ist gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft: mit ihren Konventionen, ihrer Ungerechtigkeit und ihrer Oberflächlichkeit. Subtil wird hier die Frage gestellt, wer hier eigentlich verrückt ist – der Träumer, der an eine bessere Welt glaubt, oder die Gesellschaft, die sich mit der unvollkommenen Welt zufrieden gibt?

Am Ende ist Don Quijote eine tiefgründige Reflexion über das Menschsein: über unsere Sehnsucht nach Sinn, unsere Fähigkeit zu träumen, unser Scheitern – und unseren unerschütterlichen Willen, trotzdem weiterzugehen.

Was Don Quijote mit dem Thema Demenz zu tun hat

Und wenn wir jetzt zurück zum Stück kommen, erschließt sich auch der Zusammenhang zum vom Regisseur Volker Zill gewählten Thema Demenz. Don Quijote lässt sich auch als Auseinandersetzung mit dem Altern und möglicher Demenz deuten. Grambowski hat schon längst den Bezug zur Realität verloren, ebenso wie seine damalige Theaterfigur. Er lebt in einer Welt, die von außen schwer erreichbar ist und doch gibt es da etwas, das seine Lebensgeister zurückholt – Erinnerungen. Die Demenz-Forschung zeigt, dass Erinnerungen im Krankheitsverlauf nicht gleichmäßig verloren gehen – und dass gerade emotionale und frühere Erinnerungen oft erstaunlich lange erhalten bleiben. Mika als Sancho Panza könnte in diesem Licht also als Auslöser und gleichzeitig geduldiger Begleiter gesehen werden, der Grambowski schützt und begleitet, ohne ihn zu entmündigen. So wird das Theaterstück auch zu einer berührenden Geschichte über das Altern, den Umgang mit geistigem Verfall und die Würde des Menschen – selbst im „Wahnsinn“.

Volker Zill und sein Ensemble schrecken selten vor tiefgründigen Themen zurück. So wird auch bei den Proben in der Gesamtschule Fischbach deutlich, dass hier wieder etwas Großes entsteht. Eric Lenke, der schon die tragische Figur des Ill in „Der Besuch der alten Dame“ bravourös spielte, scheint wie geschaffen für die Rolle des Grambowski. Man darf gespannt sein, welche Facetten der Charakter Grambowski durchschimmern lässt und wie Lenke sie auf die Bühne bringt. Eins sei hier schon mal verraten: Grambowskis Rollstuhl wird zu Rosinante – Don Quijotes edlem Schlachtross, in Wirklichkeit aber ein alter, klappriger Ackergaul. Eine weitere Metapher für die Traumwelt des Grambowskis/Don Quijote und zugleich eine liebenswerte, treue Begleitfigur in einem absurden, aber tief menschlichen Abenteuer.

Volker Zill spart bei den Proben nicht mit Anregungen, Regieanweisungen und neuen Ideen. Das kennen Susan Kaross (Mika), Gero Teuffert (polnische Putzfrau und imaginäre Geliebte des Don), Irina Schiller (Pflegerin Angi) und Christine Tannert (Heimleiterin Frau Barthala) schon. „Bei einigen Szenen weiß ich schlussendlich noch nicht, wie ich es haben will, aber das ergibt sich dann meist aus den weiteren Proben“, gesteht Zill. Noch hat der Regisseur etwas Zeit, um einen genauen Plan zu haben und die Schauspieler, um ihren Text zu lernen – die Premiere des Stückes findet am Freitag, 23. Mai, um 20 Uhr in der Aula der Gesamtschule Fischbach statt.

Weitere Vorstellungen

Weitere Vorstellungen finden am 24., 25., 28., 29., 30. und 31. Mai jeweils um 20 Uhr statt. Der Eintritt kostet 20 Euro, Schüler, Studierende, Auszubildende, Menschen mit Behinderung, Arbeitslose sowie Rentner bezahlen nach Vorlage des Berechtigtennachweises 10 Euro. Tickets gibt es unter www.theaterdomino.de.

Don Quijote, der sich nach der Lektüre zu vieler Ritterromane selbst für einen fahrenden Ritter hält, fasziniert seit über 400 Jahren. Seit der Erstveröffentlichung des Romans von Miguel de Cervantes im Jahr 1605 wurde der Traum des „Ritters von der traurigen Gestalt“, Unrecht zu bekämpfen und Ruhm zu erlangen, immer wieder für die Bühne adaptiert.

Seine Abenteuer, darunter der berühmte Kampf gegen Windmühlen, sein treuer Begleiter Sancho Panza und seine imaginierte große Liebe Dulcinea von Toboso, inspirierten zahlreiche Theatermacher. Bereits 1605, im Jahr der Veröffentlichung, brachte Guillén de Castro y Bellvís Don Quijote erstmals auf die Bühne. Es folgten weitere Adaptionen, darunter eine englische Fassung von Thomas D’Urfey (1694), eine französische Oper (1743) und das berühmte Ballett von Marius Petipa (1869).

Ein Höhepunkt der Theatergeschichte ist das Broadway-Musical Man of La Mancha (1965), das mit Songs wie „The Impossible Dream“ Don Quijotes unerschütterlichen Glauben an seine Ideale feiert. Seine Worte klingen bis heute nach: „Den unmöglichen Traum zu träumen, das ist meine Aufgabe.“

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