Bad Homburg (nl). Die Erlöserkirche in Bad Homburg wurde am Silvesterabend zum Schauplatz eines besonderen musikalischen Ereignisses. Unter der Leitung von Susanne Rohn präsentierte das Orchester L’Arpa Festante Bedrich Smetanas Zyklus Má Vlast – „Mein Vaterland“ – in seiner Gesamtheit. Die helle, festlich beleuchtete Kirche mit ihrer klaren Architektur und exzellenten Akustik schuf den idealen Rahmen für ein Konzert, das in seiner musikalischen und atmosphärischen Wirkung tief beeindruckte.
Der Abend begann mit Vyšehrad, dem Satz, der den Zyklus eröffnet. Die Harfe setzte zarte, perlende Akzente und zeichnete die Umrisse der böhmischen Burg nach, die Smetana in seinem Werk als Symbol nationaler Identität beschreibt. Die Streicher fügten sanfte, majestätische Bögen hinzu, während die Bläser dem Satz Glanz und Feierlichkeit verliehen. Schon hier wurde deutlich, mit wie viel Detailarbeit und klanglicher Sorgfalt das Orchester arbeitete.
Mit Vltava (Die Moldau) führte das Orchester die Zuhörer auf eine musikalische Reise entlang des berühmten Flusses. Der Satz begann mit den zarten, plätschernden Klängen der Flöten, die die Quelle des Flusses darstellen, und wuchs zu einem kraftvollen, fließenden Hauptthema heran. Susanne Rohn leitete das Orchester souverän durch die dynamischen Entwicklungen: von den ruhigen, lyrischen Passagen bis zu den groß angelegten, orchestralen Höhepunkten. Die Akustik der Erlöserkirche verstärkte die Wirkung der Musik und ließ den Klang voll zur Geltung kommen.
Der dritte Satz, Šárka, zeigte das Orchester von seiner dramatischen Seite. Die Musik erzählt die Geschichte der rachsüchtigen Šárka aus der böhmischen Mythologie, und L’Arpa Festante schuf mit energischen Akzenten und intensiven Kontrasten eine packende Atmosphäre. Besonders beeindruckte die Präzision, mit der das Orchester die dramatischen Wendungen und rhythmischen Herausforderungen dieses Satzes meisterte.
In Z ceských luhu a háju (Aus Böhmens Hain und Flur) entfaltete sich eine ganz andere Klangwelt. Die sanften Streicher und die feinen Holzbläser-Soli malten eine friedliche, fast pastorale Landschaft, die den Reichtum und die Schönheit der böhmischen Natur einfing. Das Orchester fand hier eine ideale Balance zwischen klarer Struktur und emotionaler Wärme.
Die letzten beiden Sätze, Tábor und Blaník, griffen das Thema des nationalen Erbes erneut auf. In Tábor erklang mit Nachdruck das Hussitenlied „Ihr Kämpfer Gottes“, das sich wie ein roter Faden durch den Satz zog. Der Klang wurde hier dichter, kraftvoller, und das Orchester zeigte eine bemerkenswerte klangliche Intensität. Schließlich mündete der Zyklus in Blaník, dem triumphalen Finale. Die Blechbläser strahlten, während die Streicher und das Schlagwerk ein wuchtiges, feierliches Fundament bildeten. Die Musik wirkte wie ein festliches Versprechen für das kommende Jahr.
Die Erlöserkirche selbst trug wesentlich zur Wirkung des Abends bei. Der helle, offene Raum mit seiner klaren Akustik machte jedes Detail der Aufführung hörbar, ohne den Klang je überladen wirken zu lassen. Die Atmosphäre war konzentriert und zugleich festlich – das Publikum lauschte aufmerksam, fast andächtig.
Nach dem letzten Ton brach ein herzlicher, lang anhaltender Applaus aus, der die Wertschätzung für diese außergewöhnliche Aufführung zeigte. Besonders Susanne Rohn wurde für ihre präzise und einfühlsame Leitung gefeiert, die das komplexe Werk mit viel Sorgfalt und musikalischem Verständnis zum Leben erweckte.
Das Silvesterkonzert in der Erlöserkirche war ein würdiger Abschluss des Jahres. Smetanas Má Vlast, in dieser detailreichen und emotional tief empfundenen Interpretation, wurde zu einer Hommage an Heimat, Natur und Geschichte – und zu einem Moment des Innehaltens und der Inspiration für das neue Jahr.