Bad Homburg (a.ber). Wenn etwas wirklich gute Laune macht, dann ist es die festlich-beschwingte Abschluss-Soiree des „Bad Homburger Sommers“. Schon lange bevor der Dirigent des Johann-Strauss-Orchesters Wiesbaden, der gebürtige Slowake Peter Zelienka, den Taktstock hob zu einem Abend der Operetten- und Walzermusik vom Feinsten, war jeder Platz auf den Rasenflächen vor der großen Bühne besetzt.
Käsewürfel und Brezeln, Obst, Wein und Bier wurden aus mitgebrachten Taschen und Bollerwagen geholt, das Publikum machte es sich auf Stühlen und Bänken bequem und schenkte den aufgezogenen Regenwolken kaum Beachtung. Rege Unterhaltungen überall, und als die ersten Regentropfen mein Notizbuch trafen, packten die Sitznachbarn neben mir in aller Seelenruhe durchsichtige Friesennerze aus oder spannten Regenschirme auf.
So viele bunte Schirme – was für ein heiteres Bild! Eine junge Frau neben mir ließ den ersten Schauer dieses Konzertabends stoisch auf sich niederprasseln und wickelte ihren Burger aus der Alufolie. Eigentlich war der Anfangs-Eindruck des Abschlusskonzerts im Kurpark dieses Jahr dazu angetan, einen Artikel über die Bedeutung des Regenschirms für den Menschen zu schreiben. Außer einigen Donnerschlägen vom Himmel wäre die Dramatik, die Kurdirektor Holger Reuter in seiner Begrüßung dem gewittrigen Wetter und „der möglichen Gefahr für Leib und Leben“ beimaß – indem er den Konzertbesuchern den Fluchtweg in die Tiefgarage des Kur-Royal erläuterte, „wo wir dann etwa 30 Minuten ausharren müssen, so das Szenario“ – auch zu einem literarischen Plot über die gefühlte Gefährdung des Menschen gut gewesen. Aber es sollte ja um Musik gehen.
Um das „Grande Finale bei strahlendem Regen“, wie Oberbürgermeister Alexander Hetjes scherzte, der vorab den vielen Sponsoren und Unterstützern des „38. Bad Homburger Sommers“ und vor allem dem Organisations-Team um Stefanie Kürten von der Kur- und Kongreß GmbH dankte, die 50 Veranstaltungen auf die Beine gestellt hatten – von denen lediglich zwei wegen des schlechten Wetters hatten abgesagt werden müssen. Bei Johann Strauss aber hält man durch!
Während im Takt die Regenschirme auf- und zugeklappt wurden, spielte das Johann-Strauss-Orchester in großer Besetzung unter der Bühnen-Überdachung die ersten Stücke. Ok, auch Kuli-Schrift kann offenbar verschmieren. Und so lese ich etwas wie „Triumphmarsch“ und „Gladiatoren“ in meinen Aufzeichnungen und hatte wohl den Komponisten Julius Fucik dazu notiert, der, wie ich den Kommentar der Orchester-Ansagerin Claudia Grundmann erinnere, irgendwie vorher was mit dem Buch „Quo Vadis“ gemacht hatte – wahrscheinlich wurde er inspiriert dadurch. Nach dem berühmten Sehnsuchts-Walzer „Rosen aus dem Süden“ von Johann Strauss, der mich an meine Ballettstunden der Kindheit selig erinnerte, dirigierte Peter Zelienka energiegeladen die Schnellpolka „Banditen-Galopp“ und Anton Dvoráks ersten „Slawischen Tanz“ mit seinen reizvollen musikalischen Triangel-Akzenten sowie die spritzig-neckische, 1869 von Johann Strauss komponierte Huldigung „Es lebe der Ungar“ (das habe ich in einer „Trockenperiode“ hoffentlich richtig notiert).
Obwohl es immer düsterer über dem Kaiser-Wilhelms-Bad aufzog, genossen die Zuhörer einen Frühlings-Walzer und die Schnellpolka des jüngeren Strauss-Bruders Eduard Strauss mit dem Titel „Ohne Bremse“, die der begabte und früher unterschätzte Komponist für einen Eisenbahner-Ball geschrieben hatte. Nomen est Omen – wo in Deutschland fährt gerade die Bahn ungebremst von Baustellen? Das aus Musikern vieler deutscher Profiorchester bestehende, in den 1970er Jahren von Herbert Siebert in Wiesbaden gegründete Johann-Strauss-Orchester begeisterte sein Publikum auch nach der Pause mit Stücken wie „An der schönen blauen Donau“, dem Einzugsmarsch aus dem „Zigeunerbaron“ und der „Berliner Luft“ von Komponist Paul Lincke, die ja fast jedermann mitsingen kann: weite musikalische Bögen, Perfektion und Leidenschaft und unglaubliche Eleganz auch in lautgewaltigen Passagen zeichneten das Zusammenspiel unter Dirigent Zelienka aus. Dieses Musik-Genre: es sind große musikalische Kompositionen, die gute Laune machen, aber beileibe nicht oberflächlich sind.
Glücklicherweise hielt dann das Wetter, die Regenschirme konnten zugeklappt werden, und so mancher Konzertbesucher stand hinterher noch fröhlich plaudernd bei einem Schoppen am Weinstand.