Früchte mit Geschmack und Vergangenheit

Bad Homburg (fch). In ihrem Buch „Die alten Obstsorten“ hat Autorin Sofia Blind Geschichten, Rezepte und Anbautipps von der „Ananasrenette bis zur Zitronenbirne“ gesammelt. Mehr als 50 heimische, alte und ökologisch wertvolle Obstsorten stellt sie in ihrem Buch mit unterhaltsamen Worten, interessanten Geschichten und historischen Illustrationen, alle von der Staatsbibliothek zu Berlin, vor.

„Alt“ sind Obstsorten, wenn sie vor 100 Jahren oder früher aus botanischen Obstarten gezüchtet wurden. Die Autorin ist Literaturübersetzerin und Gärtnerin im Lahntal. Dort hat sie in ihrem historischem Garten alte, seltene und ungewöhnliche Obstsorten wie Champagnerrenette, Schöner aus Bath oder Große Grüne Reneklode kultiviert. In ihrem Garten baut sie auch ungewöhnliche Obstsorten wie Kaki, Maul- und Brustbeeren an. Zum Scheiben des Buches angeregt wurde sie durch die Beschäftigung mit alten Obstsorten. Von diesen sind viele verschollen oder verschwunden wie der Apfel mit dem Namen Schmutzbolch oder die Schwaneneierbirne.

Das Buch von Sofia Blind ist Schatzkiste, Informationsquelle, Nachschlagewerk, Augenschmaus und Lesefutter in einem. Es ist eine geeignete Lektüre für alle, die sich für das Thema interessieren. Die Bandbreite reicht von professionellen und Hobby-Gärtnern, Garten- und Streuobstwiesenbesitzern über Pomologen und Kelterern bis hin zu Kuchenbäckern, Saft-, Gelee- und Marmeladeköchen. Die liebevoll gestalteten Doppelseiten laden zum Herumblättern, Entdecken und Schmökern ein. Die Autorin gibt ihren Lesern und Leserinnen informative wie vergnügliche Einblicke in die Welt von „Früchten mit Vergangenheit“ und Geschmacksvielfalt. „Wer alte Obstsorten pflanzt, kauft oder isst, macht also nicht nur sich selbst eine Freude, sondern trägt gleichzeitig zum Erhalt eines kulinarischen und ökologischen Schatzes bei“, schreibt Sofia Blind in ihrem Vorwort.

Atemberaubende Sortenfülle

Die Vielfalt der alten Sorten ist überwältigend. Die Obstsortendatenbank des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nennt aus historischen Quellen 1424 verschiedene Apfel, 1016 Birnen, 324 Kirschen, 251 Pflaumen und 194 Pfirsiche. Doch es gab noch viele mehr. Allein zwei- bis dreitausend verschiedene Apfelsorten wurden im 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum kultiviert, „vom Aargauer Herrenapfel bis zum Zwiebelborsdorfer“. Aus dem Bestand dieser atemberaubenden Sortenfülle porträtiert Sofia Blind 55 alte Sorten und stellt mehr als 100 weitere kurz vor. Dazu gehört Kernobst wie Äpfel und Birnen, Steinobst wie Aprikosen, Kirschen, Pfirsiche und Pflaumen sowie alte Beerensorten und seltenere Arten wie Feigen, Mandeln, Maulbeeren, Mispeln und Walnüsse. Die Namen alter Obstsorten wie Forellenbirne, Seidenhemdchen, Schweizerhose, der schon bei den Römern beliebte Kleiner Api (Apfel) oder die Sommerbirne Frauenschenkel sind vielfältig und ausgefallen. Wie auch ihr Aussehen und ihr Geschmack.

Proviant auf der Seidenstraße

Interessant sind zudem die Geschichten, die darüber informieren, wie die alten Obstorten aus dem fernen Asien – etwa als Abfallprodukt aus dem Proviant auf der Seidenstraße Reisender – den Weg in Kloster-, Herrscher- und Privatgärten sowie auf Streuobstwiesen fanden. Um die gezüchteten Varianten, sprich Sorten, botanischer Obstarten wie Apfel, Birne oder Aprikose ranken sich viele Geschichten. Zu ihnen gehört jene Birne, die Fontane in „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ beschreibt, die Kirsche, für die Friedrich der Große einen halben Monatslohn zahlte, die vom Apfel, der Newton zu seiner Gravitationstheorie inspirierte, oder die über eine Birne, die zweimal per Schiff nach Amerika reiste.

In dem ansprechend gestalteten Buch enthalten sind ausführliche Sortenporträts, Tipps zu Anbau und Sortenauswahl, Geschichten sowie leckere Rezepte regionaler Spezialitäten. Adressen von Baumschulen, Obstlehrpfaden und Veranstaltungen, aber auch weitere Empfehlungen gehören dazu. Wer im Buch blättert und liest, fragt sich unwillkürlich, was aus der atemberaubenden Fülle an Sorten und der großen Geschmacksvielfalt geworden ist. Zum Glück ist mit der Rückbesinnung auf regional erzeugtes und biologisch angebautes Obst, auch der Wert und die Bedeutung alter Obstsorten wieder in den Fokus gerückt worden.

Auf Streuobstwiesen werden verstärkt widerstandsfähige und robuste Obstsorten angebaut, die ohne Pflanzenschutzmittel und Düngung auskommen. Sie tragen zu einen reich gedeckten Tisch mit gesunden, schmackhaftem Obst und dem Erhalt des Lebensraumes Streuobstwiese bei.

!Sofia Blind Buch „Die alten Obstsorten – Von Ananasrenette bis Zitronenbirne“ ist im DuMont Buchverlag erschienen, ISBN 978-3-8321-9988-3



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